Wohnen/Stadtentwicklung

Vorschläge der IHK
  • Neue Flächen für die Schaffung von qualitativ hochwertigem Wohnraum erschließen
  • Schließung von Baulücken vorantreiben
  • Auslobung eines städtebaulichen Wettbewerbes
Immer mehr Menschen zieht es in die Städte. Die Suburbanisierung, also die Abwanderung städtischer Bevölkerung und/oder Funktionen, scheint sich abzuschwächen. In einigen Teilen Deutschlands gewinnen verstärkt die Kernstädte wieder an Bedeutung und können Bevölkerungsgewinne verzeichnen.
Die hochqualifizierte sog. „kreative Klasse“, also vor allem die gut ausgebildeten Fachkräfte mit Familien, bevorzugt in der Regel das Wohnen in attraktiver und innenstadtnaher Lage. Als weiterer zentraler Träger der Reurbanisierung wird auch die Bevölkerungsgruppe der über 50-Jährigen gesehen. Auch sie bevorzugen verstärkt die gute soziale und kulturelle Infrastruktur sowie das gastronomische Angebot in der Nähe.
Für das Ruhrgebiet ergibt sich ein vielfältiges Bild: So ist einerseits eine fortwährende, wenn auch abgeschwächte Suburbanisierung festzustellen, andererseits ist aber ein Nebeneinander von Reurbanisierungstendenzen erkennbar. Dazu kommen interkommunale Wanderungen innerhalb der Kernstädte. Wie andere Kernstädte auch konnte die Stadt Essen in den Jahren 2003 bis 2007 deutliche Wanderungsgewinne gegenüber dem Umland verzeichnen. Mülheim an der Ruhr und Oberhausen mussten im selben Zeitraum einen leichten Rückgang der Einwohnerzahl hinnehmen.
Zahl der Haushalte wird abnehmen
Der demografische Wandel führt auf dem Wohnungsmarkt zu tiefgreifenden Veränderungen. Zukünftig werden schrumpfende und wachsende Regionen nebeneinander existieren. Auch innerhalb einer einzelnen Region und sogar innerhalb einer Kommune werden Neubaumaßnahmen und wachsende Leerstände immer häufiger auch gleichzeitig zu beobachten sein. Mülheim an der Ruhr, Essen und Oberhausen verfügen aufgrund des Bevölkerungsrückgangs nach kommunalen Erhebungen über einen durchschnittlichen Wohnungsleerstand von etwa fünf Prozent. Paradoxerweise besteht trotzdem eine Nachfrage nach Wohnraum. Die Erkenntnisse aus dem Wohnungsmarktbarometer des „1. regionalen Wohnungsmarktberichts der Städteregion Ruhr 2030“ aus dem Jahre 2009 bestätigt diesen Trend: Das Wohnen im Alter wird hier als dringendster Handlungsbedarf in der Zukunft gesehen. Ein bedarfsgerechtes Angebot für Familien wird immerhin noch als wichtig eingeschätzt.
Die Nachfrage nach Wohnraum ist von unterschied-lichsten Faktoren abhängig. Die entscheidende Größe ist und bleibt die Zahl der Haushalte. Seit Jahren ist aufgrund der Zunahme der Ein-Personen-Haushalte eine durchschnittliche Verkleinerung der Haushalte zu beobachten. Dieser Trend ist auch in der MEO-Region erkennbar. Das heißt aber auch gleichzeitig, dass ein Bevölkerungsrückgang nicht zwangsläufig einen verstärkten Überhang an Wohnungen bewirkt und die Zunahme der Haushalte diese Entwicklung abmildern oder sogar umkehren kann.
Nach den Daten des ersten regionalen Wohnungsmarktberichts der Städteregion Ruhr 2030 werden nicht nur bei der Bevölkerungsprognose, sondern auch in der Haushaltsprognose für die MEO-Region ein stärkerer Rückgang als in den übrigen Städten und Kreisen in NRW vorhergesagt. Berücksichtigt man für eine Prognose der Entwicklung der Haushalte in der MEO-Region längerfristige Entwicklungen – in diesem Fall die Haushaltsentwicklung der Jahre 1997 bis 2005 – so ergibt sich eine Verminderung von etwa 5,4 Prozent bis zum Jahre 2025. Im Gegensatz zum NRW-Durchschnitt (+3,1 Prozent) bedeutet dies einen deutlichen Rückgang der Haushalte im IHK-Bezirk.
Nachfrage nach Wohnraum weiterhin rege
Trotz des erwarteten Rückgangs der Haushaltszahlen stellt die vom Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes NRW in Auftrag gegebene Studie „Entwicklung der quantitativen und qualitativen Neubaunachfrage auf den Wohnungsmärkten in NRW bis 2030“ eine weitere Nachfrage sowohl nach Ein- und Zweifamilienhäusern als auch nach Mehrfamilienhäusern fest.
Sowohl für die Jahre von 2010 bis 2020 als auch im Zeitraum von 2020 bis 2030 wird jeweils eine Nachfrage von rd. 12.000 Wohneinheiten in der MEO-Region erwartet. Konkret heißt das: Bis zum Jahre 2030 wird im Bereich der Mehrfamilienhäuser insgesamt eine Nachfrage von 16.000 Wohneinheiten für die Städte Mülheim an der Ruhr, Essen und Oberhausen berechnet. Die Nachfrage nach Ein- und Zweifamilienhäusern wird im selben Zeitraum auf 8.200 Wohneinheiten geschätzt.
Neben den quantitativen Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt wird der demografische Wandel vor allem auch qualitative Veränderungen bewirken. Diesbezüglich müssen entsprechende Wohnangebote bzw. Flächen zur Wohnbebauung in attraktivem Umfeld unbedingt für Fachkräfte und junge Familien bereitgestellt werden.
Bedürfnisse an Wohnraum haben sich gewandelt
Das Wohnungsangebot muss unterschiedlichen Wohnbedürfnissen und den finanziellen Möglichkeiten aller Nachfrager gerecht werden. Eine gute oder in manchen Fällen sogar verbesserte Wohn- und Lebensqualität kommt in erster Linie den jetzigen Bewohnern zugute. Zusätzlich kann durch den Umbau für verschiedene Generationen ein Zuzug oder die Rückkehr von Haushalten in innerstädtische Quartiere stimuliert werden. Eine altersgerechte Wohnumfeldgestaltung unterstützt eine möglichst lange selbständige Lebensführung älterer Menschen. Oberstes Prinzip muss es somit sein, Quartiere für Jung und Alt so zu entwickeln, dass die Bewohner auch in späteren Lebensphasen dort wohnen bleiben können. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass ältere Menschen durchaus dazu bereit sind, innerhalb des Wohnquartiers umzuziehen, wenn es attraktive Möglichkeiten gibt, die ihre Bedürfnisse befriedigen. Gleichzeitig werden so wieder Häuser für Familien frei, was die Neubaunachfrage senken könnte.
Die Barrierefreiheit, also die Möglichkeit, alle Wohnungsteile ebenerdig erreichen zu können, ist von hoher Bedeutung. Entscheidend für die Wohnstandortwahl sind aber noch andere Faktoren wie das Image und die Sauberkeit des Wohnumfeldes, die Ausstattung mit sozialer Infrastruktur, die Erreichbarkeit von Nahversorgungseinrichtungen, die Verkehrsanbindung sowie die Nähe zu Grün- und Spielflächen und zum Freiraum. Gerade Familien legen besonderen Wert auf ein überdurchschnittlich attraktives Wohnumfeld mit einem vielfältigen Angebot an Spiel- und Freizeitmöglichkeiten für Kinder. Damit die in der Regel gut ausgebildeten Personen oder Familien in die Region ziehen, sollten sich die Städte hier gut aufstellen.
Gefördert werden sollten auch neue Wohnformen, wie etwa die Einrichtung von Altenwohngemeinschaften, betreutes Wohnen oder innovative Formen des Mehrgenerationenwohnens, wie dem Generationenkulthaus in Essen, deren Umsetzung nicht nur durch den Neubau von Wohnungen möglich ist. Gerade hier bietet der Bestandsumbau aufgrund der oft integrierten Lagen erhebliches Potenzial. Durch die gezielte Konzeption des Neu- oder Umbaus ist sowohl die Integration von Service- und Hilfsleistungen als auch die Etablierung eines funktionierenden Stadtteilzentrums möglich. Um einen interessanten Angebotsmix vorzuhalten, ist es aber ebenso wichtig, auch Wohnraum im höherwertigen Segment anzubieten.
Neue Flächen für Wohnraum erschließen
Hinsichtlich der besonderen räumlichen Eigenschaften der MEO-Region sollte der Fokus auch auf andere Flächen gerichtet werden. Betrachtet man nämlich die MEO-Region als „eine Stadt“, ergeben sich zusätzliche Spielräume in deren räumlicher Mitte, also den gemeinsamen Randbereichen der einzelnen Städte. Hier sollte überprüft werden, inwieweit sich eine Entwicklung dieser Flächen anbieten würde.
Stadträumliche Qualitäten können sich auch vor allem dann ergeben, wenn innerstädtische Flächen recycelt und/oder Baulücken geschlossen werden. Das besondere Potenzial im Flächenrecycling liegt in der Vermeidung weiterer Flächen-inanspruchnahme und Zersiedlung. In der Stadt Essen hat sich in den letzten zehn Jahren die Zahl der Baulücken auf 530 halbiert, das Potenzial dieser Grundstücke wurde also genutzt. Dennoch wird es in der Zukunft auch darauf ankommen, wie man mit den noch vorhandenen Baulücken umgeht.
MEO-Region braucht nachhaltige städtebauliche Strukturen
Die Begriffe Stadtumbau und Anpassung an den demografischen Wandel mögen sich zunächst negativ anhören. Vielmehr soll damit aber Gegenteiliges bewirkt werden. Der Wandel erfordert bedarfsgerechte Anpassungen sowohl im kleinen als auch im größeren Maßstab. Insbesondere Erfahrungen aus Städtebauförderprogrammen (Stadtumbau Ost und West) zeigen, wie wichtig die Auseinandersetzung mit dem Wohnungsbestand im Hinblick auf demografische Veränderungen ist, auch wenn die Rahmenbedingungen für die MEO-Region andere sind.
Größere Bedeutung sollte auch dem Umwandeln von aufgegebener Infrastruktur, wie Schulen und dem Rückbau von nicht mehr marktfähigem Altwohnungsbestand, bei dem sich Modernisierungsinvestitionen nicht mehr amortisieren, beigemessen werden. Für die nächsten Jahre wird für die MEO-Region ein enormer Zuwachs an Wohnungsüberhängen erwartet. Die jetzigen Überhänge sind größtenteils auf qualitätsbedingte Gründe zurückzuführen. Hiervon sind in der Regel die weniger attraktiven Wohnstandorte und Stadtteile betroffen. Es wird prognostiziert, dass die Anzahl der leer stehenden Wohnungen und der Anteil der Überhänge, die auf demografische Gründe zurückzuführen sind, überproportional steigen werden. Dies sollte stärker in das Bewusstsein von Politik und Verwaltung gebracht und im Rahmen der Wohnungsmarktbeobachtung analysiert werden. Es wird vor allem auch darauf ankommen, kleinräumige Tendenzen messen zu können, um angemessen reagieren und differenzierter handeln zu können. So können entsprechende Gegenmaßnahmen - notfalls der Rückbau von nicht mehr marktfähigem Bestand - vorangebracht werden.
IHK sieht Chancen in der Initiierung eines städtebaulichen Wettbewerbs
Die IHK kann in diesem Zusammenhang in vielerlei Hinsicht tätig werden und beratend zur Seite stehen. Eine besondere Chance sieht die IHK darin, einen studentischen Wettbewerb auszuloben. Hieran könnten sich Studenten aller Ruhrgebietsuniversitäten beteiligen. Eine vorstellbare Aufgabenstellung wäre, Konzepte für den Umbau eines innerstädtischen Quartiers zu einem generationengerechten Stadtquartier in einer der MEO-Städte zu entwickeln. Hier sind innovative Lösungsansätze zu suchen, die sich insbesondere mit der Fragestellung, wie man neue, junge Einwohner für die Region gewinnt, auseinandersetzen.