International

Entsendung von Arbeitnehmern in das Ausland

Vorbemerkung

Die Internationalisierung greift immer mehr um sich und macht auch vor dem Arbeitsrecht nicht halt. Die Entsendung von Arbeitnehmern in das Ausland gewinnt immer mehr an Bedeutung. Hierdurch kann z.B. ein Mangel an qualifizierten Fachkräften behoben, die einheitliche Unternehmenspolitik vor Ort durchgesetzt, der internationale Erfahrungsaustausch gefördert und Auslandserfahrung gesammelt werden.
Bei der Entsendung von Arbeitnehmern ergeben sich insbesondere Probleme bei der Vertragsgestaltung. Eine korrekte sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ist für die Arbeitnehmer wichtig, um ihnen umfassenden Sozialversicherungsschutz zu gewährleisten. Darüber hinaus birgt eine falsche sozialversicherungsrechtliche Beurteilung die Gefahr erheblicher Nachzahlungsverpflichtungen für den Arbeitgeber in sich. Außerdem sind steuerliche Problemstellungen zu beachten.
Diese IHK-Information soll Unternehmen einen Überblick über die rechtlichen Fragen, die sich bei einer Entsendung von Arbeitnehmern durch Wirtschaftsunternehmen ins Ausland stellen, geben und eine Hilfestellung bei der Beurteilung anbieten. Nicht eingegangen wird auf die Sonderregeln, die z .B. für Arbeitnehmer, die in der Personen- oder Güterbeförderung oder in der Schifffahrt beschäftigt sind, gelten.
Die Information wurde mit großer Sorgfalt erarbeitet. Eine Haftung für die Richtigkeit kann jedoch nicht übernommen werden.

Wann liegt eine Arbeitnehmerentsendung vor?

Eine Arbeitnehmerentsendung liegt grundsätzlich dann vor, wenn ein Arbeitnehmer auf Weisung seines inländischen Arbeitgebers (entsendendes Unternehmen), im Ausland eine Beschäftigung für ihn ausübt. Eine Entsendung ist auch dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer im Inland eigens für eine Arbeit im Ausland eingestellt wird.
Lebt der Arbeitnehmer jedoch bereits im Ausland bzw. ist dort beschäftigt und nimmt von dort aus eine Beschäftigung für einen inländischen Arbeitgeber auf, handelt es sich um eine Ortskraft. Ein Fall der Entsendung liegt nicht vor.
Weiterhin muss die Beschäftigung im Ausland im Voraus zeitlich begrenzt sein. Die zeitliche Begrenzung kann sich aus der Eigenart der Beschäftigung (z.B. Abwicklung eines bestimmten Projektes) oder aus einer vertraglichen Vereinbarung ergeben. Für den Umfang der Befristung gilt keine bestimmte feste Zeitgrenze. Der Zeitraum muss jedoch überschaubar sein.
Beispiele: In folgenden Fällen liegen Entsendungen vor:
  • Der Arbeitnehmer hat schon im Inland für das Unternehmen gearbeitet ist ins Ausland entsandt worden, um dort weiterhin für das Unternehmen gegen Entgelt als Arbeitnehmer tätig zu sein.
  • Der Arbeitnehmer war vorher bei einem anderen Arbeitgeber im Inland beschäftigt und wurde im Inland extra vom neuen Arbeitgeber für die Entsendung ins Ausland eingestellt.
  • Der inländische Arbeitnehmer war noch gar nicht als Arbeitnehmer beschäftigt und wurde extra für die Beschäftigung im Ausland eingestellt.
In folgenden Fällen handelt es sich nicht um eine Entsendung:
  • Der Arbeitnehmer ist schon vor Jahren ins Ausland ausgewandert. Er wird im Ausland vom deutschen Unternehmen eingestellt.
  • Der Arbeitnehmer war im Ausland bereits für einen anderen ausländischen Arbeitgeber tätig. Das deutsche Unternehmen stellt den Arbeitnehmer extra für eine Tätigkeit in einem anderen Land ein.

Wie wirkt sich die Entsendung auf den Vertrag aus?

Da der Arbeitgeber die Entsendung nicht einseitig aufgrund seines Direktionsrechts anordnen kann, ist grundsätzlich eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages erforderlich. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht dann, wenn im Arbeitsvertrag die Entsendemöglichkeit bereits ausdrücklich vorgesehen ist oder bei sehr kurzen Entsendungen (Dienstreisecharakter).
Bei der Änderung des Arbeitsvertrages ist zu beachten, dass bei einer Entsendedauer von über einem Monat der Arbeitgeber neben den wesentlichen Vertragsbedingungen, wie z.B. Arbeitsort, Arbeitsentgelt, Kündigungsfristen, laut Nachweisgesetz zusätzlich schriftlich niederzulegen hat:
  • Dauer der Auslandstätigkeit
  • Währung, in der das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird,
  • Mit dem Auslandsaufenthalt verbundenes zusätzliches Entgelt und Sachleistungen,
  • Bedingungen für die Rückkehr des Arbeitnehmers.
Diese Bedingungen müssen dem Arbeitnehmer vor dessen Abreise ausgehändigt werden.
Außerdem ist es sinnvoll, insbesondere folgende Punkte bei der vertraglichen Gestaltung zu regeln:
  • Beschreibung der Tätigkeit im Ausland
  • Dauer der Entsendung
  • Arbeitszeit
  • Feiertage
  • Urlaub
  • Gehaltskonto
  • Trennungsentschädigung
  • Ausgleich von Mehraufwendungen (z.B.: Reisekosten, Umzugskosten, Unterkunft, Heimreisen)
  • zusätzliche Unfallversicherung
  • Fortführung der betrieblichen Altersversorgung
  • Weiterbeschäftigung und Art der Tätigkeit nach der Rückkehr
  • Kostentragung bei vorzeitiger Rückkehr
  • auf den Vertrag anwendbares Recht

Ist der Betriebsrat zu beteiligen?

Unabhängig von der Frage, ob dem Arbeitnehmer im Rahmen der Entsendung eine andere Aufgabe zugewiesen wird, ist die Zustimmung des Betriebsrates erforderlich, wenn die Entsendung länger als einen Monat andauert. In diesen Fällen liegt nämlich eine Versetzung vor §§ 99, 95 Absatz 3 Betriebsverfassungsgesetz).
Eine unter diesem Zeitraum liegende Entsendung erfordert die Zustimmung des Betriebsrates nur dann, wenn eine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände vorliegt.

Wie wird die Entsendung beendet?

Insbesondere kommen folgende Beendigungsgründe in Betracht:
  • Ablauf des vorgesehenen Zeitraums
  • Abschluss des vorgesehenen Projektes
  • Ausübung eines vertraglich vereinbarten Rückrufsrechts
  • Kündigung (anwendbare Kündigungsvorschriften bestimmen sich nach dem anwendbaren Recht)
Wird die Entsendung vorzeitig beendet, ist zu klären, wer finanzielle Nachteile des Arbeitnehmers zu tragen hat bzw. inwieweit der Arbeitgeber übernommene Kosten zurückfordern kann:
  • der Arbeitgeber muss bei Entsendung an einen weit entfernten Ort die Umzugskosten tragen. Ist eine Rückforderung der Kosten durch den Arbeitgeber bei vorzeitigem Ausscheiden des Arbeitnehmers vereinbart, umfasst diese Rückforderung höchstens einen Betrag in Höhe einer Monatsvergütung.
  • Die vertraglich vereinbarte Verpflichtung des Arbeitgebers die Umzugskosten zu übernehmen umfasst auch die Kosten für den Rückumzug, wenn dieser durch Rückruf des Arbeitnehmers oder Wegfall des Arbeitsplatzes im Ausland verursacht wird.
  • Der Arbeitnehmer hat bei vorzeitiger Beendigung der Auslandstätigkeit durch außerordentliche Kündigung seitens des Arbeitgebers keinen Anspruch auf Ausgleich der dadurch entstandenen steuerlichen Nachteile.

Welches Recht ist anwendbar?

In der Regel bleibt das deutsche Recht anwendbar, wenn es sich nur um eine vorübergehende Entsendung handelt. Dennoch sind daneben bestimmte ausländische Vorschriften zu beachten.

Rechtswahl durch die Parteien

Arbeitnehmer und Arbeitgeber können im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit das auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Recht vereinbaren. Fehlt eine derartige Vereinbarung, richtet sich das anwendbare Recht in erster Linie nach dem gewöhnlichen Arbeitsort (Art. 30 EGBGB). Der gewöhnliche Arbeitsort ist bei vorübergehenden Entsendungen ins Ausland der inländische Arbeitsort.
Zwingende Vorschriften
Zu beachten ist jedoch, dass die Vereinbarungen über das anwendbare Recht nicht alle Aspekte des Arbeitsverhältnisses regeln. Daher ist teilweise daneben ausländisches Recht anwendbar:
  • Öffentlich-rechtliche Vorschriften des Arbeitsortes, wie z.B. Regelungen über Arbeitserlaubnis, gesetzliche Arbeitszeit, Nacht- und Sonntagsarbeit, Mindestlöhne, Feiertage, gelten in jedem Fall und zwar unabhängig vom auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Recht. Innerhalb der EU gelten außerdem bestimmte Mindestarbeitsbedingungen auch für entsandte deutsche Arbeitnehmer.
  • Zwingende Arbeitnehmerschutznormen, die günstiger sind als das gewählte Recht, behalten ihre Geltung.
    Diese Normen können dem öffentlichen oder privaten Recht angehören oder auch einem Tarifvertrag, dem die Parteien unterworfen sind. Beispiele für Arbeitnehmerschutznormen sind: Arbeitszeitrecht, Feiertagsrecht, Jugendschutz, Mutterschutz, Kündigungsschutz.
  • Unabhängig von der Frage, welches Recht anwendbar ist, gibt es deutsche Normen, die in jedem Fall angewendet werden müssen (zwingendes deutsches Recht) wie z.B.: Regeln über Massenentlassung, besonderer Kündigungsschutz für Betriebsverfassungsorgane und nach dem Schwerbehinderten- und Mutterschutzgesetz.

Wie sieht es mit der sozialen Absicherung aus?

Hier sind vier verschiedene Kategorien zu unterscheiden:
  1. Ausstrahlung
  2. Pflichtversicherung auf Antrag
  3. Entsendung innerhalb der EU
  4. Sozialversicherungsabkommen
Ausstrahlung
Bei einer vorübergehenden Entsendung, die eine bestimmte Dauer nicht überschreitet, bleibt der Arbeitnehmer weiterhin in Deutschland sozialversicherungspflichtig (sogenannte Ausstrahlung). Besteht dagegen das Arbeitsverhältnis zu einer ausländischen Tochtergesellschaft oder liegt eine dauerhafte Auslandstätigkeit vor, so ist der Arbeitnehmer ausschließlich bei der ausländischen Sozialversicherung beitragspflichtig und leistungsberechtigt.
Voraussetzungen für die Sozialversicherungspflicht in Deutschland sind:
  • Beschäftigungsverhältnis im Inland
Es müssen vertragliche Bindungen des Arbeitnehmers zu einem Arbeitgeber im Inland bestehen.
Damit liegt eine Entsendung nicht vor, wenn ein Arbeitnehmer im Ausland wohnt und dort von einem inländischen Arbeitgeber für eine Tätigkeit im Ausland angeworben wird. Wird ein Mitarbeiter eines Großunternehmens an eine selbständige Tochterfirma im Ausland abgeordnet, bleibt die deutsche Sozialversicherungspflicht nur dann bestehen, wenn das Entgelt des abgeordneten Arbeitnehmers weiter vom Mutterunternehmen gezahlt wird und dieses auch weisungsbefugt bleibt.
  • Entsendung ins Ausland
Eine Entsendung nach dem vierten Sozialgesetzbuch (§ 4 SGB IV) setzt voraus, dass sich der Arbeitnehmer von seinem Beschäftigungsort in der Bundesrepublik in ein anderes Land begibt.
  • Zeitliche Begrenzung
Diese muss im Voraus erfolgen. Des weiteren muss gewährleistet sein, dass der Arbeitnehmer nach der Beendigung des Auslandsaufenthalts beim entsendenden Arbeitgeber weiterbeschäftigt wird.
Pflichtversicherung auf Antrag
Untersteht der Arbeitnehmer nach den o. g. Voraussetzungen nicht der deutschen Sozialversicherungspflicht, bestehen folgende Möglichkeiten, den Versicherungsschutz in Deutschland aufrechtzuerhalten:
  • Rentenversicherung
    Ist der Auslandsaufenthalt zeitlich begrenzt, kann der Arbeitgeber die sogenannte Pflichtversicherung für seinen Arbeitnehmer abschließen (§ 4 sechstes Sozialgesetzbuch). Hierzu muss er einen Antrag an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte richten.
Besteht keine zeitliche Begrenzung, gibt es nur die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung, bei der die Beitragshöhe individuell festgelegt werden kann (§ 7 sechstes Sozialgesetzbuch).
  • Krankenversicherung
    Auch hier ist eine freiwillige Versicherung möglich (§ 9 fünftes Sozialgesetzbuch).
  • Pflegeversicherung
    Die Weiterversicherung in der sozialen Pflegeversicherung setzt einen Antrag voraus, der spätestens einen Monat nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht zu stellen ist (§ 26 elftes Sozialgesetzbuch).
  • Unfall-/Arbeitslosenversicherung
    In beiden Fällen besteht keine Möglichkeit der freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Versicherung. Einige Berufsgenossenschaften bieten jedoch einen Auslandsunfallversicherungsschutz an.
Entsendung innerhalb der EU
Gemäß einer EU-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 883/2004) unterliegen EU-Bürger grundsätzlich den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des Staates, in dem sie ihre Arbeit tatsächlich ausüben. (Der Wohnsitz bzw. der Firmensitz des Arbeitgebers spielen keine Rolle.) Eine Ausnahme von dieser Grundregel gilt für entsandte Arbeitnehmer. Diese  unterliegen auch während der Entsendung weiterhin den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des Staates, in dem sie normalerweise ihre Arbeit ausüben, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
  • Der entsendende Arbeitgeber muss in dem Staat, in dem der Arbeitnehmer normalerweise seine Arbeit ausübt, eine nennenswerte Geschäftstätigkeit ausüben (d.h. mindestens 25 Prozent seines Umsatzes erwirtschaften).
  • Die voraussichtliche Dauer der Entsendung darf 24 Monate nicht überschreiten.
  • Die arbeitsrechtliche Bindung zwischen der entsandten Person und ihrem Arbeitgeber muss während der gesamten Dauer der Entsendung fortbestehen.
  • Die entsandte Person darf keine Person ablösen, die zuvor in das betreffende Land entsandt wurde.
Als Nachweis gegenüber den Behörden des Staates, in den der Arbeitnehmer entsandt wird, dass die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des Herkunftsstaates während der Entsendung fortgelten, ist die so genannte A1-Bescheinigung zu verwenden. In Deutschland muss diese elektronisch beantragt werden, i.d.R. vom Arbeitgeber bei der Krankenkasse des zu entsendenden Arbeitnehmers. Der elektronische Antrag kann entweder über ein dafür zugelassenes Entgeltabrechnungsprogramm oder über das SV-Meldeportal gestellt werden.
Sozialversicherungsabkommen
Darüber hinaus hat Deutschland mit einigen Ländern Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen. Diese Abkommen sehen vor, dass aus Deutschland entsandte Arbeitnehmer nicht der ausländischen, sondern nur der deutschen Sozialversicherung unterliegen. Hier sollte man sich genau informieren, da die Reichweite der Abkommen unterschiedlich ist und zum Teil nur die Renten- oder Krankenversicherung betrifft.

Weiterführende Informationen

In folgenden Internetangeboten finden Sie neben allgemeinen Informationen zur Auslandsentsendung auch viele Hinweise über zahlreiche Länder der Welt sowie die verschiedenen Verbindungsstellen für Auslandsentsendungen: