Pressemeldungen

Vom Schwarzwald bis zum Bodensee

Wie geht es dem Tourismusbetrieben in unserer Region? Nicht gut, sagen Hansjörg Mair (Geschäftsführer der Schwarzwald Tourismus GmbH) und Jürgen Ammann (Geschäftsführer der Internationalen Tourismus GmbH). Im Doppelinterview sprechen sie über die Zukunft der Branche, warum der Tourismus auf vitale Innenstädte angewiesen und warum es Zeit ist, den Betrieben eine Perspektive zu geben.

Wie geht es dem Tourismus im Schwarzwald und am Bodensee?
Mair: Die Situation im Schwarzwald, aber auch in allen anderen Regionen ist verheerend. Tourismusunternehmen haben quasi ein Berufsverbot, dabei sind sie keine Pandemietreiber. Ich glaube jedoch, dass der Schwarzwald als Tourismusdestination von der Pandemie profitieren wird, sobald die Betriebe wieder öffnen dürfen. Freizeitaktivitäten wie Outdoor-Sportarten werden verstärkt nachgefragt und hierzu hat der Schwarzwald viel zu bieten.
Ammann: Betrachten wir die gesamte Bodenseeregion, so sind im Jahr 2020 die Übernachtungen um 30 Prozent eingebrochen. Vor dem Hintergrund, dass der Tourismus ein sehr bedeutender Wirtschaftszweig in der Region ist, werden die Auswirkungen langsam spürbar und Existenzen von Unternehmen und deren Beschäftigten stehen auf dem Spiel, wenn sich der Re-Start weiter verzögert.

Würden Sie sagen, dass Corona den Tourismus schon jetzt grundlegend verändert hat?
Ammann: Auf jeden Fall. Die Wünsche und Erwartungen der Touristen haben sich verändert und darauf müssen die Betriebe reagieren. Der Trend geht zu regionalen Reisen mit viel Natur und viel frischer Luft. Ganz wichtig sind zudem die Flexibilität sowie die Information zu Hygienemaßnahmen.
Mair: Corona hat sicher neben all den sozialen und wirtschaftlichen Problemen auch positive Dinge gebracht. Viele Betriebe sind aufgewacht. Sie merken, sie müssen digitaler, agiler und flexibler werden. Wir sind uns sicher, dass die Pandemie den Tourismus und das Gästeverhalten nachhaltig verändert hat. Die Menschen achten mehr auf sich, schätzen zunehmend den ökologischen und sanften Tourismus. Das Stichwort ist Resonanztourismus.

Wie ist Ihre Prognose für die Sommersaison 2021?
Mair: Ich bin Berufsoptimist. Wir haben im Schwarzwald 24.000 Kilometer markierte Wanderwege. Da tritt man sich nicht auf die Füße. Der Schwarzwald wird in diesem Sommer wieder ein Gewinner sein. Aber die Unternehmen brauchen mehr als nur den Sommer, um sich halten zu können. Die Osterzeit und der Herbst sind für den Schwarzwald sehr wichtig. Reisen wäre schon jetzt möglich gewesen, wenn die Politik nicht so viel Zeit verloren hätte.
Ammann: Wir blicken auch erwartungsvoll und mit großer Vorfreude auf den Re-Start in die Reisesaison 2021. Situationsangepasste Angebote bieten den Einheimischen und Gästen jede Menge Wahlmöglichkeiten für einen sicheren Aufenthalt in der Bodenseeregion. Etwas zurückhaltender sind wir bei Incomingreisen, insbesondere aus Fernmärkten, sowie bei Gruppen- und Geschäftsreisen. Hier wird die Recoveryphase noch etwas andauern, bis diese in dem Umfang zurückkehren wie vor der Krise.
Mair: Bei Geschäftsreisen sehe ich auch keine vollständige Erholung. Anders sieht es bei Freizeitreisen aus. Alle Studien belegen, dass dieser Bereich in Deutschland weiter wachsen wird. Aber: Es muss definitiv auch auf Seiten der Leistungsträger einiges passieren. Der Schwarzwald ist nicht wie die Alpen und der Bodensee nicht wie das Mittelmeer. Das muss aber kein Nachteil sein. Mit Kreativität können schlechtere Voraussetzungen ausgeglichen werden. Viele Betriebe im Schwarzwald sind sehr innovativ und investieren in neue Ideen.  Aber leider gibt es auch viele Betriebe, die die Entwicklung verschlafen haben.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung für den Tourismus?
Mair: Einzelne Zielgruppen rücken noch mehr in den Mittelpunkt. Man kann nicht jeder Zielgruppe gleichermaßen gerecht werden. Wer sagt, er kann alles, der kann letztlich nichts richtig. Die Zielgruppe ist das Thema. Das können Familien, Mountainbiker oder Wanderer sein. Das Thema kann aber auch Kulinarik, Wein oder sogar Fliegenfischen sein. Touristiker müssen ihre Nische finden. Doch das Thema sollte authentisch sein. Ein Mountainbike-Hotel funktioniert nur, wenn der Hotelier selbst für das Thema brennt. Die Digitalisierung bietet die große Chance, die richtige Zielgruppe, mit dem richtigen Content, auf dem richtigen Kanal, mit der richtigen Botschaft zu erreichen. 
Ammann: Die Digitalisierung ermöglicht es außerdem, alle Akteure miteinander zu vernetzen. Ein Beispiel ist unsere Bodensee Card PLUS. Sie ist so konzipiert, dass sie bei der jeweiligen Attraktion lediglich gescannt werden muss. Dies verhindert ein langes Anstehen am Ticketschalter oder bei den Schiffen und der Einsatz ist dabei gleichzeitig kontaktlos und sicher.

Wie wird es dem Tourismus gehen, wenn immer mehr Händler pleitegehen und die Innenstädte veröden?
Ammann: Vor diesen besonderen Herausforderungen stehen viele Städte und Gemeinden in der Bodenseeregion und dies auch ohne den Hintergrund einer Pandemie. Mit Blick auf Übernachtungsgäste und um die Attraktivität zu erhalten, ist ein Zusammenspiel mit kulturellen und gastronomischen Einrichtungen notwendig, die eine verlängerte Verweildauer, auch für mehrere Tage, unterstützen kann.
Mair: Ganz genau, der Handel braucht den Tourismus und umgekehrt. Touristen möchten nicht nur essen, trinken und schlafen. Sie möchten durch die Stadt flanieren, etwas zum Andenken kaufen oder lokale Spezialitäten kosten. Shopping gehört zum Urlaubserlebnis, besonders für Touristen aus dem Ausland. Ebenso wichtig sind Kulturveranstaltungen und Events. Vitale Innenstädte sind für den Tourismus unbedingt notwendig.

Dem Tourismus fehlt aktuell jegliche Öffnungsperspektive. Was fordern Sie?
Ammann: Was es jetzt braucht, sind Entscheidungen mit Weitblick und vor allem vertrauensbildende Maßnahmen mit ganzheitlichen Schutzkonzepten. Der Wille, die Hygienemaßnahmen und Regeln umzusetzen und einzuhalten, ist bei den Akteuren in der Region immens hoch und wird umfänglich gelebt. Grundlegende Voraussetzung ist, dass die touristischen Leistungsträger auch nach Ende der Pandemie noch am Markt bestehen. Daher unser Apell: Lasst uns wieder unsere Arbeit tun.
Mair: Sehr richtig. Es gibt kaum eine Branche, für die sich die Politik so wenig interessiert. Der Tourismus ist eine wichtige und stetig wachsende Branche, die bundesweit drei Millionen Jobs sichert und dennoch genießt der Tourismus in Deutschland als Wirtschaftszweig keine Wertschätzung. Die Politik soll jetzt tätig werden, die digitale Kontaktverfolgung verbessern, mehr impfen und vor allem testen, testen, testen. Das muss jetzt flott gehen. Andere Ländern zeigen, wie es geht. Langfristig wünsche ich mir, dass es auf Bundesebene ein eigenes Tourismusministerium gibt. Aktuell sind wir ein Blinddarm im Wirtschaftsministerium. Das wird der Größe unseres Wirtschaftszweiges nicht gerecht. Es hat eine Pandemie gebraucht, um den Tourismus in diesem Land überhaupt zu sehen.