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"Bitte nachzahlen" - Aktive Gesellschafter in der Sozialversicherung

Gesellschaftsverträge entscheiden auch über die Rentenversicherungspflicht von Geschäftsführern – nicht nur bei Neugründung, sondern auch in Altfällen.

Die Arbeit im eigenen Betrieb stellt sich besonders für geschäftsführende Gesellschafter als klassische Unternehmertätigkeit dar – wer sähe Anlass, daran zu zweifeln? „Klare Sache – also niemand“, mögen viele denken. Zu einer gänzlich anderen Wertung gelangen aber immer häufiger Betriebsprüfer, die die Sozialversicherungspflicht der Mitarbeiter prüfen. Insbesondere aufgrund einschlägiger Urteile des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2015 kommen dabei auch mehr- und langjährig beanstandungsfreie Konstrukte auf den Prüfstand.

Besonders betroffen sind Gesellschafter Geschäftsführer, denen nicht die absolute Mehrheit des Unternehmens gehört. Galten sie in früheren Jahren unter bestimmten Voraussetzungen noch als von der Sozialversicherungspflicht befreit, kommt dies jetzt nur noch unter viel engeren Bedingungen in Betracht. Im Regelfall drohen Nachzahlungen für vier Jahre, also meist ein fünfstelliger Betrag – manchmal aber auch mehr – und dies obwohl die zugrundeliegende Rechtsprechung selbst noch gar keine vier Jahre alt ist. Für die Betroffenen mit gutem Grund „ein Aufreger“. Noch gravierender – nämlich für bis zu 30 Jahre rückwirkend – könnten die Nachforderungen aber dann werden, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Arbeitgeber vom Verstoß wusste und eine ordnungsgemäße Abführung der Sozialbeiträge trotzdem unterlassen hat. Hier hat allerdings die Rentenversicherung ein Nachweisproblem.

Welche Fälle sind konkret betroffen?

Ein Risiko besteht bei Familienunternehmen, denn hier hatte das BSG den Geschäftsführer selbst dann als Selbstständigen eingestuft, wenn er keine Geschäftsanteile besaß, aber zur Eigentümerfamilie gehörte und wie ein Alleingesellschafter das Unternehmen führen konnte. Jetzt gilt: Selbstständiger Geschäftsführer ist, wer in der Gesellschafterversammlung Entscheidungen oder Weisungen gegen sich verhindern kann – also wer mehr als 50 Prozent des Kapitals besitzt (in manchen Fällen genügen auch genau 50 Prozent) oder über eine entsprechend weitreichende, konfliktfeste Sperrminorität verfügt. Diese umfassende Sperrminorität ist auch in solchen Fällen maßgeblich, bei denen die Selbstständigkeit des Geschäftsführers früher deswegen angenommen wurde, weil er als Minderheitsgesellschafter dennoch eine Vielzahl von Sonderrechten hatte oder z. B. aufgrund besonderer Fähigkeiten oder Entwicklungsleistungen eine besondere Stellung im Unternehmen einnahm. Auch hier gilt aber: Der sozialversicherungsrechtlich selbstständige Geschäftsführer muss auch Weisungen der Gesellschafter an sich blockieren können und dies muss sich aus dem Gesellschaftsvertrag selbst ergeben. Bei kleineren Gesellschaftsanteilen auch wichtig: Die Regelungen müssen änderungsfest sein, d. h. auch einer Satzungsänderung mit der Dreiviertelmehrheit des § 53 Abs. 2 GmbHG standhalten. Rein vertragliche Gestaltungen außerhalb – z. B. im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers – helfen nicht weiter, da sie vergleichsweise leicht beseitigt werden können. Gleichzeitig ist vor solch ungewöhnlich weitgehenden Sperrminoritäten und Satzungsbestimmungen auch zu warnen: Einerseits lockt die Befreiung von Sozialabgaben, andererseits kann ein weitgehendes Blockaderecht auch das gesamte Unternehmen gefährden, wenn es mit der Einigkeit vorbei ist. Nicht ohne Grund ist die Regelung von Gesellschafterstreitigkeiten ein wesentlicher Punkt in der Gesellschaftssatzung.
Von Oliver Essig

Selbstcheck Sozialversicherung

  1. Liegt ein Anstellungsvertrag mit Gehaltsregelung, Urlaubsanspruch oder sogar Arbeitszeiten vor? Dies ist arbeitnehmertypisch und ein Indiz für die Beitragspflicht.
  2. Verfügen Sie über mehr als 50 Prozent der Gesellschaftsanteile bzw. können über eine gesicherte Sperrminorität Weisungen der Gesellschafter an sich verhindern? Sie werden dann als selbstständig anerkannt.
  3. Unsicher bei der Übernahme? Sie können ein Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung durchlaufen. Dieses sollte aber zeitnah zur Tätigkeitsaufnahme erfolgen – und das Ergebnis gefällt nicht immer.
  4. Schon länger tätig, aber mit ungutem Gefühl? Nicht vor Nachzahlungen schützt die vorsorgliche Anmeldung und eine folgende Statusfeststellung. Es besteht aber die Möglichkeit, zumindest Zinsen und Säumniszuschläge zu vermeiden.