Mobbingvorwürfe alleine reichen nicht aus

Mobbingvorwürfe sind im Arbeitsleben mittlerweile geradezu alltäglich. Arbeitgeber sehen sich häufig dem Vorwurf ausgesetzt, nicht genug gegen das „Mobben“ eines Arbeitnehmers durch andere getan zu haben. Ob und ggf. wann solche Vorwürfe einen Schadenersatzanspruch gegen einen Arbeitgeber begründen können, war Gegenstand eines Verfahrens vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein, das die dahingehende Klage einer Zahnarzthelferin abwies (Urteil vom 11.10.2023, AZ 6 Sa 48/23).

Sachverhalt

Die Klägerin war seit 1998 Angestellte in einer Zahnarztpraxis.
In dem Verfahren behauptete die Klägerin eine erhebliche und systematische Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts, vor allem durch zwei Kolleginnen, die die ihr aufgrund langer Betriebszugehörigkeit faktisch zustehende Weisungsbefugnis nicht respektiert hätten. Diese hätten Konflikte geschürt, um sie schlecht dastehen zu lassen. Sie sei von den beiden Kolleginnen wegen ihrer polnischen Herkunft und ihres katholischen Glaubens gehänselt worden. Diese hätten bewusst und lautstark falsche Behauptung über ihre angeblichen Fehler verbreitet. Am 18.11.2021 kam es zu einem Gespräch mit dem Beklagten, in dem es um Teezubereitung durch die Klägerin während der Arbeitszeit ging. Am Tag nach diesem Gespräch meldete sich die Klägerin arbeitsunfähig. Am 22.11.2021 fand auf Initiative des Beklagten ein Gespräch mit der Klägerin zu dem Konflikt mit den Kolleginnen statt; am folgenden Tag sprach er die Kolleginnen darauf in der Teambesprechung an. Am 24.11.2021 kündigte der Beklagte dann das Arbeitsverhältnis.
Beklagte habe nichts gegen die Persönlichkeitsverletzungen unternommen
In dem Verfahren, in dem die Klägerin ein „Schmerzensgeld“ von mindestens 40.000,- € forderte, trug sie vor, der Beklagte habe nichts gegen die Persönlichkeitsverletzungen unternommen. Sie habe sich bereits im Jahr 2020 sowie im Jahr 2021 aufgrund der unerträglichen Situation an den Beklagten gewandt, der aber nicht gegen die Persönlichkeitsverletzungen vorgegangen sei. Ihre Arbeitsunfähigkeit sei auf das Mobbing durch die Kolleginnen zurückzuführen. Die von ihr vorgelegten Atteste indizierten eine „Mobbingkonstellation“. Nach Auffassung der Klägerin war der Beklagte verpflichtet, die Klägerin vor den (angeblichen) Persönlichkeitsverletzungen zu schützen. In einem Kleinbetrieb wie der Praxis des Beklagten liege es aufgrund des langen Zeitraums und der Art und Umstände der Handlungen nach der Lebenserfahrung auf der Hand, dass der Beklagte von den wesentlichen Mobbinghandlungen gewusst habe. Die Klage der Klägerin, die durch drei Instanzen erfolglos gegen ihre Kündigung vorgegangen war, wurde zunächst vom Arbeitsgericht, nachfolgend vom Landesarbeitsgericht abgewiesen.

Die Entscheidung des LAG

Das LAG stellt zunächst fest, dass „Mobbing“ kein Rechtsbegriff ist und damit auch keine mit einer Rechtsnorm vergleichbare selbständige Anspruchsgrundlage darstelle. Es müsse daher immer geprüft werden, ob eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten oder von sonstigen Rechten des Arbeitnehmers vorliege.
Die Klägerin sei nach allgemeinen Grundsätzen für die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig. „Daraus folgt“, so das LAG wörtlich „, dass [die Klägerin] im Rechtsstreit die einzelnen Handlungen oder Maßnahmen, aus denen sie die angebliche Pflichtverletzung herleitet, konkret unter Angabe deren zeitliche Lage zu bezeichnen hat.“ Das war der Klägerin nach Auffassung des LAG nicht gelungen. Eine Pflichtverletzung des Beklagten sei, anders als die Klägerin meine, nicht bereits dadurch bewiesen, dass sie krankgeschrieben worden sei. Selbst wenn ein „mobbingtypischer“ Befund festgestellt werde, stehe damit nicht fest, dass die (angeblichen) Mobbing-Handlungen kausal für den medizinischen Befund seien. Erst recht sei nicht bewiesen, dass es überhaupt zu Mobbinghandlungen gekommen sei.
Es könne hier weder festgestellt werden, dass der Beklagte selbst durch aktives Tun in die Persönlichkeitsrechte der Klägerin eingegriffen habe, noch, dass er die Klägerin nicht ausreichend vor etwaigen Mobbinghandlungen geschützt und damit seine Fürsorgepflicht verletzt habe.
Zwar sei ein Arbeitgeber aufgrund der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht verpflichtet, Arbeitnehmer vor sog. Mobbing durch Kollegen oder Vorgesetzte zu schützen. Der Beklagte haben gegen diese Schutzpflicht aber nicht erwiesenermaßen schuldhaft verstoßen. Ein solcher Verstoß käme nur in Betracht, so das Gericht weiter, wenn der Beklagte von den angeblichen Persönlichkeitsrechtsverletzungen gewusst habe. Die Klägerin habe nicht detailliert und unter zeitlicher Einordnung dargelegt, worüber sie den Beklagten vor dem Gespräch am 22.11.2021 wann informiert haben wolle. Nachdem der Beklagte in diesem Gespräch Details erfahren habe, habe er bereits am Folgetag mit den Kolleginnen der Klägerin gesprochen. Untätigkeit könne man ihm also nicht vorwerfen. Auch gebe es keine allgemeine Lebenserfahrung, dass Inhaber eines kleineren Betriebs „wesentliche Mobbinghandlungen“ unter Mitarbeitern mitbekommen müssten.
Praxishinweis: Arbeitgeber sind aufgrund ihrer arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht verpflichtet, Arbeitnehmer vor Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Mobbing zu schützen. Erfährt ein Arbeitgeber von solchen Vorwürfen, sollte er daher umgehend den Sachverhalt klären und die notwendigen arbeitsrechtlichen Maßnahmen (Abmahnung, ggf. auch Kündigung des „mobbenden Kollegen“) ergreifen, wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten, ansonsten könnte er sich schadenersatzpflichtig machen.