Experteninterview Social Media Marketing (2017)

Aus dem Archiv: Muss ich da mitmachen?


Soziale Netzwerke zur Umsatzsteigerung nutzen

Grundsätze der Betriebswirtschaft stehen für viele Unternehmer insbesondere der KMUs oft im Weg, wenn es um die Erschließung neuer Kommunikationskanäle geht: Was bringt mir der Aufwand? Muss ich dabei sein? Die einfache Kosten-Nutzen-Rechnung bildet die Basis auch jeder Marketingentscheidung. Dieses ökonomisch-gesunde Hinterfragen gepaart mit einer grundlegenden Skepsis gegenüber Sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram und Co führt dazu, dass viele Unternehmen sich noch nicht dem Thema Social Media Marketing angenommen haben. Gemeinsam mit Marcus Fache, Werbeprofi und Inhaber der Werbeagentur Dreamland aus Heidenheim, wollen wir versuchen mit einigen Vorurteilen aufzuräumen und Antworten, auf die brennendsten Fragen zu geben.

Muss man auf Facebook sein?

Social Media ist ja viel mehr als Facebook. Warum setzten wir es oftmals gleich?
Fache: Diese Aussage begegnet uns auch sehr oft im ersten Kundengespräch, wenn ein Unternehmen sich überlegt in Social Media aktiv zu werden. "Wir müssen auch auf Facebook" heißt es dann. Bei vielen unserer Kunden ist oft das Hauptziel "Fans generieren" und mehr Sichtbarkeit in Social Media zu erlangen. Und da fällt einem Facebook als größtes und bekanntestes Netzwerk automatisch ein.
Für jedes Unternehmen sehen die möglichen Ziele aber anders aus. Nur haben viele Unternehmen, vor allem die kleinen und mittleren Betriebe, keinen extra dafür angestellten Social Media Manager und wissen auch gar nicht, wie genau man in Sozialen Netzwerken die gewünschte Zielgruppe herunterbrechen sollte. So individuell, wie wir als Agentur später auch die Unternehmensseiten in den Social-Media-Kanälen gestalten, müssen wir auch bei der Gestaltung der Unternehmensziele in dem Bereich vorgehen.


Hand aufs Herz: Ist Facebook wirklich für alle Unternehmen was?

Fache: Grundsätzlich ist es erst mal wichtig, ohne Vorurteile sich z.B. über Facebook zu informieren und zu hinterfragen. Dann gilt es zu überlegen, ob meine Zielgruppe sich auf dieser Plattform überhaupt aufhält. Sprich ich muss meine Ziele definieren.

Wie definiert man Social-Media-Ziele?

FACEBOOK?
Ein Fragenkatalog zur Zielfindung

Wie bin ich bisher im Internetmarketing aufgestellt?

Wie kommuniziert mein Unternehmen bisher mit den Bestandskunden? Wie mit Neukunden?

Was macht meine Konkurrenz in Social Media bereits?

Welche Ressourcen habe ich zur Verfügung (personell, finanziell)?

Mit wem möchte ich in den Dialog treten?

Wo ist meine Zielgruppe aktiv (Foren, offene Gruppen, geschlossene Gruppen, Chats und auch Blogs checken und bewerten)?

Wie nutzt meine Zielgruppe Social Media (über 70% der Nutzer sind reine "Joiners" - die lesen nur mit und interagieren nicht)?

Wie kann ich Anreize schaffen, dass mein Content Menschen auch dazu bewegt zu interagieren?

Was will ich mit meiner Fan-Seite besonders forcieren? Markenbekanntheit, Kundenservice oder Image? Am besten alle drei Bereiche!

Wie kann ich messen, ob ich durch meine Social Media Aktivitäten die gesetzten Ziele erreiche?
Wir messen die KPIs (den Key Performance Indikator). Dazu möchte ich die BVDW Fokusgruppe Social Media zitieren: "Eine Kennzahl ist erst einmal nur eine Metrik, die eine quantitative Aussage über ein bestimmtes Merkmal zulässt. Die Reichweite ist zum Beispiel an und für sich erst einmal nur eine Kennzahl. Verbindet man mit der Kennzahl die Erreichung eines bestimmten Ziels, z. B. Reichweitensteigerung, um die Bekanntheit zu steigern, dann wird diese Metrik bzw. Kennzahl zu einem Key-Performance-Indikator – also einem Indikator, der Aussage über den Wirkungsgrad einer Maßnahme zulässt. Dabei kann ein KPI aus einer Kennzahl oder eben aus mehreren Kennzahlen bestehen." Eine gute Liste der Metriken finder man auch hier.


Welche Werbetrends entwickeln sich auf Sozialen Netzwerken?

Welche Trends zeichnen sich im Social Media Marketing ab?

Fache: Viele Unternehmen machen den Fehler in Facebook 1:1 Inhalte aus der eigenen Website zu verwenden. Das will der Social-Media-User aber nur bedingt sehen. Des Weiteren straft Facebook durch den eigenen Algorithmus Inhalte mit Links auf externe Seite ab. Was die User sowie der Algorithmus von Facebook aber gern haben, sind Bilder und vor allem auch Videoinhalte, die direkt in Facebook hochgeladen werden. Auch das Thema "Facebook live" ist total im Kommen und wird auch von den Usern gern angesehen. Man ist quasi "Face2Face" mit dem Unternehmen, dem Berater, einem Fußballspieler usw. in Kontakt und kann auch direkt Fragen stellen. Der Trend ist ganz klar zu Bewegtbild-Inhalten und dieser am besten Live gestreamt.
Hier ist ganz klar der schnelle Austausch mit dem Kunden – live! -  im Vordergrund. Gerade im Schulungsbereich oder auch in Sachen "Kundenservice" sind hier tolle Möglichkeiten geboten. Was vor ein paar Jahren nur mit hohem technischen Invest für Unternehmen möglich war, trägt heute quasi jeder in seiner Hosen- oder Jackentasche. Eine voll sendefähige "TV Station".
Des Weiteren ist "Virtual Reality" inzwischen nicht nur mehr den Gamern, also Videospiel-Fans, vorbehalten. Gerade für Marken mit stationärem Handel ist die VR-Entwicklung sehr interessant.
Auch zu "Chat Bots" geht der Trend: Die gute "alte" Siri, die in abgewandelter Form auch in den Social Media Kanäle Einzug hält und z.B. Fragen zu Reisezielen, Erfahrungswerten mit bestimmten Produkten aus Millionen von Postings der User herausfiltert. Das ist das Empfehlungsmarketing der Zukunft!

Ist Facebook out?

Wir wollten mit Gerüchten aufräumen: Ist Facebook wirklich OUT?
Meiner Meinung nach absolut nicht. Gerade durch die Integration von neuen Techniken für Live-Videos, VR oder Snapchat Stylefeatures greift Facebook ständig neue Techniken auf und kauft Unternehmen dazu.
Facebook kaufte u.a. den VR Technologie Anbieter Oculus Rift für 2 Mrd. Dollar. Da kann man sich schon vorstellen wo die Reise hingeht. Funktionen rund um die künstliche Intelligenz werden implementiert, zahlreiche Möglichkeiten neben dem Messangerdienst von Facebook. Auch durch die Neuerungen "Workplace" und "Marketplace" stehen Unternehmen geniale technische Features für ihr Geschäft und auch für den direkten Kontakt mit ihren Kunden zur Verfügung. Das sind teilweise Video-Meetingfunktionen für B2B Anwendungen, Cloud-Dienste und vieles mehr. Sprich, Facebook bleibt nie technologisch stehen, sondern entwickelt sich ständig weiter und wird immer mehr zu einem unverzichtbaren Tool für eine Vielzahl von Anwendungen. In ein paar Jahren wird Facebook nicht mehr viel gemeinsam mit der Plattform wie wir sie einmal kennengelernt haben. Sie wird aber weiterhin eine der mächtigsten "Datenkraken" neben Google sein.

Als Industrie-Betrieb auf Instagram?

Unsere Region ist vom Maschinenbau und dem produzierenden Gewerbe mit vielen kleinen und mittleren Unternehmen geprägt. Können auch diese mit nicht so fotogenen Produkten auf Instagram erfolgreich sein?

Fache: Klar geht das. Bei Maschinenbau fällt mir gleich das Thema "Messen" ein. Hier hab ich doch super Möglichkeiten direkt vom Messestand aus Bilder und kurze Videos zu posten. Impressionen einzufangen, Frequenz zu zeigen. Die Messeanbieter haben auch alle eigene Seiten in den Social-Media-Kanälen. Da kann ich mich wunderbar mit einem Posting auf deren Seite ins Gespräch bringen. Wichtig dabei ist auch die Wahl der #Hashtags. Nur als spontane Idee "Mitmachen und gewinnen. Heute noch bis 17 Uhr bei uns am Messestand ein Selfie machen und mit dem Hashtag #musterfirma bei Dir in Instagram posten. Unter allen Posts des heutigen Tages verlosen wir eine Aktion kam." Sprich ein Angebot/Goodie platzieren und durch Handlungsdruck (Ablaufzeit) die Menschen zur Aktion bewegen. Das geht über so kleine Objekte der Begierde oft besser als plattes "kostenloses Beratungsgespräch". Hier muss man einfach mal andere Wege ausprobieren und wird überrascht sein, wie das Senden/Empfangen Prinzip funktionieren kann.

Wie verkaufe ich denn z.B. über Social Media bzw. WAS verkaufe ich dort?
Fache: Ein Beispiel: Wir haben viele Kunden unter den Profifotografen. Als Fotograf biete ich zum Beispiel ein Live-Video mit Tipps zur richtigen Portraitfotografie an. Dieses kündige ich mit kleinen Teaserbeiträgen auf meinem Social-Media-Kanal an. Teile es in offenen Gruppen die zum Thema "Fotografie" affin sind. Wichtig ist, einen bestimmten Tag und eine Uhrzeit zu kommunizieren. "Lerne von den Profis. Die 10 GRATIS-TIPPS von Profifotograf Max Muster. Am Mittwoch um 17 Uhr! Sei live dabei!". Am Ende von diesem Livevideo wird dann auf einen z.B. 3-teiligen kostenpflichtigen Online-Workshop, ein Seminar oder ein E-Book usw. hingewiesen. So funktioniert Social Media: man gibt erst mal die Hand und bezahlt wird dann an den Folgeleistungen. Ähnlich dem Karpfenangeln sag ich immer. Da liegt auch jede Menge Mais im Teich bevor dann der dicke Fisch anbeisst.

Snapchat fürs Unternehmen?

Wie mutig darf man als Unternehmen an neue Netzwerke wie Snapchat und Co. herangehen? Lohnt es sich – z.B. für das Ausbildungsmarketing – früh dabei zu sein?
Meiner Meinung nach auf jeden Fall. Ein schönes Beispiel ist REWE. Influencer spielen nicht nur im Marketing eine immer größer werdende Rolle. Das sind Menschen mit einer besonders großen Reichweite in den Sozialen Netzwerken, egal ob auf Facebook, Twitter, Youtube etc. Auch im Bereich Recruiting und Employer-Branding können sie die Wirkung von Unternehmen positiv beeinflussen. REWE Deutschland hat die Zeichen der Zeit erkannt und setzt jetzt bei der Suche nach neuen Auszubildenden auch auf Snapchat. Vor kurzem hatte Rewe eine bekannte Infuencerin eingeladen, um über die Ausbildungsmöglichkeiten bei Rewe live zu snappen. Die Infuencerin hat Azubis interviewt und gab Stylingtipps für Vorstellungsgespräche hat darüber live gesnappt. Hier kann man das ganzen Interview ansehen.

Und was, wenn es nicht so funktioniert, wie ich gedacht habe? Einfach wieder aussteigen?
Fache: Ganz ehrlich. Bevor ich eine Unternehmensseite angelegt habe, welches als "Karteileiche" da noch rumliegt auf einem beliebigen Kanal würde ich die Löschung der Fansite immer empfehlen. Das kann nur zu einer negativen Reputation führen, ähnlich Internetseiten, die den letzten Newseintrag von 2008 drin stehen haben. Der Ausstieg sollte aber auf alle Fälle dann auch auf der Fanseite vorab kommuniziert werden und eventuell auch mit einem Aufruf, sich z.B. für den Firmennewsletter unter www.xyz.de einzutragen um weiterhin über die aktuellen Neuigkeiten des Unternehmen informiert zu werden. Fazit: bevor ich es halbherzig betreibe oder ich einfach auch merke, keine freien Ressourcen für die Pflege zu haben und auch nicht bereit bin, dafür auch eine externe Agentur zu beauftragen (was trotzdem regelmäßigen Briefingaufwand bedeutet), sollte ich es lieber lassen.



AUTOR  Marcus Fache

Nachdem er sein Handwerkszeug in einer renommierten Großagentur gelernt hatte, gründete Marcus Fache 1997 die Werbeagentur Dreamland zusammen mit Peter Gruson.  In den Jahren 1998-1999 wurde die Heidenheimer Werbeagentur durch Projekte wie z.B. eines der ersten sozialen Netzwerke mit ca. 250.000 Benutzern bekannt. Danach arbeitete die Agentur für Unternehmen wie Burda, Intel USA und Deutschland, Union Investment, Nokia und viele andere. Faches Fachgebiet umfasst die strategische Kampagnenkonzeption, klassische und soziale Medien und ungewöhliche, quergedachte Ideen.

www.dreamland.de