Öffentliches Auftragswesen

Das Vergaberecht enthält Regelungen über das Zustandekommen von Verträgen, mit denen die öffentliche Hand Güter und Leistungen beschafft.
Ziel sind dabei marktgerechter Wettbewerb, transparente Verfahren und die Chancengleichheit der beteiligten Unternehmen. Zum einen müssen Auftraggeber die Regelungen beachten, wenn sie Waren, Dienstleistungen sowie Bauleistungen einkaufen, um damit ihre öffentlichen Aufgaben zu erfüllen. Zum anderen müssen Unternehmen Regeln beachten, um an Vergabeverfahren der öffentlichen Hand teilnehmen zu können. Gleichzeitig bietet das Vergaberecht aber auch Rechtsschutz, wenn es zu Regelverletzungen kommt. Auftraggeber sind nicht nur öffentliche Einrichtungen, sondern können auch private Unternehmen sein, die dem Vergaberecht unterliegen – zum Beispiel bestimmte Energie- oder Verkehrsunternehmen.
Das Vergaberecht für öffentliche Aufträge ist zweigeteilt. Neben den Regelungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), in dem die einschlägigen EU-Vergaberichtlinien umgesetzt wurden, regeln auch die Haushaltsordnungen der Länder die Vergabe öffentlicher Aufträge (in NRW: § 55 LHO NRW). Welche Regelungen im Einzelfall anzuwenden sind, ist vom Auftragsvolumen abhängig. Erreicht das Auftragsvolumen ohne Umsatzsteuer die so genannten EU-Schwellenwerte, gelten die im GWB umgesetzten europäischen Wettbewerbsregeln. Bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte findet das Haushaltsrecht des jeweiligen Bundeslandes Anwendung. Unterhalb der EU-Schwellenwerte regeln die Bundesländer die Vergabe öffentlicher Aufträge in ihrem jeweiligen Haushaltsrecht.
Seit dem 01.01.2024 betragen die EU-Schwellenwerte
  • 5.538.000 EUR bei Bauaufträgen
  • 221.000 EUR bei allgemeinen Lieferungs- und Dienstleistungsaufträgen
  • 143.000 EUR bei Lieferungs- und Dienstleistungsaufträgen der obersten und oberen Bundesbehörden
  • 443.000 EUR bei allen Aufträgen im Sektorenbereich
Diese Werte werden alle zwei Jahre angepasst.

Europäisches Wettbewerbsrecht

Aufträge oberhalb der EU-Schwellenwerte müssen im Wege der öffentlichen Ausschreibung, bei der bestimmte formale Anforderungen und Fristen gelten, europaweit ausgeschrieben werden. Leitende Prinzipien sollen dabei nach § 97 Absatz 1 GWB Wettbewerb und Transparenz sein. Es gilt grundsätzlich ein striktes Gleichbehandlungsgebot für alle am Vergabeverfahren Interessierten. Nach § 97 Absatz 4 GWB sind mittelständische Interessen vornehmlich zu berücksichtigen. Aufträge müssen daher in Fachlose (Aufteilung nach Art oder Unternehmen) und Teillose (Aufteilung der Menge nach) unterteilt werden. Die bietenden Unternehmen müssen fachkundig, leistungsfähig und geeignet sein (§ 122 Absatz 1 GWB).
Weitere Anforderungen an die Auftragsausführung wie umweltfreundliche Produktionsverfahren, Frauenförderung etc. können von öffentlichen Auftraggebern gestellt werden, wenn sie in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und bereits in der Leistungsbeschreibung verlangt wurden. Gemäß § 97 Abs. 3 GWB werden Aspekte der Qualität und Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe des 4. Teils des GWB berücksichtigt. Darüberhinausgehende Anforderungen können nur in den durch Gesetz vorgeschriebenen Fällen vorausgesetzt werden. Den Zuschlag erhält, wer das wirtschaftlichste Angebot abgibt.
Oberhalb der Schwellenwerte sind die Verfahrensvorschriften der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) uneingeschränkt anzuwenden. Zudem ist das Tariftreue- und Vergabegesetz (TVgG) NRW zu beachten. Es kommt bei Vergabeaufträgen mit einem geschätzten Auftragswert von 25.000 EUR (ohne Umsatzsteuer) zur Anwendung. Eine vertragliche Vereinbarung ist dazu notwendig.

Landesrechtliche Regelungen

Bei Auftragsvolumen unterhalb der Schwellenwerte regeln landesrechtliche Vorschriften das Vergabeverfahren. Grundlage in NRW sind die Regelungen der Landeshaushaltsordnung bzw. die Gemeindehaushaltsverordnung, die durch so genannte Runderlasse der Landesregierung konkretisiert werden. So regelt die Vergabe von Bauleistungen die VOB/A in der Fassung von 2019. Und so regelt die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) NRW, die die VOL/A ersetzt hat, dass die Vergabe von öffentlichen Aufträgen für Liefer- und Dienstleistungen durch
  • Öffentliche Ausschreibung,
  • Beschränkte Ausschreibung (mit oder ohne Teilnahmewettbewerb) und
  • Verhandlungsvergabe (mit oder ohne Teilnahmewettbewerb)
erfolgen kann. Dabei stehen dem Auftraggeber die Öffentliche Ausschreibung und die Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb (TNW) nach seiner Wahl zur Verfügung. Die anderen Verfahrensarten, also Verhandlungsvergabe und Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb stehen nur in bestimmten Fällen zur Verfügung (§ 8 Abs. 3 und 4 UVgO NRW).
Zu den Details der UVgO NRW siehe unser Dokument Unterschwellenvergabe.
Zu beachten ist auch das Tariftreue- und Vergabegesetz NRW. Es soll Tariftreue sowie der Einhaltung des Mindestlohns bei Bauleistungen sowie Dienstleistungen ab einem geschätzten Auftragswert von 25.000 EUR (ohne Umsatzsteuer) sichern. Eine vertragliche Vereinbarung ist dazu notwendig.

Präqualifikation

Nachweise und Erklärungen, die im Rahmen des Vergabeverfahrens beizubringen sind, können auch im Wege eines Präqualifikationsverfahrens erbracht werden. Die Präqualifikation ermöglicht es im Rahmen einer vorgelagerten und auftragsunabhängigen Prüfung eine Zertifizierung zu erwerben, die den Bieter grundsätzlich davon entbindet, für jedes Gebot die erforderlichen Nachweise einzeln zu erbringen. Vielmehr genügt es, den Zertifizierungscode anzugeben bzw. eine Kopie des Zertifikats einzureichen. Für NRW wird das Präqualifikationsverfahren zentral bei der IHK Mittlerer Niederrhein durchgeführt. Entsprechende Informationen dazu finden Sie unter www.mittlerer-niederrhein.ihk.de. Für Zertifizierungen im Rahmen der VOB/A ist der Verein zur Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. zuständig (s. dazu http://www.pq-verein.de).

Rechtsschutz für Unternehmen

1. Oberhalb der EU-Schwellenwerte
Ein unmittelbarer Rechtschutz für Unternehmen besteht nur, wenn es sich um Ausschreibungen oberhalb der EU-Schwellenwerte handelt. In diesen Fällen kann der unterlegene Bieter einen Antrag auf Nachprüfung des Verfahrens bei den so genannten Vergabekammern stellen. In NRW sind die Vergabekammern bei den Bezirksregierungen angesiedelt, daneben existiert auch eine Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt. Welche Stelle für das Nachprüfungsverfahren zuständig ist, muss in den Vergabeunterlagen bekannt gemacht werden. Die Vergabekammer entscheidet darüber, ob der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist. Zugleich ordnet sie geeignete Maßnahmen an, um die Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern.
Die Vergabekammer stellt dem öffentlichen Auftraggeber den Antrag des Unternehmens zu. Die Zustellung bewirkt, dass der Auftraggeber den Zuschlag nicht erteilen darf, bis die Vergabekammer über den Antrag entschieden hat und die anschließende Beschwerdefrist von zwei Wochen abgelaufen ist. Einen bereits erteilten Zuschlag kann die Vergabekammer grundsätzlich nicht aufheben. Der Auftrag ist dann rechtsverbindlich vergeben. Dem unterlegenen Bieter bleibt dann lediglich, auf Ersatz des ihm durch die Verletzung von Vergabevorschriften entstanden Schaden zu klagen. Die Gebühr für das Verfahren bei der Vergabekammer beträgt mindestens 2.500 Euro, je nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit und dem damit verbundenen Aufwand.
Gegen die Entscheidung der Vergabekammer kann innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung der Entscheidung sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht erhoben werden. Der Vergabesenat beim Oberlandesgericht ist die einzige gerichtliche Instanz, die über Ansprüche nach § 97 Absatz 6 GWB entscheidet, wobei sich Einzelheiten des Verfahrens aus § 171 ff. GWB ergeben. Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer, sodass der öffentliche Auftraggeber weiterhin an der Erteilung des Zuschlags gehindert ist.
2. Unterhalb der EU-Schwellenwerte
Unterhalb der EU-Schwellenwerte gibt es kein speziell geregeltes Nachprüfungsverfahren. Der Rechtsschutz richtet sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln. Zuständig ist in aller Regel das Landgericht. Vor Zuschlagserteilung kann dort versucht werden, dem Auftraggeber im Wege einer einstweiligen Verfügung zu verbieten, den Zuschlag zu erteilen. Ein Anspruch darauf kann sich aus einer Verletzung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben. Ist der Zuschlag schon erteilt, so bleibt dem übergangenen Bieter nur die Klage auf Ersatz seines Schadens. Der Schadensersatz umfasst den Aufwand, der ihm durch die vergebliche Bemühung um den Auftrag entstanden ist. Der Schadensersatz kann auch den entgangenen Gewinn umfassen, wenn der Bieter nachweist, dass ihm bei ordnungsgemäßem Ablauf des Vergabeverfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen.

Sonstige Regelungen

Um zu verhindern, dass Unternehmen die Möglichkeit des Nachprüfungsverfahrens missbräuchlich in Anspruch nehmen, verpflichtet § 180 GWB die Unternehmen zum Ersatz desjenigen Schadens, der dem Auftraggeber oder einem anderen Beteiligten durch einen Missbrauch des Antrags- oder Beschwerderechts entstanden ist (sog. Missbrauchsklausel).
Hat der Auftraggeber gegen Vorschriften zum Schutz des Unternehmens verstoßen und hätte das Unternehmen anderenfalls bei der Wertung der Angebote eine echte Chance gehabt, den Zuschlag zu erhalten, kann das betroffene Unternehmen Schadensersatz für die Kosten der Vorbereitung des Angebots oder der Teilnahme am Vergabeverfahren verlangen. Bei entsprechenden Voraussetzungen kann auch der entgangene Gewinn als Schadensersatz geltend gemacht werden.

Veröffentlichung von Ausschreibungen

Ein vollständiges Verzeichnis über öffentliche Aufträge gibt es nicht. Hinweise auf Ausschreibungen finden sich allerdings regelmäßig auf der europäischen Plattform TED, den Amtsblättern der Gemeinden und auf dem Online-Portal "NRW-Vergabemarktplatz", siehe unten. Hier findet man auch die maßgeblichen Vergabe- und Preisvorschriften sowie Informationen zu den Vergabekammern und weiterführende Links.

Vergabeplattformen

Einige Links zu Vergabeplattformen finden Sie in unserem Dokument Vergabeplattformen.
Stand: Februar 2025