Flüchtlinge

Auch über Umwege ans Ziel kommen

Joud Kasabji hat sich durch Rückschläge nicht aufhalten lassen.
Ihr Vater floh 2013 zu Beginn des Bürgerkriegs aus Syrien, seine Frau und die vier Töchter folgten ihm, so schnell es ging. Die Mutter mit den beiden minderjährigen Töchtern schaffte es früher. Joud Kasabji, damals 21, und ihre ebenfalls volljährige Schwester reisten 2016 von der Türkei aus über das Mittelmeer und Griechenland nach Deutschland. Dort fand die Familie im Markgräfler Land eine neue Heimat.
Joud Kasabji hatte in ihrer Heimatstadt Aleppo nicht nur das Abitur abgelegt, sondern auch Eletrotechnik und Maschinenbau studiert. Ihr Schulabschluss wurde in Deutschland anerkannt, das Studium nicht. Für die junge Frau kein Beinbruch, da sie das Maschinenbau- und Elektrotechnik-Studium nur begonnen hatte, weil ihre Schulnoten ihre Wunschausbildung verhinderten. Doch auch in Deutschland raten ihr die Agentur für Arbeit und Beraterinnen von einem Studium der Architektur ab. Sie solle lieber eine Ausbildung beginnen. Die junge Frau beugt sich.
Sie absolviert Sprachkurse und beginnt 2018, gut anderthalb Jahre nach ihrer Ankunft in Deutschland eine Eingangsqualifizierung bei einem kleinen Büroausstatter. Dieses sozialversicherungspflichtige Praktikum dient als Vorbereitung für eine reguläre Ausbildung. „Doch es passt nicht“, muss Joud Kasabji feststellen. Die junge Frau kommt sprachlich nicht immer mit, auch weil ihr der heimische Dialekt zusätzliche Schwierigkeiten bereitet, und die Erwartungshaltung des Unternehmens zu hoch ist. „Vieles, was von mir erwartet wurde, blieb unausgesprochen“, bedauert sie. Das Lesen zwischen den Zeilen hatte ihr niemand vermittelt. Das Praktikum wird im Juni 2019 vorzeitig beendet.
Zwei Telefonate und ein Zufall
Und dann erinnert sie sich an den Besuch von Sven Ness. Der Kümmerer in Diensten der IHK Hochrhein-Bodensee hatte sich in dem Unternehmen vorgestellt und seine Visitenkarte dagelassen. Joud Kasabji ruft ihn an, sie treffen sich – und der Zufall spielt ebenfalls mit, erinnert sich Ness: „Kurz zuvor hatte ich telefonisch Kontakt zu Bruno Hall, der auf der Suche nach Auszubildenden war.“ Bruno Hall ist geschäftsführender Inhaber bei Villringer, einem Expert-Händler mit Sitz in Lörrach und Filialen in Rheinfelden, Bad Säckingen und Schopfheim. Ein Anruf später sind der Unternehmer und die zukünftige Auszubildende vernetzt. Es kommt zu einem Kennenlerntreffen, und Mitte September 2019 beginnt Joud Kasabji ihre Ausbildung zu Verkäuferin. Nach zwei Jahren – und einem sehr guten Abschluss – hängt sie ein Jahr dran und gehört 2022 zu den besten ihres Ausbildungsjahrgangs zur Kauffrau im Einzelhandel.
Sprachliche Hürden mit Hilfe gemeistert
„Ich hatte viel Hilfe“, sagt die junge Frau und schaut mit einem Lächeln im Blick zu ihrem Chef. Gerade wenn es um sprachliche Hürden ging, habe er sich die Zeit genommen. „Schön war auch, dass eine Kollegin zur gleichen Zeit die Ausbildung absolviert hat. Wenn ich Fragen hatte, war sie immer für mich da.“
Joud Kasabji ist glücklich, hat aber noch nicht genug. Ihr nächstes Ziel steht schon fest: Sie will sich zur Bilanzbuchhalterin weiterbilden. Bruno Hall hat schon angekündigt, dass er wieder bei Sven Ness anrufen wird. Für ihn hat das System der Kümmerer „perfekt funktioniert“.
mrk