Gewerbe- und Industrieflächen

Vorschläge der IHK
  • Ausrichtung einer Flächenkonferenz für die MEO-Region
  • Interkommunale Gewerbeflächen verstärkt über die MEO-Grenzen hinaus fördern
  • Flächenpolitik als strategisch bedeutsames Oberziel politisch verankern
Die MEO-Region besitzt eine lange Tradition als Gewerbe- und Industriestandort und verfügt nach wie vor über ein breites Fundament produzierender Unternehmen. Heute ist die Verbindung von Industrie und Dienstleistung Motor der Entwicklung. Die damit verbundene Anzahl an sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen bei den Unternehmen in Essen, Mülheim an der Ruhr und Oberhausen ist eine wesentliche Grundlage für Wohlstand und Prosperität in der MEO-Region.
Unternehmen benötigen quantitativ ausreichende und anforderungsgerechte Wirtschaftsflächen. Eine zukünftige bedarfsgerechte Bereitstellung von Gewerbe- und Industrieflächen ist deshalb ein wichtiger Aspekt nachhaltiger Stadtentwicklung in der MEO-Region.
Ungeachtet des Rückgangs der Beschäftigtenzahl im gewerblich-industriellen Bereich und des demografischen Wandels ist je nach Branchenstruktur und konjunktureller Entwicklung der Gewerbeflächenbedarf seitens der Unternehmen weiter hoch.
Weitere Nachfrage nach Flächen trotz demografischen Wandels
Das scheint auf den ersten Blick paradox, hat aber einen realistischen Hintergrund. Die Gewerbeflächenentwicklung hat sich von der Beschäftigtenzahl und der Einwohnerentwicklung abgekoppelt. Gründe sind u. a. die Automatisierung der Produktionsprozesse in der Industrie, die zu höherem Flächenverbrauch führt, die Notwendigkeit zu vermehrten Warenausgangs- oder Zwischenlagern bei den Zulieferern des Einzelhandels und z. B. der Automobilindustrie, die Beibehaltung der Warendistribution vom Ursprungsstandort aus nach einer Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland und z. B. Standorterweiterungen und -verlagerungen als Reaktion auf erhöhte Nachfrage bei den am Markt besonders erfolgreichen Unternehmen. Hinzu kommen erhöhte Flächenansprüche für Erschließung durch Straßen, Parkplätze, Entwässerung und Grün. Sowohl bei neuen Flächen für Gewerbe- (GE) als auch für Industriegebiete (GI) beträgt der Infrastrukturanteil inzwischen rd. 24 Prozent. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Studie „Wirtschaftsflächen Ruhr 2009“ der Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH (WMR) zur Gewerbe- und Industrieflächenentwicklung in der gesamten Ruhrregion und ihrer Aktualisierung durch die WMR im Jahr 2011 im Rahmen des Projektes „Gewerbliches Flächenmanagement Ruhr“ errechnet sich unter Berücksichtigung eines Bevölkerungsanteils der MEO-Region an der Gesamtbevölkerung im Ruhrgebiet von 20,6 Prozent für die Städte Mülheim an der Ruhr, Essen und Oberhausen kurz-, mittel- und langfristig (0 bis 15 Jahre) eine Gewerbeflächennachfrage von mindestens 655 Hektar (ha) für die Neuansiedlung von Gewerbe und Industrie: Pro Jahr sind das rd. 44 ha.
Gewerbeflächensituation in der MEO-Region verschärft sich
Tatsächlich sind in der MEO-Region für die Neuansiedlung von Unternehmen in den nächsten 15 Jahren jedoch nur noch 178 ha (2009: 216 ha) unbebaute Flächen planerisch ausgewiesen. Diese stehen zur tatsächlichen Vermarktung allerdings nur dann zur Verfügung, wenn alle Restriktionen, die mit diesen Flächen verbunden sind (Erschließungsbedarf, Aufbereitungsbedarf, topografische Restriktionen, Eigentumsrestriktionen) ausgeräumt werden können. Als restriktionsfrei sind in der MEO-Region aktuell nur 115 ha Flächen für die Neuansiedlung von Gewerbe und Industrie identifiziert worden. Das ist eine besorgniserregend hohe Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage. Das Flächenangebot in der MEO-Region reicht nur noch für etwa vier Jahre unter der Voraussetzung, dass alle die Flächenvermarktung belastenden Restriktionen mittelfristig ausgeräumt werden können. Gelingt dies nicht, ist die Neuansiedlung von Gewerbe und Industrie in der MEO-Region voraussichtlich schon in etwa zweieinhalb Jahren zu Ende.
Flächennotstand nimmt bedrohliche Ausmaße an
Essen, Mülheim an der Ruhr und Oberhausen liegen mit ihrem Angebot noch nicht genutzter Potenzialflächen für die Neuansiedlung von Gewerbe und Industrie im Vergleich zu den Nachbarstädten und Kreisen in der Ruhrregion am unteren Ende der Skala. Die Städte Dortmund (237 ha tatsächlich verfügbarer Potenzialflächen für Gewerbe- und Industrieansiedlung/restriktionsfrei 125 ha), Hamm (187/133), Duisburg (172/117), Gelsenkirchen (170/50) und Bochum (117/89) können zum Teil deutlich mehr Flächen anbieten als Essen. Ein quantitativ besonders großes Flächenreservoir ist in den Kreisen Unna (297/172), Wesel (426/273) und Recklinghausen (583/329) zu finden. Der Flächennotstand ist in der MEO-Region somit deutlich ausgeprägter als in den benachbarten Städten und Kreisen der Ruhrregion.
Das sich in den nächsten 15 Jahren ergebende Flächendefizit in den drei Städten der MEO-Region ist mit 476 ha (Differenz zwischen prognostizierter Nachfrage und Flächenpotenzial) sogar etwas größer als das errechnete Flächendefizit für die gesamte Ruhrregion (471 ha).
Strategie für Gewerbe- und Industrieansiedlung entwickeln
Will die MEO-Region ihre Standortvorteile weiterhin effizient nutzen und sollen die Unternehmen ihren Beitrag zur positiven Entwicklung der Region weiter leisten, sind einerseits vorhandene Betriebsstandorte zu sichern und andererseits Entwicklungsmöglichkeiten für die vorhandenen Unternehmen zu schaffen. Die in der Region gewachsenen Unternehmen sind lokal verankert und oft zugleich weltweit tätig. Ihnen am angestammten Ort zeitgemäße und flexible Standorte für ihre weitere erfolgreiche Tätigkeit bereitzustellen, ist eine entscheidende Rahmenbedingung, die im Wesentlichen kommunalem, und im Rahmen interkommunaler Zusammenarbeit regionalem Einfluss, unterliegt. Andererseits kann ohne ein attraktives Angebot für ansiedlungswillige Unternehmen dem prognostizierten Bevölkerungsrückgang nur unzureichend begegnet werden.
Die Verfügbarkeit einer modernen Telekommunikationsinfrastruktur mit großer Bandbreite für schnellste Internetverbindungen gilt als eine Grundvoraussetzung und wichtiger Standortfaktor für attraktive Gewerbegebiete. In Essen sollen bis zum Jahr 2015 rd. zwölf Mio. Euro jährlich in ein zukunftsfähiges Glasfasernetz investiert werden. Ziel sollte es sein, gerade junge Arbeitskräfte und Unternehmer von Standorten in der MEO-Region überzeugen zu können – das geht nicht ohne schlagkräftige Argumente in Form eines attraktiven Flächenangebotes in guter Lage.
Deshalb, und um im Standortwettbewerb nicht abzufallen, ist auch in der MEO-Region ein zusätzliches qualitativ differenziertes und quantitativ angemessenes Flächenangebot unverzichtbar. Dabei steht die MEO-Region wegen ihrer dichten Besiedelung vor einer besonderen Herausforderung. Konkurrierende Nutzungsanforderungen, wie Sport, Freizeit, Erholung, großflächiger Einzelhandel oder Wohnen, haben ebenfalls einen hohen Stellenwert bei Investoren und drängen oftmals auf die gleichen Flächen wie Gewerbe und Industrie.
Ein Ausbau der begonnenen interkommunalen Zusammenarbeit kann zur Entwicklung neuer gemeinsamer Gewerbe- und Industrieflächen beitragen. Grenzen ergeben sich allerdings dadurch, dass in wenigen Jahren in der gesamten Ruhrregion die Flächenengpässe extrem anwachsen.
Das bedeutet mit Blick auf den in der MEO-Region
bestehenden Flächenengpass: Die Bemühungen, weitere Flächenpotenziale für die Ansiedlung von gewerblichen und industriellen Nutzungen in Essen, Mülheim an der Ruhr und Oberhausen zu entwickeln, müssen verstärkt und als strategisch bedeutsames Hauptziel in den Kommunen der MEO-Region verankert werden. Zusammen mit den Wirtschaftsakteuren in Essen, Mülheim an der Ruhr und Oberhausen müssen Kommunalpolitik und Verwaltung einen gemeinsamen „Suchprozess“ zur Identifizierung von Potenzialflächen, die sich zur Entwicklung von neuen Gewerbe- und Industrieflächen eignen, schnellstmöglich starten. Die IHK wird diesen Prozess anstoßen und bietet sich an, unter Berücksichtigung der städtebaulichen Entwicklungsvorstellungen, als starker Partner eine Flächenkonferenz ins Leben zu rufen. Unter Einbezug von Experten, städtischen und regionalen Wirtschaftsförderungen könnten so Entwicklungsmöglichkeiten ausgelotet werden.