Neue Impulse für nachhaltige Mobilität in Städten
Nahezu 50 deutsche Städte überschreiten die europäischen Luftqualitätsvorgaben für Stickstoffdioxid (NO2). Ein Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge soll Abhilfe schaffen. Stuttgart will ein temporäres Verbot ab 2018 umsetzen. München, Düsseldorf oder Berlin könnten folgen. Die Bundesregierung diskutiert über eine Blaue Plakette zur Kennzeichnung vergleichsweise emissionsarmer Fahrzeuge. Anderen Fahrzeugen könnten die Städte damit die Einfahrt in Umweltzonen verbieten.
Fahrverbote: für die Wirtschaft die teuerste Option
Mehr als zwei Drittel aller gewerblich genutzten Pkw verwenden Diesel als Treibstoff. Anders als der Berufs- oder Freizeitverkehr können Unternehmen selten auf öffentliche Verkehrsmittel oder Fahrräder ausweichen, denn sie müssen Waren, Material oder Werkzeuge transportieren. Entsprechend kommen Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge die Betriebe teuer zu stehen: Da bisher keine wirtschaftlichen Nachrüstlösungen zur NO2-Minderung bereitstehen, müssten sie zumindest Teile ihrer Flotte gegen neue Fahrzeuge austauschen. Die aktuell diskutierte Einführung einer Blauen Plakette ab 2020 in deutschen Umweltzonen könnte die Wirtschaft so mehr als fünf Milliarden Euro kosten.
Umweltzonen: effektiv, doch langfristig wenig nachhaltig
Befürworter von Fahrverboten argumentieren, dass es sehr effektiv sei, ältere Diesel-Pkw auszuschließen, denn diese sind für durchschnittlich fast 70 Prozent der verkehrsbedingten NO2-Immissionen in Städten verantwortlich. Würden alte Dieselfahrzeuge durch neuere, emissionsärmere Pkw ersetzt, würde auch die Immissionsbelastung in Städten schnell sinken. Gegen die Umweltzonen spricht jedoch ihre geringe Nachhaltigkeit. Denn der erzwungene Austausch alter Fahrzeuge zieht den technischen Fortschritt nur wenige Jahre vor. Die Erfahrung mit der Grünen Plakette zeigt: Schon nach fünf Jahren können zwischen Städten mit und ohne Umweltzone kaum noch Unterschiede in der Altersstruktur der Fahrzeuge festgestellt werden. Vor allem aber sind Umweltzonen kein geeignetes Gegenmittel für Stau-, Lärm- oder Parkplatzprobleme.
Mobilitätswende durch Digitalisierung und Elektrifizierung
Was sind die Alternativen zu Fahrverboten? Große Potenziale liegen in einem starken öffentlichen Nah- sowie Radverkehr. Doch in den letzten zehn Jahren haben nur 0,7 Prozent mehr Menschen statt des Autos Bus, Bahn oder Rad genutzt. Um diese Alternativen attraktiver zu machen, müssten deutlich mehr Gelder in die Infrastrukturen dieser Verkehrsmittel fließen.
Auch Elektroautos bewegen sich nahezu lautlos und emissionsfrei durch die Stadt. Unternehmen sind hier Innovationstreiber: Mehr als 70 Prozent der Neuzulassungen gehen auf ihr Konto. Doch Elektromobilität wird sich erst dann durchsetzen können, wenn Städte und Gemeinden öffentlichen Ladesäulen-Infrastrukturen und Carsharing-Angeboten ausreichend Raum bieten.
Neben der Elektrifizierung werden digitale Lösungen den Verkehr verändern. Die intelligente Steuerung von Ampelanlagen, Parkräumen oder Lieferverkehr kann den Stau- und Parkdruck in Städten um bis zu 30 Prozent reduzieren. Geringere Standzeiten und flüssigerer Verkehr mindern nicht nur Luft- und Lärmbelastung in Städten, sie senken gleichzeitig Kosten für Unternehmen. Mobile Informationstechnologien werden es in Zukunft möglich machen, Angebote wie Bus, Bahn, Leihfahrrad oder Carsharing besser miteinander zu kombinieren und die schnellste Verbindung für den Nutzer zu suchen. Solche Lösungen können jedoch nur greifen, wenn Unternehmen mit Verwaltungen, Verkehrsanbietern und Nutzergruppen in Städten zusammenarbeiten. Hier sollten Städte Türöffner für innovative Ansätze werden.
Vorfahrt für nachhaltige Mobilitätskonzepte
Mit neuen Fahrverboten in alten Umweltzonen können Städte allenfalls kurzfristig die Luftqualität verbessern, nicht jedoch langfristig ihre Verkehrs- und Umweltprobleme lösen. Deshalb sollten sie sich neuen, nachhaltigen Ansätzen zuwenden. Diese bergen nicht nur Vorteile für die Umwelt, sondern verbessern auch die Attraktivität von Städten insgesamt. Davon würde auch die Wirtschaft profitieren. Fahrverbote dagegen würden besonders den Wirtschaftsverkehr treffen, mit schwerwiegenden Konsequenzen für Unternehmen.
Ansprechpartner: Hauke Dierks, DIHK Berlin, Telefon 030 20308-2208