EU-Sanktionen - Durchsetzung und Umgehungsversuche

Aktuelle Analysen der Handels- und Zolldaten zeigen, dass die mit großem logistischem und finanziellem Aufwand agierende russische Beschaffung weitere Wege gefunden hat, um an westliche Hochtechnologie zu gelangen. Nachfolgend finden Sie Informationen zur No-Russia-Klausel sowie für die Sanktionsdurchsetzung relevante Dokumente zu den Themen unternehmerische Sorgfaltspflichten und Risikoindikatoren beim Export.
Die Europäische Kommission hat einen aktualisierten Leitfaden veröffentlicht, der Unternehmen dabei helfen soll, russische Umgehungspraktiken zu erkennen, ihre Technologie vor Missbrauch zu schützen, Reputationsschäden zu vermeiden und Haftungsrisiken zu mindern. Gleichzeitig soll der Erfolg von Ex-portkontrollen und Sanktionen unterstützt werden. Weiterhin wurden zwei Hinweispapiere des BMWK zur Sanktionsumgehung aktualisiert. Ein Hinweispapier beleuchtet die Beschaffung von sanktionierten Gütern durch Russland bei ausländischen Tochterunternehmen (siehe Punkt 4). Ein weiteres Hinweispapier zu unterehmerischen Sorgfaltspflichten geht auf verschiedene Risikoindikatoren ein (siehe Punkt 5).

1. No-Russia-Klausel in Verkaufsverträgen

Das Ende Dezember 2023 veröffentlichte 12. Sanktionspaket der Europäischen Union enthält die sogenannte “No-Russia-Klausel”, die neu ergänzt wurde und den Weiterverkauf nach Russland sowie die Verwendung von Waren in Russland verhindern soll.
Update mit Inkrafttreten des 14. Sanktionspakets: Eine geplante Erweiterung der No-Russia-Clause gemäß Artikel 12g der Verordnung, die alle Exporteure verpflichtet, beim Verkauf, bei der Lieferung, Verbringung oder Ausfuhr bestimmter Güter oder Technologien in ein Drittland die Wiederausfuhr nach Russland sowie die Nutzung in Russland vertraglich zu untersagen, wurde zunächst nicht auf ausländische Tochterunternehmen von EU-Unternehmen ausgeweitet. Allerdings sollen künftig EU-Muttergesellschaften nach besten Kräften sicherstellen, dass ihre Tochtergesellschaften in Drittländern nicht an Aktivitäten beteiligt sind, die den Zielen der Sanktionen zuwiderlaufen. Siehe auch Punkt 2.
Zusätzlich wurde eine Ausnahme von der No-Russia-Clause für öffentliche Aufträge mit Drittstaaten oder internationalen Organisationen eingeführt. Island und Liechtenstein wurden neu als Partnerländer gemäß Anhang VIII anerkannt und sind somit fortan von der No-Russia-Clause ausgenommen.
Mit der sogenannten “No-Russia-Klausel” in Artikel 12g der Verordnung (EU) 833/2014 werden Unternehmen verpflichtet, in ihren Verträgen über den Verkauf, die Lieferung, die Verbringung oder die Ausfuhr bestimmter Güter und Technologien in Drittländer eine Klausel aufzunehmen, die die Wiederausfuhr nach Russland und die Wiederausfuhr zur Verwendung in Russland vertraglich untersagt.
Hierdurch soll die Sanktionsumgehung über Drittländer unterbunden werden, da zwar viele Unternehmen keine direkten Verkäufe nach Russland tätigen, über Umwege ihre Güter aber trotzdem nach Russland gelangen.

Entsprechende Klauseln müssen jedoch nur beim Verkauf von folgenden Gütern und Technologien aufgenommen werden:
  1. Güter und Technologien der Anhänge XI, XX, XXXV der Verordnung 833/2014
  2. Gemeinsame Güter mit hoher Priorität gemäß der Liste in Anhang XL der Verordnung 833/2014
  3. Feuerwaffen und Munition gemäß der Liste in Anhang I der Verordnung (EU) 258/2012.
Entsprechende Klauseln sind nicht notwendig, sofern der Verkauf in eines der in Anhang VIII der Verordnung (EU) 833/2014 aufgeführten Partnerländer erfolgt, diese sind derzeit:
  • USA
  • Japan
  • Vereinigtes Königreich/Großbritannien
  • Südkorea
  • Australien
  • Kanada
  • Neuseeland
  • Norwegen
  • Schweiz
  • Island (seit 25. Juni 2024)
  • Liechtenstein (seit 25. Juni 2024)
Gut zu wissen:

Um Ihre Betroffenheit zu überprüfen, sollten Sie die in Artikel 12g der Verordnung (EU) 833/2014 erwähnten Güterlisten durchgehen.

Die Anhänge umfassen insbesondere folgende Güter:
- Anhang XI: insbesondere Güter zur Verwendung in der Luft- und Raumfahrtindustrie
- Anhang XX: insbesondere Flugturbinenkraftstoffe und Kraftstoffadditive
- Anhang XXXV: Feuerwaffen und andere Waffen
- Anhang XL: unter anderem Schaltungen, Halbleiterbauelemente,
bestimmte elektrische Geräte.
Artikel 12g sieht darüber hinaus eine Altvertragsklausel vor.
Demnach gilt die No-Russia-Klausel nicht für die Erfüllung von Verträgen, die vor dem 19. Dezember 2023 geschlossen wurden, bis zum 1. Januar 2025 oder bis zu ihrem Ablaufdatum, je nachdem, welcher Zeitpunkt früher gilt. (Das ursprünglich festgelegte Datum 20. Dezember 2024 wurde mit dem 14. Sanktionspaket vom 24. Juni 2024 verschoben.)
Die vertragliche Vereinbarung muss außerdem für den Fall eines Verstoßes „angemessene“ Abhilfemaßnahmen enthalten, die jedoch nicht näher spezifiziert werden. Außerdem sind Verstöße gegen die Wiederausfuhr nach Russland, den zuständigen Behörden (in Deutschland dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle – BAFA) zu melden.

Musterklausel und Leitlinien der EU-Kommission

Die EU-Kommission hat am 22. Februar 2024 in den FAQs zu den Russland-Sanktionen Erläuterungen zur No-Russia-Klausel veröffentlicht. Diese umfassen den nachfolgenden Formulierungsvorschlag, der wesentlicher Bestandteil des Vertrags sein muss und mit dessen Verwendung die Vorgaben des Art. 12g erfüllt sein sollen. Abweichende Formulierungen sind möglich.
Formulierungsvorschlag der EU-Kommission (nur auf Englisch verfügbar):

“(1) The [Importer/Buyer] shall not sell, export or re-export, directly or indirectly, to the Russian Federation or for use in the Russian Federation any goods supplied under or in connection with this Agreement that fall under the scope of Article 12g of Council Regulation (EU) No 833/2014.

(2) The [Importer/Buyer] shall undertake its best efforts to ensure that the purpose of paragraph (1) is not frustrated by any third parties further down the commercial chain, including by possible resellers.

(3) The [Importer/Buyer] shall set up and maintain an adequate monitoring mechanism to detect conduct by any third parties further down the commercial chain, including by possible resellers, that would frustrate the purpose of paragraph (1).

(4) Any violation of paragraphs (1), (2) or (3) shall constitute a material breach of an essential element of this Agreement, and the [Exporter/Seller] shall be entitled to seek appropriate remedies, including, but not limited to:
(i) termination of this Agreement; and
(ii) a penalty of [XX]% of the total value of this Agreement or price of the goods exported, whichever is higher.

(5) The [Importer/Buyer] shall immediately inform the [Exporter/Seller] about any problems in applying paragraphs (1), (2) or (3), including any relevant activities by third parties that could frustrate the purpose of paragraph (1). The [Importer/Buyer] shall make available to the [Exporter/Seller] information concerning compliance with the obligations under paragraph (1), (2) and (3) within two weeks of the simple request of such information.”
Quelle: IHK Düsseldorf

2. No-Belarus-Klausel in Verkaufsverträgen

Mit der Änderungsverordnung (EU) 2024/1865 hat die EU die Sanktionen gegen Belarus weitgehend an die Maßnahmen gegen Russland angepasst. Eine No-Belarus-Klausel wurde neu eingeführt.
Artikel 8g der Verordnung (EU) 2024/1865 verpflichtet Ausführer ihren Kunden den Re-Export sensibler Güter nach Belarus oder zur Verwendung in Belarus vertraglich zu untersagen.
Entsprechende Klauseln müssen jedoch nur beim Verkauf von folgenden Gütern und Technologien aufgenommen werden:
  1. Anhang XVI (Feuerwaffen und andere Waffen)
  2. Anhang XVII (Luftfahrzeuge und -zubehör)
  3. Anhang XXVIII (Flugturbinenkraftstoffe und Motoren für Luftfahrzeuge)
  4. Anhang XXX (Common list of high priority items: Bestimmte Güter aus den Kapiteln 84, 85, 88 und 90, unter anderem Schaltungen, Halbleiterbauelemente, bestimmte elektrische Geräte, Kugellager, Werkzeugmaschinen)
  5. Feuerwaffen und Munition
Prüfen Sie die von Artikel 8g erfassten Anhänge, um festzustellen, ob Sie betroffen sind. Sie finden diese Anhänge in der Verordnung (EG) Nr. 765/2006 bzw. in der Änderungsverordnung (EU) 2024/1865. Wenn Sie dort aufgeführte Güter exportieren, gilt für Sie die No-Belarus-Klausel. Ausgenommen sind Verträge für Verkäufe und Lieferungen in bestimmte Partnerländer.
Ausnahmen:
Entsprechende Klausel gilt nicht, sofern der Verkauf in eines der in Anhang Vba der Verordnung aufgeführten Partnerländer erfolgt. Diese sind aktuell:
  • Norwegen
  • Schweiz
  • Vereinigte Staaten von Amerika
  • Japan
  • Vereinigtes Königreich
  • Südkorea
  • Australien
  • Kanada
  • Neuseeland
  • Liechtenstein
  • Island
Eine entsprechende Klausel muss Vertragsbestandteil werden. Die vertragliche Vereinbarung muss außerdem für den Fall eines Verstoßes „angemessene“ Abhilfemaßnahmen enthalten, die jedoch nicht näher spezifiziert werden. Außerdem sind Verstöße gegen die Wiederausfuhr nach Russland, den zuständigen Behörden (in Deutschland dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle – BAFA) zu melden.
Die EU-Kommission hat am 22. Februar 2024 in ihren Häufig gestellten Fragen zu den Russland-Sanktionen Leitlinien zur Umsetzung der No-Russia-Klausel einschließlich einer Musterklausel veröffentlicht. Diese können Sie auch für die No-Belarus-Klausel verwenden. Eine abweichende Formulierung ist auch hier möglich.

3. optionale ATLAS-Codierungen für "No-Russia/Belarus"-Klauseln

Im Zusammenhang mit den Embargomaßnahmen gegen Russland und Belarus sind zahlreiche zusätzliche Codierungen geschaffen worden. Weitere werden wahrscheinlich folgen.
Achtung: Seit 21. Oktober 2024 ist beim Export von bestimmten Waren in die meisten Drittländer weltweit zusätzlich die Angabe möglich, ob mit diesem Kunden eine “No Russia Clause” (Y227) bzw. “No Belarus Clause” (Y230) vereinbart worden ist. Damit wird dem Kunden unter anderem der Weiterverkauf nach Russland/Belarus verboten. Veröffentlicht wurde die Information am 24. Oktober 2024 in der ATLAS – Info 0669/24. Diese Negativcodierung ist optional.
Vorgehen für die Prüfung der Codierungen für Embargoländer
1. Prüfung auf Produkt-/Warennummernebene mit Hilfe des Elektronischen Zolltarifs (EZT). Dort finden sich unter dem Stichwort „Bedingungen” unterschiedliche Codierungen. Pro Maßnahme kann nur eine richtig sein: Die Beschränkung ist einschlägig, die Ware fällt unter eine Ausnahmeregelung (beispielsweise Altvertrag) oder die Ware fällt nicht darunter.
2. Inhaltliche Prüfung: Abgleich der jeweiligen Embargoregelungen mit den Angaben im EZT, der Zusammenstellung unter Zoll.de und der Embargoverordnung einschließlich ihrer verschiedenen Änderungsverordnungen (Beispiel Russland). Eine Übersicht über die Prüfschritte für Güterlieferungen finden Sie im Artikel Sanktionen: Russland-Belarus-Ukraine.
3. Zusätzlich können Sie die Zusammenstellung im Handbuch nutzen. Diese erleichtert die Übersicht deutlich.
4. Es macht keinen Sinn, alle denkbaren Codes abzubilden. Zollämter verlangen auch nicht wahllos alle Codes. Sollten Codes verlangt werden, die sich nicht aus dem EZT ergeben, sprechen Sie dies mit der Zollstelle ab.

4. Beschaffung sanktionierter Güter bei ausländischen Tochterunternehmen

Am 24. April 2024 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ein neues Hinweispapier zu Sanktionsumgehungen veröffentlicht. Hierin wird die Konstellation der Beschaffung von sanktionierten Gütern durch Russland bei ausländischen Tochterunternehmen beleuchtet. Mit dem Hinweispapier soll das Problembewusstsein der betroffenen deutschen Unternehmen und zielgerichtete interne Kontroll- und Compliancemaßnahmen gestärkt werden.
Update: Mit dem 14. Sanktionspaket wurde der Artikel 12gb neu eingefügt. Dieser verlangt von Personen, Organisationen und Einrichtungen, die in Anhang XL der Verordnung (EU) 833/2014 aufgeführte gemeinsame vorrangige Güter verkaufen, liefern, verbringen oder ausführen, eine Risikoermittlung und -bewertung sowie ein Management zur Verringerung der Risken der Ausfuhr nach Russland und der Ausfuhr zur Verwendung in Russland. Außerdem wird die Ausweitung dieser Pflichten auf Tochterunternehmen ab dem 26. Dezember 2024 gesetzlich verpflichtend. Details entnehmen Sie der Verordnung (EU) 2024/1745 vom 24. Juni 2024 zur Änderung der Verordnung (EU) 833/20214.
Nach den aktuellen Auswertungen der einschlägigen Handels- und Zolldaten durch die Europäische Kommission lässt sich der Großteil der kriegsrelevanten Güter, die Russland erreichen, Unternehmen aus westlichen Ländern, einschließlich der EU, zuordnen. Ein erheblicher Anteil dieser Güter wird allerdings nicht in diesen Ländern selbst hergestellt (und von dort auf den Weg Richtung Russland gebracht), sondern stammt aus der Produktion von in dritten Staaten ansässigen Tochtergesellschaften westlicher Unternehmen (einschließlich Unternehmen aus der EU). Teils gelangen die Güter über den Umweg weiterer Drittstaaten nach Russland. Teils werden diese Güter allerdings auch direkt nach Russland verkauft.

5. Sorgfaltspflichten und Risikoindikatoren beim Export sanktionierter Güter in Drittstaaten

Die Umgehung der EU-Sanktionen über Drittstaaten, insbesondere im Bereich der kriegsrelevanten Güter (Güter der „Common High Priority List“ der Europäischen Kommission, Stand: Feb. 2024), schwächt die erwünschten Wirkungen auf die russische Rüstungsindustrie erheblich ab. Vor diesem Hintergrund hat das BMWK Ende 2023 bereits ein Hinweispapier zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten und Risikoindikatoren beim Export sanktionierter Güter in Drittstaaten veröffentlicht. Ergänzend wird auch auf den Leitfaden der Europäischen Kommission vom 8. September 2023 „Guidance for EU operators: Implementing enhanced due diligence to shield against Russia sanctions circumvention” verwiesen.

Quelle: BMWK