05.01.2024

Ursprungsrecht: Kumulierung

Einführung

Unter Kumulierung versteht man die Anrechnung von Be- und Verarbeitungen einer Ware in anderen Ländern auf die präferenzielle Ursprungseigenschaft der Ware. Sind am Herstellungsprozess der Ware zwei Länder beteiligt, spricht man von einer bilateralen Kumulierung. Wird eine Ware in mehr als zwei Ländern hergestellt / bearbeitet, spricht man von der diagonalen oder multilateralen Kumulierung. Zu unterscheiden sind  verschiedene Kumulierungszonen:

Die Paneuropäische Kumulierungszone

Die Paneuropäische Kumulierungszone umfasst die Europäische Union, die EFTA-Länder (Schweiz, Liechtenstein, Norwegen, Island) und die Türkei. Entsprechend können Materialien und Halbfabrikate jedwelchen Ursprungs der Paneuropäischen Kumulierungsszone verwendet werden, um die Kriterien zur Gewährung einer Zollpräferenz bei der Einfuhr in eines der Partnerländer zu erfüllen. Allerdings gilt dies überwiegend nur für Waren der gewerblichen Wirtschaft, d. h. für Waren der Kapitel 25 bis 97 des Warenverzeichnisses für die Außenhandelsstatistik.

Die Pan-Europa-Mittelmeer-Kumulierungszone (Pan-Euro-Med-Zone / PEM-Zone)

1995 wurde die Ausweitung der Paneuropäischen Kumulierungszone auf zahlreiche Mittelmeerländer (Ägypten, Algerien, Israel, Jordanien, Libanon, Marokko, Syrien, Tunesien, Westjordanland/Gazastreifen) und die Färöer-Inseln beschlossen. Dies soll mit dem Übereinkommen zur Pan-Europa-Mittelmeer-Kumulierung (abgekürzt Pan-Euro-Med-Kumulierung / PEM-Kumulierung) erfolgen. Ziel ist die Errichtung einer Freihandelszone zwischen der EU und allen Ländern der Kumulierungszone. Die PEM-Kumulierung ist dabei in Ursprungsprotokollen zu bilateralen Abkommen der Länder untereinander verankert. Allerdings haben bisher nicht alle an der Kumulierung beteiligten Länder miteinander Präferenzabkommen mit einheitlichen Ursprungsregeln geschlossen.

Das Regionale Übereinkommen über die Pan-Europa-Mittelmeer-Präferenzursprungsregeln

Das derzeit bestehende Netzwerk der bilateralen Ursprungsprotokolle ist allerdings sehr komplex, was die Überarbeitung schwierig macht. Daher wurde 2011 beschlossen, dass das PEM-Protokollnetzwerk durch ein einziges Rechtsinstrument ersetzt werden soll, das Regionale Übereinkommen über die Pan-Europa-Mittelmeer-Präferenzursprungsregeln. Da die zugrunde liegenden bilateralen Präferenzabkommen ihre Gültigkeit behalten, müssen deren Ursprungsprotokolle zur Anwendbarkeit des Regionalen Übereinkommens dahingehend angepasst werden, dass sie auf die Ursprungsregeln des Regionalen Übereinkommens verweisen. Neben den Mittelmeerländern und den Färöer-Inseln sind auch die Länder des Stabilisierungs- und Assoziiierungsprozesses der EU (abgekürzt SAP-Länder: Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Serbien, Türkei) sowie die Republik Moldau Teil der Kumulierungszone.
Bisher ist das Regionale Übereinkommen noch nicht für alle Länder der Kumulierungszone anwendbar. Wenn allerdings mindestens drei Vertragsparteien untereinander das Regionale Übereinkommen anwenden oder PEM-Abkommen mit gleichen Ursprungsregeln bestehen, können Vormaterialien zwischen diesen Parteien als Vormaterialien mit Ursprungseigenschaft angesehen werden, auch wenn die restlichen Teilnehmer untereinander keine Kumulierung anwenden.

Übersicht über bestehende Kumulierungsabkommen zwischen den einzelnen beteiligten Ländern

Unter wup.zoll.de kann die Anwendbarkeit der Kumulierung für alle beteiligten Länder in Form von Tabellen abgerufen werden.
Bei der Ländersuche, beispielsweise bei Eingabe des Landes "Ägypten", werden unter "Matrix" im linken Reiter stichtagaktuell zwei Tabellen angezeigt:
In Tabelle 1 markiert ein "X" ein zwischen zwei Parteien bestehendes Freihandelsabkommen mit Ursprungsregeln, die eine Kumulierung nach dem Muster der PEM-Ursprungsregeln vorsehen. Beteiligen sich drei Parteien (A, B und C) an einer diagonalen Kumulierung, müssen die Felder für A-B, B-C und A-C mit einem "X" markiert sein (d.h. die Markierung "X" ist dreimal erforderlich).
Tabelle 2 zeigt an, seit wann die Kumulierung angewendet wird. Befindet sich ein "(C)" vor dem Datum, bedeutet dies, dass seit dem genannten Tag das Regionale Übereinkommen angewendet wird. Ohne den Zusatz "(C)" zeigt ein Datum den Beginn der Anwendung der diagonalen Kumulierung auf Basis bilateraler Ursprungsprotokolle an.
Bei der Suche auf wup.zoll.de nach einem Teilnehmer des SAP-Abkommens wie Albanien erscheint zusätzlich zu Tabelle 1 und Tabelle 2 noch eine dritte Tabelle. Die Datumangaben in Tabelle 3 beziehen sich auf den Beginn der Anwendungen der Protokolle zu den Ursprungsregeln, die eine diagonale Kumulierung zwischen der EU und den SAP-Ländern vorsehen.

Warenverkehrsbescheinigung EUR-MED

Um die Kumulierung nach dem Regionalen Übereinkommen oder der PEM-Kumulierung anwenden zu können, müssen die Vormaterialien Ursprung in den Partnerstaaten haben, d. h. es ist nur eine eingeschränkte Kumulierung zulässig (im Gegensatz zur vollständigen Kumulierung wie sie Anwendung in einigen anderen Abkommen findet, wo die Ursprungseigenschaft einer Ware durch die Be- oder Verarbeitung der Ware in anderen Partnerstaaten nicht erlangt werden muss). Dies ist mit einer Warenverkehrsbescheinigung EUR-MED bei der Einfuhr nachzuweisen. Bei der Ausfuhr in ein Land der PEM-Zone ist auf der EUR-MED zu vermerken ob und mit welchen Ländern Kumulation erfolgt ist. Beim Warenverkehr innerhalb der EU kann mit der Lieferantenerklärung mitgeteilt werden, ob eine Kumulation nach dem Regionalen Übereinkommen oder PEM-Kumulierung erfolgt ist.

Übergangsregelungen (“transitional rules”)

Die mehrjährigen Verhandlungen der EU mit ihren Partnerstaaten im Paneuropa-Mittelmeerraum über die Modernisierung und Änderung der derzeit geltenden Ursprungsregeln des Regionalen Übereinkommens verfolgten das Ziel, hierzu einen einzigen Revisions-Rechtsakt abzuschließen. Wegen der ablehnenden Haltung einiger Vertragsstaaten gelang dies bislang nicht. Um der Mehrheit der unterstützungswilligen Vertragsstaaten dennoch die Nutzung modernisierter und vereinfachter Ursprungsregeln zu ermöglichen, werden nunmehr die Ursprungsprotokolle der jeweiligen bilateralen Abkommen mit einem alternativ anwendbaren Regelwerk ergänzt.
Seit dem 1.9.2021 können Unternehmen im Warenverkehr zwischen ausgewählten Mitgliedsländern des PEM-Übereinkommens daher alternativ zwischen den bisherigen „alten“ Ursprungsregeln und den „neuen“ Übergangsursprungsregeln (sogenannten „transitional rules“) wählen, und zwar sendungsbezogen. Welche Präferenzländer die transitional rules anwenden und wie sich dies auf die Ausstellung von Lieferantenerklärungen auswirkt erfahren Sie auf der Seite des deutschen Zolls hier.
Quellen: DIHK, Generalzolldirektion