Compliance im Auslandsgeschäft

Lieferkettengesetz – aktuelle Anforderungen an Lieferanten

Stand: Februar 2024
Seit dem 1. Januar 2024 gilt das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) nun auch für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten im Inland. Zum 1. Januar 2023 wurde es bereits für Unternehmen ab 3.000 Beschäftigten im Inland eingeführt. Viele betroffene Unternehmen versenden derzeit Fragebögen und Verhaltenskodexe (Codes of Conducts, CoC) an Lieferanten, die diese beantworten oder unterschreiben sollen. Dabei ist vieles im Fluss. Wir ordnen die Situation aus Zulieferer-Sicht vorläufig ein.

Was mach ich mit der Flut von Codes of Conducts?

Jeder Ihrer Kunden schickt Ihnen seinen eigenen Code of Conduct (CoC) zu und jeden müssen Sie genau durchlesen, ob er nicht irgendetwas enthält, auf das Sie sich nicht verpflichten können. Wie können Sie Ihren Aufwand reduzieren?
Das ist tatsächlich eine der Herausforderungen des LkSG. Dieses sieht vor, dass die dem Gesetz unterliegenden Unternehmen zur Prävention vertragliche Zusicherungen ihrer unmittelbaren Zulieferer einzuholen haben (§6, Abs. 4 LkSG). Dabei müssen sich die vom Gesetz betroffenen Unternehmen von ihren unmittelbaren Zulieferern zusichern lassen, dass sie die verlangten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Erwartungen ihres Kunden einhalten und ihrerseits entlang der Lieferkette angemessen adressieren. Deshalb die Flut an CoCs.
Es ist jedoch einen Versuch wert, mit einem eigenen CoC an Großkunden heranzutreten. Solange ihr eigener CoC LkSG-konform ist, dürften Sie gute Chancen haben, dass einige Kunden Ihren CoC akzeptieren und nicht darauf bestehen, dass Sie deren CoC durcharbeiten und unterschreiben.
Grundlage Ihres eigenen CoC könnte dabei einer der Ihnen zugesandten CoCs sein, den sie durchgearbeitet haben und dessen Klauseln Sie akzeptieren konnten. Er sollte zudem von einem Kunden stammen, bei dem Sie davon ausgehen können, dass er ihn LkSG-konform abgefasst hat. Vielleicht lohnt es sich beim Versenden Ihres eigenen CoCs Ihren Kunden mitzuteilen, dass Ihr CoC dem Wortlaut oder Inhalt des CoCs eines bestimmten Unternehmens entspricht. Dadurch kann Ihr Kunde im Zweifel den von Ihnen zugesandten Inhalt des CoCs schneller einordnen und leichter akzeptieren.

Wie gehe ich mit Schulungsaufforderungen um?

Auch mit Aufforderungen zu Schulungen, Online-Tutorials und ähnlichem handelt Ihr Kunde nicht willkürlich. Fällt er unter das LkSG, dann ist er gesetzlich verpflichtet, mit Ihnen als direktem Zulieferer Schulungen und Weiterbildungen durchzuführen, um die ihm gegenüber eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen zum Einhalten von Menschenrechten- und Umweltschutz durchzusetzen (§6, Abs. 4 LkSG).
Hier besteht jedoch die Hoffnung, dass einige Großkunden im angemessenen Rahmen pragmatisch vorgehen: Lassen Sie sich deshalb von den ersten Schulungen, an denen Sie teilnehmen, Teilnahmebestätigungen ausstellen. Idealerweise skizziert diese Teilnahmebestätigung Inhalt und Dauer der von Ihnen als Zulieferer absolvierten Schulung. Je aktueller die Schulung und je klarer erkennbar ist, dass sie den Schulungsinhalt abdeckt, den auch ein anderer Kunden Ihnen vermitteln will, desto eher wird dieser auf Ihre Teilnahme an seiner eigenen Schulung verzichten.

Bisher sind Sie von Ihrem Kunden noch nicht im Zusammenhang mit dem LkSG kontaktiert worden?

Wenn bis jetzt noch keiner Ihrer Kunden mit Fragebögen, Verhaltenskodexen, Schulungsaufforderungen oder ähnlichem an Sie herangetreten ist,  kann das noch kommen. Denn Unternehmen, die unter das Gesetz fallen, müssen die Risiken in ihren Lieferketten zunächst einmal priorisieren, um “angemessen und wirksam bei ihrem Bemühen zum Vermeiden von Menschenrechtsverletzungen und ausgewählter Umweltrisiken vorzugehen”. Wenn Ihre Kunden also das Gefährdungsrisiko bei Ihnen als geringer als bei anderen Lieferanten ansehen, kann es sein, dass sie erst später auf Sie zukommen.
Zudem müssen betroffene Unternehmen laut §12 Abs. 2 LkSG erst spätestens vier Monate nach Ende ihres Geschäftsjahres ihren Berichtspflichten nachkommen. Zuständige Kontrollbehörde ist gemäß §19 Abs. 1 LkSG das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Viele Unternehmen müssen also erstmals zum 30. April 2024 ihre Berichte bei der BAFA einreichen. Es kann daher gut sein, dass Sie erst in den nächsten Monaten kontaktiert werden.

Wann kann mich mein Kunde von seiner Lieferantenliste streichen? 

Sie fragen sich, wie groß die Gefahr ist, dass Ihr Kunde Sie wegen des LkSG von seiner Lieferantenliste streicht? Was passiert zum Beispiel, wenn Sie Fragebögen unbeantwortet lassen und CoCs nicht unterschreiben? Kann oder muss er Sie dann sogar wegen der LkSG-Vorgaben aussortieren?
Im Zweifel wird Ihr Kunde zunächst das Gespräch mit Ihnen suchen, warum sie den Fragebogen nicht oder nur zum Teil beantwortet haben.
Wie schnell und ob es tatsächlich zu einem “Delisting” aus LkSG-Gründen kommen kann, ist offen. Dies wird wesentlich davon abhängen, welche Rechtsprechung sich durchsetzen wird. Denn das LkSG enthält dazu unterschiedlich auslegbare Aussagen.
Gemäß Paragraph 7 LkSG ist ein Abbruch der Geschäftsbeziehungen bei Verletzung einer menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflicht nur geboten, wenn „keine anderen milderen Mittel zur Verfügung stehen und eine Erhöhung des Einflussvermögens nicht aussichtsreich erscheint“. Der Gesetzgeber hängt die Hürden hierfür in seiner Gesetzesbegründung sehr hoch. Sollten die Gerichte die Gesetzesbegründung bei ihrer Rechtsprechung berücksichtigen, dürfte ein Delisting dauern. 
In der Gesetzesbegründung heißt es: “Es gilt der Grundsatz Befähigung vor Rückzug: Nur in Fällen, in denen die Verletzung oder der Verstoß als sehr schwerwiegend bewertet werden, wenn nach Ablauf des im Konzept definierten Zeitplans alle Versuche der Risikominderung gescheitert sind, dem Unternehmen keine anderen milderen Mittel zur Verfügung stehen und eine Erhöhung des Einflussvermögens als nicht aussichtsreich erscheint, ist als letztes Mittel ein Abbruch der Geschäftsbeziehung zu dem Zulieferer geboten.”
Allerdings kann sich auch eine andere Rechtsauffassung durchsetzen. So heißt es in Paragraph 6 LkSG, dass das Unternehmen angemessene Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich verankern müsse. Insbesondere seien geeignete Beschaffungsstrategien und Einkaufspraktiken zu entwickeln und implementieren, durch die festgestellte Risiken verhindert oder minimiert werden.

Können mein Kunde und mein Unternehmen sich den ganzen LkSG-Aufwand nicht einfach sparen?

Ja, das können Sie, wenn Ihr Kunde und Sie beispielsweise gar nicht dem Gesetz unterliegen. Vielleicht hat Ihr Kunde gar nicht die Beschäftigtenzahl, ab der das Gesetz für ihn greift: Dem LkSG unterliegen aktuell Unternehmen, die in Deutschland mindestens 3.000 Personen beschäftigen. Entscheidend ist die Pro-Kopf-Zahl der Beschäftigten, nicht die Vollzeitäquivalente. Wenn Ihr Kunde also weltweit 3.500 Personen beschäftigt, davon aber nur 1.000 in Deutschland, dann unterliegt das Unternehmen derzeit nicht dem deutschen LkSG. Das ist oft der Fall bei deutschen Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen.

Kann mein Kunde mehr von mir verlangen, als zur Erfüllung des LkSG notwendig ist?

Die Gefahr der “Over-Compliance”, einer Übererfüllung der Anforderungen, ist mittlerweile ein weiterverbreitetes Phänomen. Das LkSG bietet dafür alle “Möglichkeiten” - schon allein, weil es bisher an Rechtspraxis fehlt. Es gibt noch keine Rechtsprechung zum Gesetz, weil es zu kurz in Kraft ist, noch hat die Kontrollbehörde BAFA Zwangs- und Bußgelder festsetzen können. Damit fehlt die Orientierung, wie sehr sich dem Gesetz unterliegende Unternehmen bemühen müssen, um gesetzeskonform zu handeln. Die Einschätzungen dazu werden deshalb bei den betroffenen Unternehmen sehr weit auseinander gehen und damit auch die an ihre Lieferanten gestellten Anforderungen. Alle Beteiligten bis hin zur BAFA sind noch in einem Such- und Findungsprozess. Wann also ein Kunde überreagiert oder wann er lediglich dem LkSG nachkommt, wird sich erst durch die mit der Zeit entstehende Rechtsprechung sicher sagen lassen.

Welche Strafen drohen mir als Lieferant?

Die im LkSG vorgesehenen Buß- und Zwangsgelder (§23 + §24 LkSG) sowie befristete Ausschlüsse von öffentlichen Beschaffungen (§22 LkSG) richten sich an Unternehmen, die dem Gesetz unmittelbar unterliegen.
Es können jedoch privatvertragliche Ansprüche Ihres Kunden Ihnen gegenüber bestehen, wenn Sie solche miteinander vereinbart haben, etwa durch Annahme der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Ihres Kunden.

Kann ich das LkSG auch zu meinem Vorteil nutzen?

Sie können das LkSG zur Kundengewinnung und Auftragsakquise nutzen. Bestandskunden wie potentielle Neukunden, die dem Gesetz unterliegen, werden es zu schätzen wissen, wenn sie bei Lieferanten kaufen können, deren LkSG-Konformität für sie leicht erkennbar ist. Der Gesetzgeber hat zudem angekündigt, bis zum 30. Juni 2024 über ein weiteres Absenken des Schwellenwertes an Beschäftigten zu entscheiden, ab dem Unternehmen direkt unter das LkSG fallen.
Noch größer könnte der Kreis potentieller Kunden durch das sich abzeichnende “EU-Lieferkettengesetz” werden, bei dem man seine LkSG-Konformität als Verkaufsargument in die Waagschale werfen kann. Der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vom 23. Februar 2022 für eine “Corporate Sustainability Due Diligence” orientiert sich in der Systematik am deutschen LkSG. Kunden in anderen EU-Ländern, die künftig unter ein mit dem LkSG vergleichbares Gesetz fallen, könnten deshalb geneigt sein, Lieferanten den Vorzug zu geben, die bereits ihre LkSG-Konformität unter Beweis gestellt haben. 
Sie sind Lieferant und fragen sich, ob und wie Sie vom LkSG betroffen sind? Wir unterstützen Sie gerne.

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