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Verträge unter nahen Angehörigen

Wenn sich fremde Personen als Vertragspartner gegenüberstehen, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass der Vertragsabschluss von Interessensgegensätzen gekennzeichnet ist: Jede Partei will die für sie günstigsten Bedingungen und Verhältnisse durchsetzen.
Verträge unter nahen Angehörigen dagegen sind vielfach nicht von solchen Gegensätzen geprägt, sondern werden oft aufgrund familiärer Erwägungen geschlossen und sind häufig nicht ausgewogen. 
Anders als Rechtsgeschäfte unter Fremden sind Angehörigen-Verträge vielmals nicht auf den wirtschaftlichen Austausch von Leistungen, sondern auf die Erlangung steuerlicher Vorteile gerichtet. 
Sie bieten sich beispielsweise an, um Einkünfte auf den anderen zu verlagern, der eben keine oder nur geringe sonstige Einkünfte erzielt. Handelt es sich indessen um nicht betrieblich veranlasste Aufwendungen, sind die Ausgaben nicht abziehbare Kosten der privaten Lebensführung und dürfen steuerrechtlich nicht berücksichtigt werden.
Der Steuerpflichtige bewegt sich also bei dieser Art der Vertragsbeziehung zwischen seiner steuerrechtlich-wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit und dem Tatbestand des Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten.
1. Steuerrechtliche Vorteile
Unstreitig dürfte sein, dass jeder Steuerpflichtige das legitime Ziel anstrebt, wenig Steuern zu zahlen. Dies kann u. a. dadurch erreicht werden, dass das Finanzamt möglichst viele Aufwendungen im Rahmen einer Einkunftsart als Betriebsausgaben/Werbungskosten anerkennt.
Beispielsweise arbeitet der geringvermögende und einkommenslose Ehegatte stundenweise im Einzelunternehmen des anderen mit und wird dafür entlohnt. Das Stundenhonorar (ggf. inkl. Sozialabgaben) wird als Betriebsausgabe gebucht, mindert daher den Gewinn des Einzelunternehmens und ist somit einkommensteuer- und auch ggf. gewerbesteuerrechtlich vorteilhaft.
Der Zufluss des Geldes führt beim Empfänger zu steuerbaren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die sich steuerrechtlich nicht oder nur gering auswirken.
Ähnliche Konstellationen sind bei Miet-, Darlehens- und Gesellschaftsverträgen denkbar.
Solche Verträge werden von den Finanzbehörden besonders kritisch geprüft und unterliegen strengen Anforderungen für ihre steuerrechtliche Anerkennung.
2. Der Begriff des nahen Angehörigen
In § 15 Abgabenordnung (AO) ist vom Gesetzgeber definiert, was für das Steuerrecht unter dem Begriff der Angehörigen zu verstehen ist.
Angehörige sind in erster Linie:
  • der Verlobte
  • der Ehegatte oder Lebenspartner,
  • Verwandte und Verschwägerte gerader Linie,
  • Geschwister, 
  • Kinder der Geschwister, 
  • Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner, 
  • Geschwister der Eltern,  
  • Personen, die durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind (Pflegeeltern und Pflegekinder).
3. Grundsätze für die steuerrechtliche Anerkennung
Regelmäßig treten bei steuerlichen Gestaltungen zwischen nahen Angehörigen zwei Problemkreise auf: Zum einen besteht das Problem der steuerlichen Anerkennung dem Grunde nach, zum anderen ist die angemessene Höhe der Vergütung/des Entgelts problematisch.
Die Rechtsprechung des BFH hat folgende Grundsätze für eine steuerrechtliche Anerkennung aufgestellt:
a. Wirksamkeit des Vertrags
Der Vertrag muss zivilrechtlich wirksam sein. Das bedeutet, dass gesetzliche Formvorschriften - wie bei Verträgen zwischen fremden Dritten - einzuhalten sind (Beispiele: Schriftlichkeit, notarielle Beurkundung etc.) .
Die Verträge müssen klar und ernstlich gewollt und dürfen nicht nur zum Schein abgeschlossen sein. Selbstredend darf die inhaltliche Gestaltung nicht gegen die guten Sitten oder gegen Gesetze verstoßen.
b. Durchführung des Vertrags
Der Vertrag muss tatsächlich durchgeführt und vollzogen werden, d.h. es muss feststehen, dass die vereinbarten (Dienst)- Leistung einerseits und Entlohnung/Entgeltlichkeit andererseits - tatsächlich erbracht werden.
c. Fremdvergleich
Der Vertrag muss inhaltlich einem Fremdvergleich standhalten: der Vertrag muss so ausgestaltet sein, wie er auch zwischen fremden Personen formuliert worden wäre. Dabei ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten maßgebend. Allerdings schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen gleich eine steuerrechtliche Anerkennung aus!
4. Beispiel: Arbeitsverträge zwischen Ehegatten / zwischen Eltern und ihren Kindern
Die steuerrechtliche Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses setzt ein arbeitsrechtliches Beschäftigungsverhältnis voraus.
Zu beachten ist allerdings, dass zwischen nahen Angehörigen in der Regel eine gewisse Verpflichtung zur familiären Mitarbeit besteht:
So ist z.B. “das Kind, solange es dem elterlichen Hausstand angehört und von den Eltern erzogen oder unterhalten wird, verpflichtet, in einer nach seinen Kräften und seiner Lebensstellung entsprechenden Weise den Eltern in ihrem Hauswesen und Geschäften Dienste zu leisten” (§ 1619 BGB).
Zahlungen für derartige „familiäre Dienstleistungen” sind daher weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten; ebenso wenig führen sie beim Zahlungsempfänger zu steuerbaren Einkünften.

Der Fremdvergleich wird bei dem tatsächlich durchgeführten Arbeitsverhältnis in der Regel durch einen betriebsinternen Vergleich mit fremden Arbeitnehmern vorgenommen. Bei dem Arbeitsverhältnis müssen besondere Vereinbarungen wie Versorgungsleistungen, Heirats- und Geburtsbeihilfe und Weihnachtsgratifikationen (auch) an den im Unternehmen beschäftigten Angehörigen ausgezahlt und als Betriebsausgaben in Ansatz gebracht werden. Der Arbeitslohn muss angemessen sein.
Ein unangemessenes hohes Gehalt führt jedoch nicht zur gänzlichen Versagung der steuerlichen Anerkennung. Lediglich der Betrag, der nicht mehr angemessen erscheint, wird nicht anerkannt: Dieser kann dann daher einerseits nicht als Betriebsausgabe angesetzt werden, andererseits muss der Angehörigen-Arbeitnehmer diesen Betrag nicht versteuern.
Darüber hinaus ist für eine steuerliche Akzeptanz wichtig, dass grundsätzlich Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abgezogen werden.
Eine Auszahlung des Arbeitslohns muss zu den üblichen Lohnzahlungszeitpunkten (Monat, Woche, Tag) auch tatsächlich vorgenommen werden. Das Gehalt muss den betrieblichen Bereich verlassen und in den alleinigen Einkommens- und Vermögensbereich des Angehörigen- Arbeitnehmer gelangen, so dass dieser frei über sein Gehalt verfügen kann.
Dabei ist es nach dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG vom 07.11.1995, Az. 2 BvR 802/90) steuerunschädlich, wenn die Überweisung der Gehaltszahlungen auf ein Konto erfolgt, über das der entlohnte Ehegatte keine alleinige Verfügungsberechtigung hat. Es reicht aus, wenn er diese mit seinem Ehegatten zusammen innehat (sog. Oder- Konto).
5. Praxishinweise 
Auch wenn die Schriftform eines Vertrages von Gesetzes wegen nicht vorgeschrieben ist, ist es gerade aufgrund der besonderen Nähe der Vertragsparteien unbedingt empfehlenswert, die Schriftform zum Zwecke des besseren Nachweises zu wählen. Im Streitfall ist der Steuerpflichtige nämlich gegenüber dem Finanzamt feststellungs- und beweispflichtig; der Vertrag muss vor oder zu Beginn des Vertragsverhältnisses geschlossen werden, da ein rückwirkender Vertrag nicht anerkannt wird; die vertraglichen Hauptleistungspflichten, also die elementaren Pflichten von Leistung und Gegenleistung, sollten inhaltlich festgelegt werden.
        Exkurs 
        Sozialversicherungsrechtliche Anerkennung von Verträgen unter nahen Angehörigen –  Statusfeststellungsverfahren gem. § 7 a SGB IV
Auch bei Arbeitsverträgen unter nahen Angehörigen besteht die Sozialversicherungspflicht! 
Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. 
Die Einzugsstelle hat (ist also verpflichtet!) einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte u.a. Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers ist.
ACHTUNG:
Wenn die Einstufung als Beschäftigungsverhältnis aberkannt wird, können die von dem Unternehmen abgeführten Beiträge für die Arbeitslosenversicherung bis zur Verjährungsgrenze von vier Jahren zurückgezahlt werden müssen. Dies führt unter Umständen auch dazu, dass ein Familienangehöriger nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I oder II hat.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. 
Einzelheiten und weitere Informationen auf der Internetseite der Deutschen Rentenversicherung  Bund 
        Exkurs Ende
Hinweise
Im Rahmen des geltenden Rechts sind Verträge unter nahen Angehörigen eine attraktive Gestaltungsmöglichkeit, wirtschaftliche Dispositionsfreiheiten steueroptimierend zu nutzen. Ein "Patentrezept” der richtigen Vertragsgestaltung für eine steuerliche Anerkennung ist jedoch aufgrund der vielfältigen und individuellen Sachverhaltsvarianten unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse nicht möglich; dies zeigt auch die mannigfaltige Rechtsprechung auf diesem Gebiet.
Da die Finanzverwaltung in der Regel jeden Vertrag unter nahen Angehörigen sehr genau prüft, sollten alle Vereinbarungen klar, ernstlich gewollt und schriftlich fixiert sein, tatsächlich durchgeführt werden und dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen.
Wir empfehlen Ihnen , für Ihre steuerlichen Pflichten und Gestaltungsmöglichkeiten bei den Planungen unbedingt einen Steuerberater hinzuzuziehen!

März 2024