Aus- und Weiterbildung

Gestreckte Abschlussprüfung

Gestreckte Abschlussprüfung - Was heißt das praktisch?


Ein Leitfaden
Die gestreckte Abschlussprüfung wird bereits seit vielen Jahren erfolgreich in verschiedenen Ausbildungsberufen durchgeführt. Sie ist in § 37 Abs. 1 und 2 Berufsbildungsgesetz geregelt. 
Gesetzestext BBiG:
 § 37 Abschlussprüfung
(1)
In den anerkannten Ausbildungsberufen sind Abschlussprüfungen durchzuführen. Die Abschlussprüfung kann im Falle des Nichtbestehens zweimal wiederholt werden. Sofern die Abschlussprüfung in zwei zeitlich auseinander fallenden Teilen durchgeführt wird, ist der erste Teil der Abschlussprüfung nicht eigenständig wiederholbar.
(2) Dem Prüfling ist ein Zeugnis auszustellen. Ausbildenden werden auf deren Verlangen die Ergebnisse der Abschlussprüfung der Auszubildenden übermittelt. Sofern die Abschlussprüfung in zwei zeitlich auseinander fallenden Teilen durchgeführt wird, ist das Ergebnis der Prüfungsleistungen im ersten Teil der Abschlussprüfung dem Prüfling schriftlich mitzuteilen.
(3) Dem Zeugnis ist auf Antrag des Auszubildenden eine englischsprachige und eine französischsprachige Übersetzung beizufügen. Auf Antrag des Auszubildenden ist das Ergebnis berufsschulischer Leistungsfeststellungen auf dem Zeugnis auszuweisen. Der Auszubildende hat den Nachweis der berufsschulischen Leistungsfeststellungen dem Antrag beizufügen.
(4) Die Abschlussprüfung ist für Auszubildende gebührenfrei.
Die gestreckte Abschlussprüfung besteht aus zwei zeitlich auseinander fallenden Teilen. Die bisherige Zwischenprüfung wird aufgewertet, indem das Ergebnis der Teil 1-Prüfung in das Gesamtergebnis der Abschlussprüfung einfließt. Je nach Beruf, liegt der Anteil am Gesamtergebnis zwischen 20 und 40 Prozent. 
Die gestreckte Prüfung ist so gestaltet, dass der Prüfling rechnerisch die Abschlussprüfung im Gesamtergebnis noch bestehen kann, auch wenn in Teil 1 keine ausreichenden Leistungen erzielt werden konnten. 
Bei der Umsetzung dieser Prüfungsstruktur stellen sich einige praktische Fragen, die mit diesem Leitfaden beantwortet werden sollen.
Wie sieht der rechtliche Rahmen aus? 
Die rechtlichen Bestimmungen sind grundsätzlich wie bisher anzuwenden (siehe Prüfungsordnung der zuständigen IHK). Die Abschlussprüfung ist eine Einheit, d.h. Teil 1 und Teil 2 gehören zwingend zusammen, auch wenn die Prüfungsleistungen zu unterschiedlichen Terminen erbracht werden. 
Wann findet die Teil 1-Prüfung statt? 
Die Prüfung bezieht sich auf die in der Ausbildungsordnung angegebenen Inhalte (z. B. die Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten der ersten 15 oder 18 Monate). Alternativ können auch Zeitfenster angegeben sein wie z. B. Mitte des zweiten Ausbildungsjahres oder vor dem Ende des zweiten Ausbildungsjahres.
Der bundeseinheitlich festgelegte Termin für die Teil 1-Prüfung orientiert sich an diesem Zeitraum und Teil 1 findet üblicherweise zu den bisherigen Zwischenprüfungsterminen statt, also im Frühjahr bzw. Herbst eines Jahres. Es gibt aber auch Berufe, die einen Prüfungstermin im Rahmen der Sommer- oder Winterprüfung haben und somit Inhalte von mehr als 18 Monaten geprüft werden. Dies sind häufig Berufe aus den Branchen, die über einen zweijährigen und dreijährigen Ausbildungsberuf verfügen (z. B. Einzelhandel oder Schutz und Sicherheit).
Ist für Teil 1 und Teil 2 jeweils eine Zulassung erforderlich? 
Ja. Ein separates Zulassungsverfahren ist formal erforderlich, um einen reibungslosen und einwandfreien Prüfungsablauf zu gewährleisten. Es ist in § 44 Berufsbildungsgesetz geregelt. 
Gesetzestext BBiG:
§ 44 Zulassung zur Abschlussprüfung bei zeitlich auseinander fallenden Teilen
(1) Sofern die Abschlussprüfung in zwei zeitlich auseinander fallenden Teilen durchgeführt wird, ist über die Zulassung jeweils gesondert zu entscheiden.
(2) Zum ersten Teil der Abschlussprüfung ist zuzulassen, wer die in der Ausbildungsordnung vorgeschriebene, erforderliche Ausbildungsdauer zurückgelegt hat und die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Nr. 2 und 3 erfüllt.
(3) Zum zweiten Teil der Abschlussprüfung ist zuzulassen, wer 
  1. über die Voraussetzungen des § 43 Absatz 1 hinaus am ersten Teil der Abschlussprüfung teilgenommen hat,
  2. auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 5 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2b von der Ablegung des ersten Teils der Abschlussprüfung befreit ist oder
  3.  aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, am ersten Teil der Abschlussprüfung nicht teilgenommen hat.
Im Fall des Satzes 1 Nummer 3 ist der erste Teil der Abschlussprüfung zusammen mit dem zweiten Teil abzulegen.
Anders als bei der bisherigen Zwischenprüfung erhalten daher die Unternehmen auch zu Teil 1 ein Anmeldeformular. Teil 2 erfolgt bei allen Berufen zum regulären Sommer- bzw. Winterprüfungstermin. 
Wann wird das Prüfungsergebnis festgestellt? 
Das abschließende Prüfungsergebnis wird erst nach Beendigung von Teil 2 festgestellt. Die IHK teilt dem Prüfling wie bisher unverzüglich mit, ob die Gesamtprüfung bestanden wurde. Über die in Teil 1 erbrachten Leistungen erhält der Prüfling ebenfalls zeitnah eine schriftliche Bescheinigung. Diese Bescheinigung ist nicht separat anfechtbar.
Kann eine mündliche Ergänzungsprüfung durchgeführt werden? 
Ja. Eine mündliche Ergänzungsprüfung ist aber nur für die schriftlichen Prüfungsbereiche aus Teil 2 möglich. Dies ist in der jeweiligen Ausbildungsordnung geregelt. 
Wann kann die Prüfung oder einzelne Prüfungsbereiche wiederholt werden? 
Da beide Prüfungsteile eine Einheit bilden, wird das Gesamtergebnis erst nach Teil 2 abschließend festgestellt. Bei Nichtbestehen kann der Prüfling die Prüfung zweimal wiederholen. Wie bisher, können selbstständige Prüfungsleistungen, die mit mindestens ausreichend bewertet wurden, auf die Wiederholungsprüfung angerechnet werden. Einzelheiten regelt die Prüfungsordnung der zuständigen IHK. 
Kann Teil 1 vor Absolvieren von Teil 2 wiederholt werden? 
Nein, da noch kein Gesamtergebnis vorliegt. Bei einer insgesamt nicht bestandenen Prüfung, muss Teil 1 wiederholt werden, wenn dort weniger als 50 Punkte erreicht wurden. Die Wiederholung von Teil 1 erfolgt dann zum nächsten regulären Prüfungstermin. Gleiches gilt für die Prüfungsbereiche aus Teil 2. 
Hat der Prüfling die Abschlussprüfung im Gesamtergebnis bestanden, obwohl Teil 1 schlechter als ausreichend bewertet wurde, darf der Teil 1 nicht freiwillig wiederholt werden, um das Ergebnis zu verbessern.