Berufsausbildung

Grundsätze über die Eignung von Ausbildungsstätten

Empfehlung des Hauptausschusses (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 325 KB) des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 16. Dezember 2015 zur Eignung der Ausbildungsstätten.

Einleitung

Mit dieser Empfehlung legt der Hauptausschuss Kriterien für die Eignung der Ausbildungsstätten und damit für die einheitliche Anwendung von §§ 27 und 32 Berufsbildungsgesetz (BBiG), §§ 21 und 23 Handwerksordnung (HwO) vor.

1. Die gesetzlichen Bestimmungen

1.1 Eignung der Ausbildungsstätte
Eine Ausbildungsstätte muss nach Art und Einrichtung für die Berufsausbildung geeignet sein (vgl. § 27 Abs. 1 Nr. 1 BBiG, § 21 Abs. 1 Nr. 1 HwO).

Können die in der Ausbildungsordnung genannten erforderlichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) nicht in vollem Umfang in der Ausbildungsstätte vermittelt werden, gilt sie als geeignet, wenn dieser Mangel durch Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte behoben wird. Diese Maßnahmen müssen im Berufsausbildungsvertrag ausdrücklich vereinbart sein.
Eignungsvoraussetzung ist außerdem, dass die Zahl der Auszubildenden in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der Ausbildungsplätze oder zur Zahl der beschäftigten Fachkräfte steht. Eine Abweichung von dieser Bestimmung ist zulässig, wenn dadurch die Berufsausbildung nicht gefährdet wird.

1.2 Eignungsfeststellung – Überwachung
Die zuständige Stelle hat darüber zu wachen, dass die Eignung der Ausbildungsstätte vorliegt. Der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung geht davon aus, dass die Feststellung und Überwachung der Eignung von Ausbildungsstätten eine den zuständigen Stellen unmittelbar obliegende Aufgabe ist, die sie nicht übertragen können. Er hält insbesondere bei Ausbildungsstätten, in denen erstmalig oder nach längerer Unterbrechung ausgebildet werden soll, und bei Ausbildungsstätten, in denen der beantragte Ausbildungsberuf noch nicht ausgebildet wurde, eine vorherige Eignungsfeststellung in der Ausbildungsstätte oder andere geeignete Mittel für erforderlich. Die Eignungsfeststellung soll überprüft werden, wenn Erkenntnisse z. B. aus Prüfungsergebnissen, Vertragslösungen, Schlichtungsverfahren oder der Ausbildungsberatung dies begründen.
Die Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften im Sinne dieser Empfehlung erfolgt für Auszubildende als Arbeitnehmer/-innen auch durch Betriebs- und Personalräte. Betriebs- und Personalräten stehen bei der Durchführung der Berufsbildung die Mitbestimmungsrechte zu. Ausbildende haben der zuständigen Stelle ohne Aufforderung jede Änderung der Eignung der Ausbildungsstätte mitzuteilen, die dazu führen kann, dass das Erreichen des Ausbildungsziels oder die Durchführung des Ausbildungsgangs beeinträchtigt wird. Werden bei der Überwachung Mängel der Eignung festgestellt, so hat die zuständige Stelle, falls der Mangel zu beheben und eine Gefährdung der/des Auszubildenden nicht zu erwarten ist, die/den Ausbildenden aufzufordern, innerhalb einer von ihr gesetzten Frist den Mangel zu beseitigen. Ist der Mangel der Eignung nicht zu beheben oder ist eine Gefährdung der/des Auszubildenden zu erwarten oder wird der Mangel nicht innerhalb der gesetzten Frist beseitigt, so hat die zuständige Stelle dies der nach Landesrecht zuständigen Behörde mitzuteilen (vgl. § 32 Abs. 2 BBiG, § 23 Abs. 2 HwO).
 
1.3 Löschen der Eintragung
Werden die bei der Überwachung festgestellten oder von der/dem Ausbildenden mitgeteilten Mängel nicht innerhalb einer gesetzten Frist beseitigt oder ist eine Gefährdung der/des Auszubildenden zu erwarten, so ist die Eintragung zu löschen
(vgl. § 35 Abs. 2 BBiG, § 29 Abs. 2 HwO). Um der/dem Auszubildenden den Abschluss der Ausbildung zu ermöglichen und um Nachteile zu vermeiden, sollte sich die zuständige Stelle in Zusammenarbeit mit der Berufsberatung der Bundesagentur für Arbeit bemühen, dass die begonnene Berufsausbildung in einer geeigneten Ausbildungsstätte fortgesetzt werden kann. Die Verantwortung der/des bisherigen Ausbildenden bleibt davon unberührt.

2. Kriterien für die Eignung der Ausbildungsstätten
 

2.1 Verfügbarkeit der Ausbildungsregelung
Für jeden Ausbildungsberuf, für den die Eintragung des Ausbildungsverhältnisses beantragt wird, müssen der Ausbildungsstätte die Ausbildungsordnung bzw. die nach § 5 Abs. 1 Nr. 3-5 BBiG anzuwendenden Ordnungsmittel (Berufsbild, Berufsbildungsplan und Prüfungsanforderungen) vorliegen.
 
2.2 Betrieblicher Ausbildungsplan
In der Ausbildungsstätte ist ein betrieblicher Ausbildungsplan zu führen, aus dem erkennbar ist, dass die Ausbildung systematisch unter Berücksichtigung der Arbeits- und Geschäftsprozesse, der betrieblichen Anforderungen und der individuellen Lernvoraussetzungen von Auszubildenden durchgeführt wird. Der betriebliche Ausbildungsplan sollte je nach der Struktur der Ausbildungsstätte und des Ausbildungsberufes mindestens Angaben enthalten über die konkreten Ausbildungsplätze, die Ausbildungsabschnitte, die zu vermittelnden Ausbildungsinhalte und die zugeordneten Ausbildungszeiten.
 
2.3 Passfähigkeit der betrieblichen Arbeits- und Geschäftsprozesse
Art und Umfang der Produktion, des Sortiments und der Dienstleistungen sowie die Produktions- bzw. Arbeitsverfahren müssen gewährleisten, dass die Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) entsprechend der Ausbildungsordnung vermittelt werden können.
 
2.4 Materielle und technische Einrichtung und Ausstattung der Ausbildungsstätte
Die Ausbildungsstätte muss über eine ausreichende Einrichtung und Ausstattung verfügen, insbesondere müssen die für die Vermittlung der in der jeweiligen Ausbildungsordnung vorgesehenen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) erforderlichen Einrichtungen und notwendigen Ausbildungsmittel vorhanden sein und die angemessene Zeit für Ausbildungszwecke zur Verfügung stehen. Dazu gehören zum Beispiel die erforderlichen Kommunikations- und Informationssysteme, Grundausstattungen an Werkzeugen, Maschinen, Apparaten und Geräten, Pflege- und Wartungseinrichtungen, bürotechnische Einrichtungen und notwendige Lehr- und Lernmittel.
In der Regel müssen die Ausbildungsplätze in die regulären Arbeits- und Geschäftsprozesse integriert sein. Zur Unterstützung des Erwerbs der in der Ausbildungsordnung vorgesehenen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) können ergänzend - unabhängig von den normalen Bedingungen des Arbeitsablaufs - intern oder extern Inhalte vermittelt werden, zum Beispiel auch in Ausbildungswerkstätten oder -ecken, Ausbildungslaboren, betriebs- oder bürotechnischen Unterweisungsräumen.


2.5 Personelle Anforderungen

2.5.1 Relation zwischen Fachkräften und Auszubildenden
Als Fachkraft gelten die/der Ausbildende, die/der Ausbilder/-in oder wer eine Ausbildung in einer dem Ausbildungsberuf entsprechenden Fachrichtung abgeschlossen hat oder mindestens das Anderthalbfache der Zeit, die als Ausbildungszeit vorgeschrieben ist, in dem Beruf tätig gewesen ist, in dem ausgebildet werden soll.
Als angemessenes Verhältnis der Zahl der Auszubildenden zur Zahl der Fachkräfte im Sinne von § 27 Abs. 1 Nr. 2 BBiG, § 21 Abs. 1 Nr. 2 HwO gilt in der Regel
eine bis zwei Fachkräfte = 1 Auszubildende/-r
drei bis fünf Fachkräfte  = 2 Auszubildende
sechs bis acht Fachkräfte = 3 Auszubildende
je weitere drei Fachkräfte = 1 weitere/-r Auszubildende/-r.
Diese Relationen müssen kontinuierlich während des gesamten Ausbildungsgangs bestehen. Abweichungen von diesen Relationen sind in Einzelfällen zulässig. Sie müssen begründet werden und dürfen die Ausbildung nicht gefährden.

2.5.2 Relation zwischen Ausbildenden und Auszubildenden:

2.5.2.1 Nebenberufliche/r Ausbilder/-in

Ausbildende gemäß § 28 Abs. 1 BBiG, § 22 Abs. 1 HwO und Ausbilder/-innen im Sinne von
§ 28 Abs. 2 BBiG, § 22 Abs. 2 HwO, die neben der Aufgabe des Ausbildens noch weitere betriebliche Funktionen ausüben, sollen durchschnittlich nicht mehr als drei Auszubildende selbst ausbilden. Es muss sichergestellt sein, dass ein angemessener Teil der Arbeitszeit für die Tätigkeit als Ausbilder/-in zur Verfügung steht.

2.5.2.2 Hauptberufliche/r Ausbilder/in
Ausbilder/-innen im Sinne von § 28 Abs. 2 BBiG, § 22 Abs. 2 HwO, denen ausschließlich Ausbildungsaufgaben übertragen sind, sollen nicht mehr als 16 Auszubildende in einer Gruppe unmittelbar selbst ausbilden.
 
2.5.2.3 Ausbildende Fachkraft
Für die Relation zwischen Auszubildenden und ausbildenden Fachkräften im Sinne von
§ 28 Abs. 3 BBiG, § 22 Abs. 3 HwO, die unter der Verantwortung der Ausbilderin/des Ausbilders bei der Berufsausbildung mitwirken, gelten dieselben Anforderungen wie für die unter 2.5.2.1 beschriebenen nebenberuflichen Ausbilder/-innen. Bei gefahrenanfälligen Tätigkeiten, zum Beispiel an Werkzeugmaschinen, ist die Zahl der Auszubildenden entsprechend geringer anzusetzen.
Die Art des Ausbildungsberufes oder die Gestaltung der Ausbildung können eine höhere Zahl von Auszubildenden rechtfertigen. Eine Abweichung von dem angegebenen Zahlenverhältnis ist insbesondere dann zulässig, wenn und soweit besondere betriebliche oder überbetriebliche Maßnahmen zur Förderung der Ausbildung durchgeführt werden. Der/die Ausbildende, in der Regel der Ausbildungsbetrieb, muss die entsprechende Anzahl von Ausbildern/-innen im Sinne von § 28 Abs. 2 BBiG, § 22 Abs. 2 HwO sowie an ausbildenden Fachkräften nach § 28 Abs. 3 BBiG, § 22 Abs. 3 HwO für die unmittelbare Ausbildung der Auszubildenden bereitstellen, um die unter 2.5.2.1, 2.5.2.2 und 2.5.2.3 genannten Relationen zu sichern. Die/der Ausbildende muss für die benannten Ausbilder/-innen und ausbildenden Fachkräfte die nötigen Voraussetzungen schaffen, damit diese ihre Ausbildungsaufgabe wahrnehmen können.
 
2.5.3 Qualifikation des Ausbildungspersonals
Das in der Ausbildungsstätte eingesetzte Ausbildungspersonal muss über die gesetzlich vorgeschriebene berufsfachliche und pädagogische Qualifikation verfügen; zur Vertiefung und Erweiterung dieser Qualifikationen kann ein vielfältiges Weiterbildungsangebot bedarfsgerecht genutzt werden:

Nebenberufliche/r Ausbilder/in
  • gesetzliche Grundlage: § 30 BBiG, § 22b HwO
  • obligatorisch: Nachweis der Eignung durch Prüfung nach AEVO oder Teil IV der Meisterprüfung + berufsfachliche Eignung
  • optional: z. B. geprüfte/-r Aus- und Weiterbildungspädagoge/-in, zielgruppen-spezifische Weiterbildungsangebote
Hauptberufliche/r Ausbilder/in
  • gesetzliche Grundlage: § 30 BBiG, § 22b HwO
  • obligatorisch: Nachweis der Eignung durch Prüfung nach AEVO oder Teil IV der Meisterprüfung + berufsfachliche Eignung
  • optional: z. B. Geprüfte/-r Aus- und Weiterbildungspädagoge/-in, geprüfte/-r Berufs-pädagoge/-in, zielgruppenspezifische Weiterbildungsangebote
Ausbildende Fachkräfte
  • gesetzliche Grundlage: § 28 Abs. 3 BBiG, § 22 Abs. 3 HwO
  • optional: z. B. Ausbilderlehrgang, Vorbereitungslehrgang für die AEVO-Prüfung, zielgruppenspezifische Weiterbildungsangebote

2.6 Schutz der Auszubildenden

Auszubildende müssen in der Ausbildungsstätte gegen die Gefährdung ihrer Gesundheit sowie gegen die Beeinträchtigung ihrer Würde geschützt werden.


2.7 Ausbildung in mehreren Ausbildungsstätten

Wird die Ausbildung in mehreren Ausbildungsstätten durchgeführt, so muss jede dieser Ausbildungsstätten für den jeweiligen Ausbildungsabschnitt den vorstehenden Kriterien entsprechen. Kann eine Ausbildungsstätte die Anforderungen der jeweiligen Ausbildungsordnung nicht in vollem Umfange erfüllen, so muss eine notwendige Ausbildungsmaßnahme außerhalb der Ausbildungsstätte, z. B. in einer geeigneten anderen Ausbildungsstätte oder überbetrieblichen Einrichtung vorgesehen werden.