Weitere Bürokratie für Betriebe?

Verkehrsministerium und Vorreiterkommunen arbeiten am Mobilitätspass weiter

“Der von der Landesregierung angestrebte Mobilitätspass darf in keinem Fall zu weiteren Belastungen bei Unternehmen führen“.
so Dr. Axel Nitschke, Hauptgeschäftsführer der IHK-Rhein-Neckar, die im Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) in Verkehrsfragen federführend ist. Mit dem Landesmobilitätsgesetz will die Regierung die rechtliche Grundlage zur Einführung des Mobilitätspasses schaffen. Dabei sollen Arbeitgeber, Einwohner, Kfz-Halter oder Kfz-Nutzende (City-Maut) einen ÖPNV-Beitrag zahlen. Zwei dieser Modelle sieht Nitschke besonders kritisch:
„Der Mobilitätspass birgt beim Modell City-Maut unkalkulierbare Risiken für die Innenstadtwirtschaft und belastet Unternehmen pauschal beim Modell Arbeitgeberabgabe.“
Insbesondere bei der Arbeitgeberabgabe wird laut Nitschke viel Bürokratie auf die Betriebe zukommen: „Dies wird Aufwand und Kosten in den Betrieben verursachen, auch wenn die Abgabe zur Nutzung im ÖPNV an die Unternehmen zurückfließen soll. Wir sehen derzeit nicht, wie der Mobilitätspass den ÖPNV verbessern kann, ohne für erheblichen Mehraufwand an anderer Stelle zu sorgen.“ Die Wirtschaft finanziert die Landkreise und Kommunen und damit das ÖPNV-Angebot schon heute ganz wesentlich über die Gewerbesteuer. Allein in Stuttgart trugen die Unternehmen im vergangenen Jahr mit der gewaltigen Summe von rund 1,5 Milliarden Euro zum Haushaltsvolumen bei. „Die Betriebe sollen nun mit einer neuen Abgabe gegängelt werden. Ihnen erschließt sich nicht, warum sie nun noch mehr bezahlen sollen, zumal sie bereits mit Jobtickets und Zuschüssen für Pendler freiwillig ihren Beitrag leisten“, so Nitschke. Er kritisiert: „Der Mobilitätspass kommt daher als ‚vergiftetes‘ Geschenk der Landesregierung an die Kommunen. Denn er hat gravierenden Nebenwirkungen: Jede Kommune müsste bei Nutzung des Mobilitätspasses Bürger oder Unternehmen belasten und damit die Diskussionen vor Ort aushalten.“
 
Mit den vier unterschiedlichen Modellen des Mobilitätspasses wird es aller Voraussicht nach zu einem Flickenteppich im Land kommen. Einpendler können so beispielsweise doppelt belastet werden, wenn sie an ihrem Wohnort die Einwohnerabgabe zahlen und an ihrem Arbeitsort eine City-Maut. „Vor dem Hintergrund der Bemühungen, mit dem Deutschlandticket die Tarifstruktur zu vereinheitlichen und damit die Bürokratie zu reduzieren, scheint der Mobilitätspass aus der Zeit gefallen“, kommentiert Nitschke. Gleichzeitig zeigen die im Land geografisch sehr unterschiedlich verteilten ÖPNV-Ausbaupotenziale, dass es eines fairen Ausgleichs zwischen den urbanen Zentren und den ländlichen Räumen bedarf. Wenn das eigene Gewerbegebiet im ländlichen Raum nur unzureichend mit dem ÖPNV angebunden ist und Unternehmen oder Arbeitnehmer dennoch eine Abgabe zahlen müssen, dann kann das die gefühlte Spaltung zwischen Peripherie und Zentrum verschärfen.
 
Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) ist eine Vereinigung der zwölf baden-württembergischen Industrie- und Handelskammern (IHKs). In Baden-Württemberg vertreten die zwölf IHKs die Interessen von weit mehr als 650.000 Mitgliedsunternehmen. Zweck des BWIHK ist es, in allen die baden-württembergische Wirtschaft und die Mitgliedskammern insgesamt betreffenden Belangen gemeinsame Auffassungen zu erzielen und diese gegenüber der Landes-, Bundes- und Europapolitik sowie der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und anderen Institutionen zu vertreten.