Verkehrspolitik

IHK-Verkehrsausschuss befasst sich mit Zukunft der Verkehrswirtschaft

„Aktuelle bundespolitische Entwicklungen in der Verkehrswirtschaft“: Unter diese denkbar große Überschrift stellte Dr. Patrick Thiele, Leiter des Verkehrsreferats bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), seinen „Bericht aus Berlin“. Der Vorsitzende des IHK-Verkehrsausschusses, Alexander Benzinger, geschäftsführender Gesellschafter der Rolf Benzinger Spedition-Transporte GmbH aus Friolzheim, begrüßte Thiele zu einer entsprechend langen Themenliste.

Bundesverkehrswege- und Mobilitätsplan 2040  – Wachsenden Verkehrsaufkommen erwartet

Juli 2023. Einer der großen Themenpunkte waren die Überarbeitung der neuen Bedarfspläne zum „Bundesverkehrswegeplan 2030“ sowie der im Koalitionsvertrag der Ampelregierung mittelfristig aufzustellende neue Plan, der dann „Bundesverkehrswege- und Mobilitätsplan 2040“ heißen soll. Der Bundesverkehrswegeplan ist das zentrale Planungs- und Steuerungsinstrument für die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur des Bundes. Aktuelle Szenarien des Bundes gehen bis 2051 für den Personenverkehr von einem wachsenden Verkehrsaufkommen von insgesamt 13 Prozent aus: Luftverkehr plus 68 Prozent, Schiene plus 52 Prozent, Radverkehr plus 36 Prozent, ÖPNV plus 25 Prozent und motorisierter Individualverkehr (MIV) nur noch ein Plus von vier Prozent, wobei der Modal Split-Anteil des MIV mit 68,3 Prozent weiterhin zentrale Bedeutung hätte. Die Gründe für die Zunahmen lägen in der Bevölkerungszunahme, in der Siedlungsstruktur und in den Investitionen in Schiene, ÖPNV und Radverkehr.
Für die Güterverkehre wird von einen Gesamtwachstum von 46 Prozent bis 2051 ausgegangen – mit einem überdurchschnittlichen Wachstum des Straßengüterverkehrs von 54 Prozent, was die bisherige Dominanz mit einem aktualisierten Modal Split-Anteil von 77,5 Prozent weiter ausbaute. Das Wachstum bei der Schiene wird mit 33 Prozent prognostiziert, bei der Binnenschifffahrt wird von einer Stagnation ausgegangen. Der Grund für die weitere Dominanz des Straßengüterverkehrs wird im Güterstruktureffekt gesehen: also weniger Massengüter, mehr Post/Pakete und Stückgut.
Laut Koalitionsvertrag will man sich bei den Bundesfernstraßen auf Erhalt und Sanierung fokussieren, Neubauten sollen weniger eine Rolle spielen. Für den geltenden BVWP haben sich die Koalitionäre jedenfalls über eine Prioritätensetzung zu verständigen. Dann erst ist der BVMP 2030 auf Basis neuer Kriterien zu erstellen. In Anbetracht der Zahlen werde die DIHK sich weiter für zusätzliche Kapazitäten bei allen Verkehrsträgern stark machen. Neben dem Bundesverkehrswegeplan diskutierten die Verkehrsausschussmitglieder die aktuellen Probleme bei Großraum- und Schwertransporten. Derzeit belasten die Branche hier lange Umwegefahrten mit zum Teil maroden Verkehrswegen sowie Problemen bei den Genehmigungsverfahren.

Dauerthema: Lang-LKW

Ein Dauerthema der Transportbranche sind Lang-LKW: Seit 2017 können Lang-Lkw mit einer Länge von bis zu 25,25 m im streckenbezogenen Dauerbetrieb fahren. Der Probebetrieb des Lang-Lkw Typ 1 (verlängerter Sattelauflieger) ist bis 31.12.2023 befristet, die anderen vier Typen unterliegen keiner Befristung mehr. Die aktuelle Änderungsverordnung steht noch aus. Die Fortführung des Einsatzes von Lang-LKWs des Typs 1 nach 2023 ist also weiterhin fraglich. Die DIHK setzt sich für den umweltfreundlichen Lang-LKW ein und auch die baden-württembergischen IHKs engagieren sich weiter mit Nachdruck.
Die gesamte Verkehrsbranche verbindet das Dauerthema Fahrermangel. Der akute Mangel wird auf ca. 80.000 Fahrer geschätzt, wobei jährlich rund 27.000 Absolventen auf den Markt kommen (20.000 für den Güterverkehrsbereich, 7.000 für den Personenverkehr). 80 Prozent der Berufskraftfahrer erwerben dabei die sogenannte beschleunigte Grundqualifikation. Allerdings kommt nur ein Bruchteil hiervon im Vollerwerb auf dem Markt an. Die IHKn haben in den letzten Jahren einige Veränderungen vorangetrieben. So wurden beispielsweise die Prüfungsfragen auf einfache Sprache umgestellt. Wichtigster Punkt für die Unternehmen des Verkehrsausschusses: „Wir brauchen endlich weitere Prüfungssprachen.“, so Ausschussvorsitzender Alexander Benzinger. Der unveröffentlichte Referentenentwurf zur Änderung der Berufskraftfahrerqualifikationsverordnung (siehe hierzu auch den Bericht zum E-Learning in der Weiterbildung in dieser Magazinausgabe) sieht das vor. Ob und wann es so kommt, ist naturgemäß unsicher. Gleichwohl befindet sich die IHK-Organisation bereits in Vorarbeiten, um keine Zeit zu verlieren.

Verringerung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor.

Abschließendes, übergeordnetes Thema: Die Verringerung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor. Zwar kam es im Zeitraum 1990 bis 2021 zu einer Gesamtverringerung von 38,7 Prozent, der Verkehrssektor allein schaffte allerdings nur 9,4 Prozent Minderung. Das Klimaschutzprogramm 2030 des Bundes sieht bis 2030 insgesamt 55 Prozent weniger Treibhausgasemissionen vor, für den Verkehrssektor allein bedeutet dies circa minus 40 bis 42 Prozent im Verhältnis zu 1990. Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung wird wohl Ende des Jahres die teurere Maut mit der Absenkung der Mautpflicht von 7,5 auf 3,5 Tonnen bringen, aber eben auch eine CO2-Differenzierung. Ein weiterer Treiber: Das „Fit for 55“-Paket der EU im Zuge des „Green Deal“ sieht eine Verringerung der Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent vor. Darüber hinaus setzen die mittelbaren und unmittelbaren Pflichten zu CO2- Bilanzierungen aller Unternehmen die Transport- und Logistikbranche mittelfristig noch mehr unter Druck. Die Herausforderungen der Branche aus Sicht der Ausschussmitglieder sind die Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit alternativer Antriebe, der Aufbau der Ladesäuleninfrastruktur planungsrechtlich und in der Finanzierung, die aktuelle Länge der Beschaffungsprozesse für Neufahrzeuge – unabhängig der Antriebsfrage – sowie die Kapitalintensität in Hochinflationszeiten. Das lasse manchen Zweifel ob der Realisierungsfähigkeit aufkommen, jedenfalls wenn beispielsweise nicht die Förderantragsverfahren angepasst würden. Grundvoraussetzung sei auch, dass Investitionen in die öffentliche Infrastruktur an Fahrt aufnehmen. „Das gilt auch für die Schiene.“, warf Ausschussmitglied Kurt Plathe ein, der als Investor des Horber Kombi-Terminals zusammen mit dessen Geschäftsführer, Richard Lagger, das „BFT“ dem Ausschuss in der Sitzung ausführlich vorstellte. Die Ausschussmitglieder initiierten sogleich eine separate Veranstaltung zum Thema „CO2-Bilanzierung in der Praxis – Klimaschutz in Verkehr und Logistik“ beim Horber Terminal Ende Juni.
Zum Ende der Sitzung beschlossen die Mitglieder – dazu passend – die Fortschreibung der Resolution der Gäubahn sowie die neuen verkehrspolitischen Grundsatzpositionen, die Anfang Juli in der Sitzung der IHK-Vollversammlung behandelt werden und nach ihrem endgültigen Beschluss hier auf dieser Website abrufbar sein werden.
Zum Verkehrsausschuss:
Dem Verkehrsausschuss gehören regionale Unternehmen der Verkehrswirtschaft und logistikaffine Betriebe an. Er befasst sich mit aktuellen verkehrspolitischen Herausforderungen und greift dabei europäische und bundesweit auftretende Verkehrsthemen als auch speziell regionale Verkehrsprobleme auf. Die Mitglieder des Verkehrsausschusses bringen wichtige Themen aus dem Ausschuss in die Vollversammlung ein.