Ergebnisse der Umfrage

Energiewendebarometer 2024

Hohe Preise und fehlende Planbarkeit der Energieversorgung sind für die Unternehmen am Standort Deutschland mehr denn je ein Produktions- und Investitionshemmnis. Das zeigt das bundesweite IHK-Energiewende-Barometer, mit dem die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) seit 2012 die Einschätzungen von rund 3.300 Unternehmen aus der Breite der deutschen Wirtschaft abbildet.
Vor allem der Abwanderungstrend bei den Industrieunternehmen verfestigt sich. Aktuell erwägen vier von zehn Industriebetrieben, ihre Produktion am Standort Deutschland wegen der Energiesituation einzuschränken oder ins Ausland zu verlagern. Bei den Industrieunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern denken inzwischen sogar mehr als die Hälfte darüber nach. „Das Vertrauen der deutschen Wirtschaft in die Energiepolitik ist stark beschädigt. Der Politik ist es bisher nicht gelungen, den Unternehmen eine Perspektive für eine zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung aufzuzeigen. Das gilt insbesondere für die Industrie”, fasst der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks die Ergebnisse zusammen. „Während in den Jahren vor 2023 viele Unternehmen auch Chancen in der Energiewende für den eigenen Betrieb sahen, überwiegen zuletzt aus ihrer Sicht deutlich die Risiken.“

Die zentrale Frage des Energiewende-Barometers ist: “Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der Energiewende auf die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens?” Auf einer Skala von minus 100 für „sehr negativ“ bis plus 100 für „sehr positiv“ ergibt sich aktuell über alle Branchen hinweg ein Wert von minus 20. Das ist der zweitschlechteste Wert in der Geschichte des Energiewendebarometers. Nur im Vorjahr lag der Wert mit minus 27 noch niedriger. In den ersten zehn Jahren seit Erhebung des Energiewendebarometers im Jahr 2012 hatte sich der Stimmungswert immer in der Bandbreite zwischen plus 1 und minus 13 bewegt. Aktuell bewertet die energieintensive Industrie die Energiewende mit einem Durchschnittswert von minus 34 am kritischsten. Insbesondere in den traditionell starken Industrieregionen im Westen und Süden überwiegen die Sorgen über zuverlässige Energieversorgung und Standortkosten. Aber auch sämtliche andere Branchenwerte befinden sich im Minus. Die im Vor-
jahresvergleich leicht besseren Barometerwerte beruhen vor allem auf den Rückmeldungen der Dienstleister.

Energiekosten als Investitionsbremse
Die hohen Energiepreise beeinträchtigen auch die Investitionstätigkeiten der Betriebe und damit deren Innovationsfähigkeit. So geben mehr als ein Drittel der Industriebetriebe an, wegen der hohen Energiepreise aktuell weniger in betriebliche Kernprozesse investieren zu können. Ein Viertel kann sich nach eigenen Angaben mit weniger Mitteln im Klimaschutz engagieren, und ein Fünftel der Industrieunternehmen muss Investitionen in Forschung und Innovation zurückstellen. Insgesamt sehen zwei Drittel der Industriebetriebe ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr. „Neben der geplanten Produktionsverlagerung besteht hier eine weitere akute Gefahr für den Industriestandort Deutschland.

Bürokratie und fehlende Planbarkeit als Transformationshemmer
Bei den konkreten Transformationshemmnissen liegen zu viel Bürokratie eng gefolgt von fehlender Planbarkeit auf den ersten Plätzen. Fast zwei Drittel der Unternehmen fühlen sich hierdurch ausgebremst. „Die Unternehmen sehen sich mit Vorgaben konfrontiert, die in der Praxis viel Zeit und damit Ressourcen kosten und dann für Transformation und Innovation fehlen“, so Dercks. „Das beabsichtigte Gegensteuern der Bundesregierung durch Abbau von Bürokratie und Beschleunigung von Genehmigungsprozessen schlägt sich bislang nicht spürbar in der betrieblichen Praxis nieder. Der DIHK-Beschleunigungsmonitor zeigt dann auch eindeutig, dass die Politik bisher weit hinter den selbst gesteckten Zielen zurückbleibt.“

Das Barometer finden Sie auf der Website der DIHK unter: www.dihk.de/energiewende-barometer.

In Nordrhein-Westfalen zeigt sich die Wirtschaft im Spannungsfeld zwischen Nachhaltigkeit und Wettbewerbsdruck. Über 83 Prozent der befragten Unternehmen in Nordrhein-Westfalen planen, bis spätestens 2045 klimaneutral zu wirtschaften; 21 Prozent planen dieses Ziel bereits 2030 zu erreichen. Eine Vorreiterrolle in Sachen Klimaneutralität nehmen insbesondere die Unternehmen der Handelsbranchen ein. Hier verfolgen über 90 Prozent der Unternehmen das ambitionierte Ziel, bis 2045 treibhaugasneutral zu sein.
Rund 23 Prozent der antwortenden Unternehmen haben bereits eigene Kapazitäten zur Erzeugung erneuerbarer Energien aufgebaut und nutzen die erzeugte Energie bzw. speisen diese in das Stromnetz ein. Weitere 25 Prozent planen entsprechende Maßnahmen. Besonders Industrieunternehmen, die vielfach einen hohen Energiebedarf besitzen, zeigen hier verstärktes Engagement.
Doch trotz des umfassenden Engagements wiegen die Herausforderungen der Energiewende für viele Unternehmen schwer. Gerade die im Vergleich zu internationalen Wettbewerbern hohen Energiepreise belasten die Unternehmen im Zuge der Transformation hin zu einer klimaneutralen Energieversorgung stark. Rund 39 Prozent der Unternehmen sehen ihre Wettbewerbsfähigkeit durch die hohen Energiepreise gefährdet. Gleichzeitig besitzen die Unternehmen bei der Einsparung von Energie immer weniger Spielraum. Bereits in den vergangenen Jahren wurden Einsparpotenziale von den Unternehmen durch Effizienzsteigerungen ausgeschöpft. Neben den hohen Kosten sind es vor allem die hohen bürokratischen Anforderungen und die fehlende Planbarkeit, die die Unternehmen vor Herausforderung beim Bau und Betrieb eigener EE-Kapazitäten stellen. Rund zwei Drittel (62 Prozent) der antwortenden Unternehmen sehen in der überbordenden Bürokratie die größte Hürde für eine erfolgreiche Energiewende. Weitere Hemmnisse werden in fehlenden Informationen sowie der geringen Planbarkeit und Verlässlichkeit der gegenwärtigen Energiepolitik gesehen.

Die Ergebnisse des IHK-Energiewendebarometers 2024 für Nordrhein-Westfalen finden Sie hier.