Umsatzsteuer

Steuerschuldumkehr bei Bauleistungen und Gebäudereinigungsleistungen

Allgemeines

Das Prinzip der Steuerschuldumkehr ist vielen bei der Erbringung von Dienstleistungen ins Ausland bekannt. Die steuerlichen Regelungen sehen aber auch für bestimmte inländische Sonderfälle dieses Prinzip vor, so zum Beispiel bei Bauleistungen und Gebäudereinigungsleistungen.
Hintergrund war, dass für diese Bereiche besondere Missbrauchsanfälligkeit zur Umsatzsteuerhinterziehung festgestellt wurde. Um zu verhindern, dass die Umsatzsteuer zwar an den Leistenden bezahlt, aber vom Leisten­den nicht ans Finanzamt entrichtet wird, verlagert sich daher in bestimmten Konstellationen die Steu­erschuld grundsätzlich auf den in der Regel inländischen und vorsteuerabzugsberechtigten Leistungsempfänger.
Folge hiervon ist, dass der leistende Unternehmer eine Nettorechnung ausstellt und der Leistungsempfänger den Leistungsbezug in eigener Steuerschuld versteuert. Hierzu hat er den ent­sprechenden Steuerbetrag in seiner Umsatzsteuervoranmeldung anzumelden und kann bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen diesen gleichzeitig als Vorsteuer geltend machen.
Beispiel: Bauunternehmer A aus Köln errichtet für Generalunternehmer B aus Frankfurt den Rohbau einer Werkshalle in Köln. Das Entgelt für die Leistung des A beträgt 100.000 Euro. Nach der Regelung rechnet A an B netto 100.000 Euro ab. B schuldet für den Leistungsbezug 19 Prozent Umsatzsteuer, das heißt 19.000 Euro. Diese meldet er im Rahmen seiner Umsatzsteuervoranmeldung in eigener Steuerschuld an. Den entsprechenden Betrag kann er als Vorsteuer geltend machen.

Anwendungsbereich

Werden Bauleistungen oder Gebäudereinigungsleistungen von einem im Inland ansässigen Un­ternehmer im Inland erbracht, ist der Leistungsempfänger Steuerschuldner, wenn er ein Unternehmer ist und selbst Bauleistungen beziehungsweise Gebäudereinigungsleistungen nachhaltig erbringt. Dies gilt unabhängig, ob der Unternehmer diese Leistungen selbst für eine Bauleistung oder Gebäudereini­gungsleistung verwendet.

a. Bauleistungen

Als Bauleistung gelten im Bereich des § 13 b Umsatzsteuergesetz (UStG) alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung oder Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, wobei der Begriff des Bauwerks nicht nur Gebäude, sondern sämtliche irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen hergestellte Anlagen (Brücken, Straßen) umfasst.
Planungs- und Überwachungsleistungen wurden ausgenommen. Leistungen von Architekten, Labo­ren, Ingenieuren, Statikern, Rechnungsprüfern, Ausschreibungen und ähnliche fallen damit nicht unter den Begriff der Bauleistung.
Die Einordnung als Bauleistung setzt voraus, dass die Leistung sich unmittelbar auf die Substanz eines Bauwerks auswirkt, das heißt Substanz erweitert, verbessert, erhält oder beseitigt.
Hierzu zäh­len
  • Erhaltungsaufwendungen (zum Beispiel Reparaturleistungen),
  • künstlerische Leistungen und Reinigungsleistungen mit Substanzveränderung (zum Beispiel Sandstrahlen),
  • der Einbau von Fenstern und Türen sowie Bodenbelägen, Aufzügen, Rolltreppen und Heizungsanlagen sowie Einrichtungsge­genständen, wenn sie mit einem Gebäude fest verbunden sind, wie zum Beispiel Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen, Gaststätteneinrichtungen.
Außerdem zählen hierzu
  • Erdarbeiten im Zusammen­hang mit der Erstellung eines Bauwerks,
  • die Installation einer Lichtwerbeanlage oder die Dachbegrü­nung eines Bauwerks.
Dagegen zählen dazu beispielsweise keine Reinigungsleistungen oder War­tungsarbeiten ohne Substanzveränderung, ebenso nicht das Aufstellen von Messeständen und der Gerüstbau sowie keine reinen Lieferungen.
Eine hilfreiche Auflistung in tabellarischer Form, was als Bauleistung einzustufen ist, gibt die Verfü­gung der OFD Karlsruhe.

b. Gebäudereinigungsleistungen

Unter die Reinigung von Gebäuden und Gebäudeteilen fällt insbesondere

  1. die Reinigung sowie die pflegende und schützende (Nach-)Behandlung von Gebäuden und Gebäudeteilen (innen und außen);
  2. die Hausfassadenreinigung (einschließlich Graffitientfernung).
  3. die Fensterreinigung;
  4. die Reinigung von Dachrinnen und Fallrohren;
  5. die Bauendreinigung;
  6. die Reinigung von haustechnischen Anlagen, soweit es sich nicht um Wartungsarbeiten handelt;
  7. die Hausmeisterdienste und die Objektbetreuung, wenn sie auch Gebäudereinigungsleistungen beinhalten.

Nicht hierunter fallen insbesondere

  1. die Schornsteinreinigung,
  2. die Schädlingsbekämpfung,
  3. der Winterdienst, soweit es sich um eine eigenständige Leistung handelt,
  4. die Reinigung von Inventar, wie Möbel, Teppiche, Matratzen, Bettwäsche, Gardinen und Vorhänge, Geschirr, Jalousien und Bilder, soweit es sich um eine eigenständige Leistung handelt.

Welche Bedingungen muss der Leistungsempfänger für die Verlagerung der Steuerschuld erfüllen?

Ein Unternehmer erbringt dann nachhaltig Bauleistungen beziehungsweise Gebäudereinigungsleistungen, wenn er mindestens 10 Prozent seines Weltumsatzes (Summe seiner im Inland steuerba­ren und nicht steuerbaren Umsätze) als Bauleistungen beziehungsweise Gebäudereinigungsleistungen erbringt.
Von dieser Voraussetzung ist auszugehen, wenn das zuständige Finanzamt dies bescheinigt. Die Bescheinigung muss im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültig sein. Bei Erteilung dieser Bescheinigung wird aus Vereinfachungsgründen auf den Weltumsatz des im Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung abgelaufenen Besteuerungszeit­raums abgestellt.
Hat der Leistungsempfänger bisher noch keine Bauleistungen ausgeführt beziehungsweise nimmt er die Tätigkeit in diesem Bereich erst auf, stellt das Finanzamt dem Unternehmer die Bescheinigung aus, wenn er nach außen erkennbar mit ersten Handlungen zur nachhaltigen Erbringung von Bau­leistungen begon­nen hat und die Bauleistungen voraussichtlich mehr als 10 Prozent seines Weltum­satzes betragen werden.
Sowohl die Bescheinigung für Bauleistungen als auch die für Gebäudereinigungsleistungen sind auf längstens drei Jahre befristet, um dem leistenden Unternehmer und dem Leistungsempfänger Rechtssicherheit zu gewährleisten. Aus Rechtsschutzgründen können sie zudem nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden. Wenn die Bescheinigung durch das Finanzamt widerrufen oder zurückgenommen wurde, darf sie der Unternehmer nicht mehr verwenden.
Wurde die Bescheinigung mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen und erbringt der Leistungsempfänger nicht nachhaltig Bauleistungen oder Gebäudereinigungsleistungen, schuldet der leistende Unternehmer dann die Steuer, wenn er hiervon Kenntnis hatte oder hätte haben können.
Der Leistungsempfänger ist auch dann Steuerschuldner, wenn ihm das Finanzamt eine Bescheini­gung ausgestellt hat, er diese aber gegenüber dem leistenden Unternehmer nicht verwendet.
Unternehmer, die eine Bauleistung für Dritte besorgen, erbringen selbst eine Bauleistung, es sei denn, es handelt sich um eine reine Bauträgerträgerleistung, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fällt. Diese Unternehmer werden zum nachhaltig Bauleistenden im Sinne der Regelung, wenn ihre Um­sätze zu mehr als 10 Prozent aus besorgten Bauleistungen bestehen oder sie eine Freistellungsbe­scheinigung vorlegen.

Für folgende Leistungsempfänger gelten besondere Regeln:

Wohnungseigentümergemeinschaften werden nicht zum Steuerschuldner, wenn sie Bauleistungen als nach § 4 Nr. 13 UStG steuerfreie Leistungen der Wohnungseigentümergemeinschaften an die einzelnen Wohnungseigentümer weitergeben.
Auch tritt die Steuerschuldumkehr in den Fällen nicht ein, in denen der leistende Unternehmer die Kleinunternehmerregelung des § 19 Absatz 1 UStG anwendet. Ein Leistungsempfänger, der eine Bauleistung von einem Kleinunternehmer bezieht, bei dem keine Umsatzsteuer erhoben wird (verglei­che § 19 Absatz 1 UStG), schuldet demnach keine Umsatzsteuer nach § 13b UStG. Hingegen kann ein Kleinunternehmer, der Bauleistungen bezieht, Umsatzsteuer nach § 13b UStG schulden.
Gesellschaft und Gesellschafter sind getrennt zu betrachten, weil sie umsatzsteuerlich jeweils ei­genständige Rechtssubjekte darstellen. Personen- und Kapitalgesellschaften haben deshalb § 13b UStG nicht anzuwenden, wenn ein Unternehmer Bauleistungen für den privaten Bereich eines Gesell­schafters erbringt
Die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers gilt nicht für Unternehmer, die ausschließlich Lieferungen – und keine Werklieferungen im Sinne des § 3 Absatz 4 UStG – erbringen, die unter das GrEStG fallen. Bauträger, die ausschließlich eigene Grundstücke zum Zwecke des Verkaufs be­bauen, führen eine bloße Grundstückslieferung aus; dies gilt auch, wenn die Verträge mit dem Kun­den bereits zu einem Zeitpunkt geschlossen werden, in dem der Kunde noch Einfluss auf die Bau­ausführung und -gestaltung nehmen kann. Bauträger sind daher für von Dritten bezogene Bauleistun­gen, die sie für eine derartige Veräußerung verwenden, nicht Steuerschuldner.
Erbringen juristische Personen des öffentlichen Rechts (z.B. eine Gebietskörperschaft) im Rah­men eines Betriebes gewerblicher Art nachhaltig Bauleistungen i. S. d. § 13b Absatz 2 Nr. 4 UStG, so ist die juristische Person des öffentlichen Rechts als Leistungsempfänger Steuerschuldner nur für die Bauleistungen, die dieser Betrieb gewerblicher Art bezieht.

Welche Bedingungen muss der leistende Unternehmer für die Verlagerung der Steuerschuld erfüllen?

Der leistende Unternehmer muss im Inland ansässig sein, d.h. er muss in der Bundesrepublik einen Wohnsitz, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte haben (vgl. § 13b Absatz 7 UStG). Ist der leistende Unternehmer im Ausland ansässig, so tritt zwar u. U. ebenfalls eine Verlagerung der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger ein. Diese ist jedoch in § 13b Absatz 2 Nr. 1 UStG geregelt und an wesentlich geringere Anforderungen geknüpft.
Der leistende Unternehmer darf ferner kein Kleinunternehmer sein, bei dem die Umsatzsteuer gemäß § 19 Absatz 1 UStG nicht erhoben wird. Zur Vermeidung von Missverständnissen empfiehlt es sich, in der Rechnung auf die Kleinunternehmerschaft hinzuweisen.

Bagatellgrenze

Nicht unter den Begriff der Bauleistung fallen nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums an sich als Bauleistung einzuordnende Reparatur- und Wartungsarbeiten an Bauwerken, wenn das (Netto-)Entgelt für den einzelnen Umsatz nicht mehr als 500 Euro beträgt. Die Bagatellregelung soll der Erleichterung der Abgrenzungsfragen bei Wartung und Reparaturen dienen. Sie ist grundsätzlich nicht anwendbar bei Anbauten, Neubauten, Erweiterungen, Abriss, das heißt Leistungen, die der Her­stellung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

Zweifelsfälle

Soweit im Einzelfall Zweifel bei der Abgrenzung der Leistung und der Einordnung als Steuerschuldner entstehen, wird die einvernehmliche Anwendung der Steuerschuldumkehr nicht beanstandet, sofern die Leistung zutreffend versteuert wird.
Stand: Mai 2023
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