Integration

Vorschläge der IHK
  • Einrichtung eines Welcome-Centers für die MEO-Region
  • Zusammenschluss der Volkshochschulen in der MEO-Region prüfen
Das Ruhrgebiet war seit jeher ein Anziehungspunkt für Menschen aus aller Welt, in erster Linie, weil hier Arbeit angeboten wurde. Der Begriff Gastarbeiter scheint aus heutiger Sicht falsch gewählt, denn viele der Menschen, die hierhin kamen, haben nicht nur eine neue Stelle, sondern auch ein neues Zuhause gefunden. Aus Gästen wurden Mitbürger. Deutlich wird dies, wenn man sich die Statistiken ansieht. So weist etwa jeder fünfte Bürger im westlichen Ruhrgebiet nach Angaben des Mikrozensus einen Migrationshintergrund auf. Betrachtet man nur die Gruppe der unter 25-Jährigen, steigt der Anteil erheblich an. So hat beispielsweise etwa jeder Dritte dieser Altersklasse in der Stadt Essen einen Migrationshintergrund. Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel stellt eine erfolgreiche Integration in Bildung und Arbeit daher den Schlüssel für die Zukunft der Region dar.
Gleichzeitig beobachten wir eine Reihe von Schwierigkeiten, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben. Exemplarisch dafür stehen einige Daten: 17 Prozent der Menschen, die über 15 Jahre alt sind und einen Migrationshintergrund vorweisen, stehen im westlichen Ruhrgebiet ohne Schulabschluss da. Zum Vergleich: Bei der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund sind dies lediglich zwei Prozent. Darüber hinaus verfügen über 50 Prozent der Bevölkerung mit Migrationshintergrund über keinen Berufs- oder Hochschulabschluss. Damit sinken zum einen in der Regel die Chancen auf gut bezahlte Jobs. Zum anderen bedeutet dies gerade mit Blick auf den sich abzeichnenden Fachkräftemangel, dass eine Menge an Potenzial verloren geht. Die Ursachen hierfür mögen vielfältig sein – wenn wir qualifizierte Mitarbeiter wollen, die sich für die Unternehmen und die Region engagieren, müssen wir hier ansetzen.
Bildungsanstrengungen für Bürger mit Migrationshintergrund intensivieren
In den letzten Jahren hat sich bereits abgezeichnet, dass die Anforderungen an Ausbildung und Beruf stetig gestiegen sind. Früher gab es auch noch gut bezahlte Arbeitsstellen, für die keine fundierte Berufsausbildung notwendig war. Dies hat sich grundlegend geändert. Die Basis für das berufliche Fortkommen sind Bildung und Wissen. Dabei reicht nicht das einmal erworbene Wissen aus, sondern das vielfach zitierte „lebenslange Lernen“ gewinnt immer mehr an Bedeutung. Die Grundlagen, diesen Anforderungen gerecht zu werden, werden schon in frühen Kinderjahren gelegt. Viele Programme zur Unterstützung setzen jedoch erst an, wenn der Übergang von der Schule zum Beruf ansteht. Sinnvoll wäre es dagegen, erheblich früher zu beginnen. Lassen wir alles so weiterlaufen, verzichten wir auf ein großes Potenzial.
Unser Ziel muss lauten, dass wir die Schul- und Berufsabschlussquoten in die Nähe der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund bringen. Ganz wesentlich müssen daher Perspektiven aufgezeigt werden, wie ein erfolgreicher Bildungsweg verlaufen kann. Neben den üblichen schulischen Qualifikationen sollte früh das Interesse am Experimentieren und an technischen Fragen geweckt werden. Patenschaften von Unternehmen, in denen Kinder und Jugendliche die Faszination der Technik oder auch die Anforderungen für eine Ausbildung vermittelt werden, können ein wichtiger Baustein sein. Denn gerade in Stadtteilen mit hoher Gewerbedichte ist häufig der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund hoch. Positive Vorbilder können dabei ein gutes Instrument sein – vor allem, wenn diese selbst einen Migrationshintergrund aufweisen und zeigen, dass und vor allem auch wie sie ihren Weg gemeistert haben. In der MEO-Region gibt es schon eine Reihe von Patenschaften, deren Wahrnehmung und Verbreitung allerdings sicherlich noch zu verbessern wären.
Die Volkshochschulen (VHS) der Region leisten bereits eine hervorragende Arbeit im Bereich der Integration. Um die Kompetenzen und Angebote noch effizienter zu bündeln, könnte geprüft werden, inwieweit der Zusammenschluss zu einer MEO-VHS sinnvoll sein kann. Die Kurse und das Teilnehmermanagement könnten so optimal an die Nachfrage angepasst werden.
Mehr Jugendliche direkt in Ausbildung bringen
Zahlreiche Projekte haben zum Ziel, Jugendliche mit Migrationshintergrund in Ausbildung zu bringen. Ein Beispiel hierfür ist das Projekt VorAusBildung, das von der MEO-Regionalagentur, die im Hause der IHK sitzt, betreut wird. Dieses richtet sich im letzten Schuljahr vor allem, aber nicht nur an Hauptschüler mit Zuwanderungsgeschichte. Innerhalb eines Jahres soll die Kompetenz der Jugendlichen für eine bestimmte Ausbildung geschaffen werden. Nach einer Orientierungsphase soll dann in jeweiligen Fachmodulen die Ausbildungsfähigkeit erreicht werden. Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend: So erreichte der überwiegende Teil der Schüler trotz gegenteiliger Prognosen noch einen Schulabschluss. Etwa 40 Prozent der Jugendlichen konnte in Ausbildung vermittelt werden.
Insgesamt gibt es derzeit über 350 Ausbildungsberufe, von denen aktuell im IHK-Bezirk in etwa 130 Berufen ausgebildet wird. Wirklich bekannt sind jedoch vielfach nur zehn. Gerade auch ausländische Familien können dabei den Überblick verlieren und so nur einen begrenzten Teil der Auswahl überhaupt nutzen. Die frühzeitige Darstellung der vielfältigen Möglichkeiten birgt somit die Chance, eine gesicherte Berufswahl zu treffen. Die IHK beschäftigt eine Mitarbeiterin, die sich speziell um Jugendliche mit Migrationshintergrund kümmert. Aber auch an Schulen sollte die gesamte Bandbreite der Ausbildungsberufe noch besser vermittelt werden. Das im Ausbildungskonsens NRW entwickelte neue Übergangssystem Schule-Beruf bietet gute Möglichkeiten dazu. Die IHK setzt sich jetzt schon dafür ein, die flächendeckende und systematische Berufsorientierung an allen allgemeinbildenden Schulen zu etablieren.
Erwerbsquote von Frauen mit Migrationshintergrund erhöhen
Ein weiterer Ansatzpunkt gründet sich darauf, dass die Erwerbsquote von Frauen mit Migrationshintergrund nach Angaben der Forschungsgruppe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bei 60 Prozent liegt. Dies sind etwa 13 Prozentpunkte weniger als bei Frauen ohne Migrationshintergrund. Damit steht ein erheblicher Anteil dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Dies dürfte sich zwar aufgrund geänderter Einstellungen in den nächsten Jahren positiver entwickeln. Trotzdem muss an dieser Stelle durch Qualifizierungsmaßnahmen und weitere Informationsangebote angesetzt werden, damit künftig mehr Frauen auch mit Migrationshintergrund als Fachkräfte zur Verfügung stehen.
Ein Ansatz ist das derzeit in Essen gestartete Projekt MIDINA, das sich an junge Frauen unter 25 Jahren mit Migrationshintergrund richtet. Ziel ist es, diese Frauen in Ausbildung oder Arbeit zu vermitteln. Darüber hinaus soll im Rahmen des Projekts ein sog. Vereinbarkeitsmodell „Tradition und Beruf“ erarbeitet werden. Im Mittelpunkt des Projekts stehen Qualifizierung, Elternarbeit sowie Informationsvermittlung. Falls sich das Vorhaben als erfolgreich erweist, könnte es ein sinnvolles Instrument zur Erhöhung der Erwerbsquote von Frauen mit Migrationshintergrund sein und ausgeweitet werden.
Willkommenskultur etablieren
Die Willkommenskultur in der MEO-Region lässt in vielfacher Hinsicht noch zu wünschen übrig. Zu überlegen wäre daher, wie eine insgesamt offenere, an den Bedürfnissen der Neubürger orientierte Einstellung umzusetzen ist. Gerade, wenn hochqualifizierte Fachkräfte gewonnen werden sollen, ist eine auf Abwehr ausgerichtete Haltung nicht förderlich und verschreckt gerade auch die mobilen, hochqualifizierten Migranten. Die Einrichtung eines sog. Welcome-Centers – so wie es in Hamburg bereits existiert - ist vielleicht auch als regionales MEO-Angebot sinnvoll. Hier wird ein spezieller Service für qualifizierte Fachkräfte geboten.