Volksrepublik China - Wirtschaftsrecht

Handelsrecht und Vertragsgestaltung

Trotz vielfältiger Fortschritte befindet sich das Rechtssystem in der VR China noch im Aufbau.
Zu einem großen Teil wurde zwar deutsches Recht ins chinesische übernommen, häufig sind die Gesetze jedoch ungenau und widersprüchlich, lückenhaft oder lassen viel Raum für Interpretationen. Die Rechtslage in China ist besonders für Ausländer schwer zu durchschauen und unterliegt politischer Einflussnahme. Denn Richter verfügen über keine ausreichende Unabhängigkeit, Gesetze und Durchführungsverordnungen werden zum Teil nicht veröffentlicht oder sind schwer zu erhalten. Bei den unteren Volksgerichten hat die Mehrheit der Richter keine juristische Ausbildung vorzuweisen - es handelt sich häufig Armee-Veteranen.
Ferner sind die Zuständigkeiten nicht immer klar geregelt. Aufgrund der grundsätzlichen Gewaltenverschränkung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative ist China auch in absehbarer Zeit kein Rechtsstaat im westlichen Sinne. Bei allen Verträgen ist daher darauf zu achten, dass bei Verträgen insbesondere auch die Rechte am geistigen Eigentum geregelt werden.
Auch Rechtsverständnis und Geschäftspraxis unterscheiden sich in der VR China und Deutschland. Denn bis heute gilt in der VR China das Recht nicht als das beste Mittel zur Ordnung einer Gesellschaft.
China hat sich jedoch im Zuge des WTO-Beitritts u.a. zu dem WTO-Prinzip "Transparenz und Vorhersagbarkeit" verpflichtet. So wurden nicht nur viele internationale Vertragswerke in nationales Recht umgesetzt, sondern auch die Praxis der "internen" Vorschriften scheint immer weniger an der Tagesordnung zu sein. Die Rechtslage hat sich in weiten Bereichen - gerade auch im gewerblichen Rechtsschutz - wesentlich verbessert und entspricht zu eine großen Teil bereits internationalen Standards. Problematisch bleibt die Rechtsdurchsetzung; vor allem auf lokaler Ebene. Richterliche Unabhängigkeit ist in vielen Fällen nicht gegeben, da die Richter lokal bezahlt werden und auf lokale Interessen Rücksicht nehmen müssen. Trotzdem sind die Bemühungen der chinesischen Zentralregierung, ein effektives Rechtssystem zu schaffen, beachtenswert.
Chinesen und Deutsche haben ein unterschiedliches Verständnis bezüglich Verträgen. Im deutschen Recht können die Parteien ihre Verträge im Wesentlichen frei gestalten; die Vertragsbedingungen sind dann verbindlich und gerichtlich durchsetzbar. Nach chinesischem Verständnis sind Verträge Zwischenergebnisse in einer zum beiderseitigen Nutzen entstehenden Geschäftsbeziehung. Es sind Absichtserklärungen, an die man sich - wenn man sich nicht ungerecht behandelt fühlt - halten sollte. Nachverhandlungen werden als ein gegenseitiges Anpassen an Veränderungen angesehen, nicht als Vertragsbruch.
Die Special Administrative Region of Hongkong (SAR Hongkong) hat nach dem Prinzip "one country, two systems" im Wesentlichen ihr Rechtssystem behalten und ist auch künftig berechtigt, internationale Verträge und Übereinkommen im eigenen Namen ("Hongkong, China") zu unterzeichnen.
Seit dem 1. Oktober 1999 ist in China das Vertragsgesetz gültig. Im Vertragsgesetz sind wichtige Bestandteile des Schuldrechts wie ungerechtfertigte Bereicherung und unerlaubte Handlungen nicht geregelt. In einigen Bereichen geben die Bestimmungen nur einen Rahmen vor, detaillierte Ausführungsbestimmungen fehlen noch.
Hinsichtlich der Rechtswahl ist die Vereinbarung ausländischen Rechts zulässig. Eine der Ausnahmen ist die Gründung eines Joint Ventures, die nur nach chinesischem Recht möglich ist. Da ein Bezug zum Recht der Vertragsparteien nicht notwendig ist, kann jedes beliebige Recht gewählt werden. Eine entsprechende Rechtwahl sollte unbedingt schriftlich festgehalten werden.
Die VR China ist mit Wirkung zum 1. Januar 1988 dem Übereinkommen der vereinten Nationen über Verträge über dem internationalen Warenkauf (UN-Kaufrecht) beigetreten. Dabei müssen Kaufverträge schriftlich erfolgen und das Übereinkommen gilt im Verhältnis zur VR China nur zwischen den Mitgliedsstaaten. Wichtig ist, dass ein Exporteur vor Abschluss eines Liefervertrages darauf achten muss, dass sein Vertragspartner zum Vertragsabschluss überhaupt befugt ist (Geschäftsregistrierung, ausreichend weitgehende Geschäftslizenz, Berechtigung zum Außenhandel, Vollmacht für Zeichnungsberechtigung, manchmal behördliche Genehmigung für Außenhandelsverträge).
Seit November 1995 besteht zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der VR China ein Standardvertrag für Liefergeschäfte, der die Interessen beider Vertragsparteien berücksichtigt. Dieser Mustervertrag gilt für die Lieferung beweglicher Maschinen und Güter aber nicht für Anlagenlieferverträge und Montagen. Dieser Standardvertrag wurde auf der Basis des UN-Kaufrechts vereinbart und gilt für Export und Import. Der Standardvertrag für Liefergeschäfte kann bei der gtai (Germany Trade and Invest) bezogen werden (Tel. 030/ 200 099-0). Auch ein Standardlizenzvertrag für nicht exklusive Lizenzen (Lizenzvergabe an chinesische Unternehmen) ist dort zu beziehen.
Zahlungen erfolgen normalerweise per unwiderruflichem Akkreditiv der Bank of China. Da China eine jederzeitige Zahlungsfähigkeit seiner Banken vorgibt, sei eine Bestätigung nicht notwendig. Anstelle der nicht möglichen Akkreditivbestätigung geben manche westlichen Banken jedoch eine Schutzzusage, um damit das Bonitäts- und Transferrisiko der Akkreditivbank sowie das Länderrisiko (Kapitaltransferbeschränkungen) zu übernehmen. Die zusätzlichen Risikokosten betragen etwa 1,0 bis 1,3%.
Ein Eigentumsvorbehalt ist dann zulässig (im chinesischen Recht normalerweise nicht vorgesehen), wenn vereinbart wird, dass das Eigentum erst übergeht, wenn der Käufer den Preis gezahlt oder andere Pflichten erfüllt hat. Somit kann in internationalen Verträgen, unabhängig davon, welches Recht vereinbart wurde, ein Eigentumsvorbehalt wirksam geltend gemacht werden.
Für das öffentliche Beschaffungswesen, dessen Volumen auf etwa 10% des BIP geschätzt wird, besteht noch kein landesweit gültiges Gesetz; einzelne Provinzregierungen haben bisher die Verfahren selbständig geregelt. Am 1. Januar 2000 trat das Ausschreibungsgesetz in Kraft, das öffentliche Ausschreibungen im Baubereich regelt. Weitere Auskünfte darüber erteilt die Bundesstelle für Außenwirtschaft bzw. international tätige Sozietäten (siehe Kontaktanschriften und Quellen).
Außenhandelslizenzen und Handelsvertretung
In der VR China können ausländische Unternehmen via staatliche Außenhandelsgesellschaften, entsandte Mitarbeiter, Handelsvertreter, Händler, durch eine eigene Handelsgesellschaft in einer Freihandelszone, Handelshäuser, Firmenpools, anhand eines Repräsentanzbüros oder eines sogenannten "Providers" (Repräsentanz auf Zeit) exportieren bzw. Vorarbeit für den Export leisten. Seit 1.7.2004 ist es aufgrund der neuen Verwaltungsvorschriften für Handelsaktivitäten ausländisch investierter Unternehmen möglich, eine eigene Handelsgesellschaft in China zu gründen. Nähere Informationen entnehmen Sie bitte der Rubrik Unternehmensgründung. Ohne solch eine Gesellschaft ist nur ein klassisches Exportgeschäft möglich. Ausnahme Freihandelszone, bzw. eigenes Produktionsunternehmen in China. Der Eigenvertrieb im Inland bleibt gewissen Beschränkungen unterworfen. So darf z.B. eine Repräsentanz kein operatives Geschäft betreiben, keine Lager halten oder in RMB Yuan fakturieren.
In der VR China existiert noch kein national anwendbares Handelsvertreterrecht, sondern es lassen sich nur vereinzelt gesetzliche Regelungen für diesen Bereich finden (wie zum Beispiel das Handelsgesetzbuch der Sonderwirtschaftszone Shenzhen). Aufgrund der Tatsache, dass es keinen Standardvertrag für Handelsvertreter gibt, haben die Vertragspartner viel Gestaltungsspielraum. Ein Handelsvertretervertrag, den man für andere Länder bereits formuliert hat, kann man auch als Grundmuster für einen individuell auszuhandelnden Vertrag mit einem chinesischen Handelsvertreter nutzen. Besonders wichtig bei der Gestaltung eines Handelsvertretervertrages ist die Registrierung der chinesischen Trademark. Ansonsten kann der Handelsvertreter mittels der Nutzung der chinesischen Übersetzung für die Marke eigene "Trademark"-Rechte beanspruchen.
Lizenzvergabe in China
Grundsätzlich ist genau zu überlegen, ob eine Lizenzvergabe nach China sinnvoll ist! Dies ist vor allen Dingen vor dem Hintergrund der prävalenten Gefahr des Abflusses geistigen Know-hows und den vielen Fällen von Lizenzmissbrauch zu prüfen. Vergeben Sie niemals Lizenzen ohne Sollbruchstellen, lokale Präsenz (Kontrolle), Auditrechte und "scharfe Verträge" mit wirksamer Schiedsrechtsklausel.
Schiedsgerichtsbarkeit in der VR China
Die außergerichtliche Streitbeilegung hat im Westen erst in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Ganz im Gegensatz dazu hat die Streitschlichtung in China eine uralte Tradition aufzuweisen. Denn in China steht jeder einzelne sowohl in der Familie als auch in der Gesellschaft in genau definierten Beziehungen zueinander, wodurch ihm hauptsächlich Pflichten obliegen. Ein Rechtsempfinden wie in der europäischen Tradition in der Form individueller, vom Naturrecht abgeleiteter Menschenrechte hat sich deshalb im chinesischen Kontext nicht entwickeln können. Somit sind vor Gericht einklagbare Rechte gegen eine andere Person problematisch, da sie den Gruppenzusammenhalt gefährden und deshalb moralisch verwerflich sind. Die Chinesen versuchen deshalb regelmäßig, Differenzen mit Mitteln zu begleichen, die nicht zur Konfrontation vor Gericht führen, da die unterlegene Partei dadurch Ihr Gesicht verlieren würde; das eigene würde trotz positiven Urteilsspruches "moralisch in Mitleidenschaft" gezogen werden. Diese "Vergleichsbereitschaft" sollte aber keineswegs als Schwäche des chinesischen Partners ausgelegt werden. Aus chinesischer Sicht handelt es sich dabei um eine Stärke, eine einvernehmliche Lösung initiiert zu wollen.
Das zur Streitschlichtung am meisten eingesetzte Verfahren ist das der "Mediation": Beide Streitparteien versuchen auf informellem Wege auf freundschaftliche Art und Weise ein für beide Seiten tragbares Ergebnis zu erreichen. In China sind auf allen gesellschaftlichen Ebenen Schiedsgremien vorhanden, die sich mit der Streitschlichtung des Familienrechts bis hin zu zivilrechtlichen Fragen des Schadensersatzes oder Kreditwesens befassen. Knapp 9/10 der innerchinesischen Streitigkeiten werden durch Mediation vor solchen Schiedsgremien geschlichtet. Bei Verträgen mit ausländischer Beteiligung ist die Bereitschaft, einen solchen Vergleichsweg einzuschlagen, jedoch geringer und ist derzeit nur bei unter 30% der Streitfälle vorhanden. Trotzdem sollte bei jedem geschäftlichen Dissens zunächst das freundlich-konstruktive Gespräch mit der chinesischen Seite erwogen werden. Es macht dabei Sinn, sich, so gut es geht, in die Lage des chinesischen Partners zu versetzen und Kompromisslösungen anzubieten.
Es kommt darüber hinaus aber die Einschaltung eines chinesischen Schiedsgremiums ohne Rechtsverbindlichkeit (s.o.) für ausländische Unternehmen nur dann in Betracht, wenn beide Parteien gutwillig sind und noch ein gutes Vertrauensverhältnis ("Geschäftsbeziehung mit Zukunft") besteht.
Zunächst verwundert es vielleicht, dass es auch in China die Möglichkeit gibt, über internationale Schiedsgerichte Recht zu bekommen. Seit September 1995 ist in China das Arbitration Law of the PR China in Kraft, das die Gründung von Schiedsgerichten, die Voraussetzungen, um als Schiedsrichter eingesetzt zu werden, sowie die materiellen und prozessualen Regeln, festhält. China hat am 2.12.1986 das New Yorker Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit sowie der Beschränkung des Anwendungsbereichs auf vertragliche und außervertragliche Rechtsverhältnisse kommerzieller Natur ratifiziert und ist am 1.01.1992 dem Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen beigetreten.
Pro und Contra Schiedsgerichtsbarkeit
  • Pro: Schnell, hohes Fachwissen durch zugelassene ausländische Experten, Unabhängigkeit, effizient. Bessere Vollstreckbarkeit.
  • Teuer, keine weitere Instanz möglich, muss schriftlich von beiden Parteien bei Vertragsschluss vorgesehen werden.
Die Chance auf die Vollstreckung eines Schiedsurteils der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ist wesentlich höher als beim "normalen Rechtsweg". Im Geschäftsvertrag können Schiedsinstitutionen in Deutschland der VR China oder zum Beispiel Frankreich, Schweiz oder Schweden bestimmt werden. Auch das Recht, das zur Anwendung kommen soll, ist frei wählbar. In China steht als Schiedsinstitution mit neutralem Ruf die CIETAC (China International Economic and Trade Arbitration Commission mit Sitz in Beijing zur Verfügung. Dolmetscher werden organisiert, das Verfahren ist schriftlich verbindlich geregelt und ausländische Experten sind als Schiedsrichter akkreditiert. Neben der CIETAC ist noch die CMAC (China Maritime Arbitration Commission) zu erwähnen, die sich Streitigkeiten maritimer Schiedsgerichtsbarkeit annimmt.
Weitere Informationen über das Verfahren internationaler Schiedsgerichtsbarkeit erhalten Sie neben der CIETAC und CMAC u.a. bei der gtai, "VR China - Schiedsrecht" bzw. bei darauf spezialisierten Anwaltskanzleien.