IHKplus April 2023

Zukunftsversicherung für Köln

Die Versicherungsunternehmen in Köln sind auf Wachstumskurs – und treiben die digitale Transformation nicht nur in den eigenen Reihen voran. Über eine Branche, die eng verflochten ist mit der gesamten Wirtschaft der Rheinmetropole – und deren Wert für die Stadt dennoch oft übersehen wird
Im Kölner Norden kennt jeder das hoch in die Skyline ragende Colonia-Gebäude direkt am Rheinufer nur als den „Axa Tower“. Von der rechten Rheinseite gegenüber leuchtet ebenso weithin sichtbar das blau-weiße Logo der Zurich Versicherung auf der Deutzer Firmenzentrale. Die hellblauen Fahnen vor den weitläufigen Büros der Gothaer Versicherung in Zollstock zeigen prominent, wo der Konzern in Köln all seine Stammgesellschaften zusammengezogen hat. Und die Zentrale der DEVK, die schon seit 1953 ihren Sitz in Köln hat, fällt durch die Weltkugel auf dem Gebäude besonders ins Auge.

„Köln und AXA verbindet eine lange gemeinsame Geschichte. Als großer Arbeitgeber und Vertreter einer wirtschaftlich wichtigen Branche wünschen wir uns grundsätzlich einen vertrauensvollen Dialog mit den (wirtschafts-)politischen Akteurinnen und Akteuren, in dem auch unsere Bedürfnisse gehört und berücksichtigt werden. Beispielsweise sehe ich aktuell dringenden Verbesserungsbedarf im deutlichen Ausbau des ÖPNV-Angebotes für unsere Mitarbeitenden in der Stadt und im Umland.“

Es ist im Stadtbild nicht zu übersehen: Die Versicherungsbranche prägt Köln. Versicherer haben hier die ersten Hochhäuser gebaut und sind daran interessiert zu expandieren, auch in die Höhe. Sie haben wichtige Investitionen vorangebracht, Industriebrachen in moderne und lebendige Dienstleistungszentren verwandelt und die Entwicklung der Stadt zu einem modernen und bestens in der ganzen Republik vernetzten Wirtschaftsstandort vorangetrieben. „Die Branche ist heute einer der größten Gewerbesteuerzahler und einer der wichtigsten Arbeitgeber Kölns“, sagt Frank Hemig, Leiter des Geschäftsbereichs Beratung und Services der IHK Köln.

25.000 Menschen arbeiten allein in Köln in der Branche

Die Zahlen sind beeindruckend: 25.000 Menschen arbeiten für die fast 4.000 Unternehmen der Versicherungsbranche in Köln. Im Jahr 2022 haben sie mehr als 415.000 Euro Umsatz erbracht.
Zu dem Wirtschaftszweig zählen große Versicherer ebenso wie viele kleinere Dienstleister und Vertriebsbüros. Mehr als 50 deutsche Versicherer und Rückversicherer haben hier ihren Hauptsitz, weitere 60 eine Niederlassung – darunter nationale Branchengrößen wie DEVK, DKV, Gothaer und HDI Gerling. Auch die Tochterfirmen internationaler Versicherungskonzerne wie Axa, Zurich und Atradius schätzen die zentrale Lage der Stadt ebenso wie die Tatsache, dass einige der einflussreichsten Talentschmieden und Forschungseinrichtungen der Versicherungsbranche in der Universitätsstadt angesiedelt sind.
Dr. Carsten Schildknecht, Vorstandsvorsitzender der Zurich Gruppe Deutschland © Richard Unger

„Köln als traditioneller Versicherungsstandort und als prosperierende Metropole ist auch attraktiv für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Nicht zuletzt aufgrund des Wettbewerbsumfeldes und aufgrund des Instituts für Versicherungswirtschaft an der Universität Köln ist auch die Nachwuchsgewinnung in Köln für uns weniger problematisch.“

Und auch die vielen selbstständigen Versicherungskaufleute in der Stadt prägen den Versicherungsstandort: „Sie sind als Teil der mittelständischen Wirtschaft wichtige Arbeitgeber und Gewerbesteuerzahler in Köln“, sagt Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK).
Mit all diesen vielfältigen Akteuren der Branche zählt die Stadt Köln, neben München, mit Abstand zu den wichtigsten Versicherungs-Standorten der Republik. Die Branche ist gerade gleich dreifach als Modernisierungspartner gefragt: erstens als Unterstützer bei der Digitalisierung wichtiger Unternehmensprozesse. Zweitens für die Absicherung von Transformationsrisiken. Und drittens in ihrer Funktion als einer der größten institutionellen Investoren, der viele nachhaltige Veränderungsprojekte überhaupt erst ermöglicht.
Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) © Lilian Szokody

„Leider ist unsere Branche auf nationaler und internationaler Ebene mit überbordender Regulierung konfrontiert, die unser Auskommen gefährdet. Daher wünschen wir uns von der Stadt mehr Augenmaß bei der Gewerbesteuer und eine schlanke Bürokratie.“

„Damit ist die Versicherungsbranche für die Zukunft der Kölner Wirtschaft enorm wichtig. Diese besondere Bedeutung sollte von der Stadt noch deutlich stärker gewürdigt und unterstützt werden“, sagt Hemig.
Die Unternehmen sind sich ihrer Verantwortung für die Zukunft der Stadt bewusst und engagieren sich für viele soziale und kulturelle Projekte in der Stadt. „Die DEVK versichert Menschen in ganz Deutschland. Unser Hauptsitz liegt jedoch seit mehr als 70 Jahren in Köln“, berichtet etwa Tarja Radler, Vorständin der DEVK Rechtsschutzversicherungs-AG. „Deshalb fühlen wir uns hier zu Hause.“ So prangt etwa das DEVK-Logo schon seit langem auf den Trikot-Ärmeln des 1. FC Köln.
Gerade weil die Unternehmen auf Wachstums- und Modernisierungskurs sind, brauchen sie umgekehrt aber auch Unterstützung von Seiten der Stadt. „Die Standortbedürfnisse der Branche sind eigentlich klar“, sagt Frank Hemig. „Sie brauchen Flächen für adäquate, moderne Bürogebäude. Eine gute Digital- und Bildungsinfrastruktur. Und eine zeitgemäße Verkehrsinfrastruktur.“

„Im Vergleich mit anderen Schlüsselbranchen ist klar, dass die Versicherungswirtschaft zu den großen Playern zählt – gemessen an Beschäftigung, Bruttowertschöpfung und Umsatz. Außerdem gehören die Versicherer als Kapitalanleger zu den größten Investoren – etwa im Bereich erneuerbarer Energien. Bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen in Köln sollten die Bedürfnisse der Versicherer deshalb eine Rolle spielen. Eine Rolle, die ihrer Bedeutung angemessen ist.“

Vor allem bei der Bereitstellung neuer Flächen für Wachstumspläne der Unternehmen hakt es allerdings gerade. So plant etwa die DEVK schon seit längerem einen Neubau. Der Handlungsbedarf ist nicht zu übersehen: Rund 2.100 Menschen sind derzeit in Köln in der 40 Jahre alten und sanierungsbedürftigen DEVK-Zentrale in Riehl beschäftigt. Etwa 500 davon sind aus Platzmangel in externen Gebäuden untergebracht – nicht gerade ideal für die Zusammenarbeit der Teams. Der Architektenwettbewerb für ein nachhaltiges, modernes Firmengebäude läuft bereits.

Zukunftsbranchen brauchen Platz

Doch es gibt Probleme mit dem Bebauungsplan. Es besteht auf Seiten der Stadt die Sorge, dass das 145 Meter hohe Gebäude die Sichtachse zum Dom einschränken und nicht mit den Klimaschutzplänen der Stadt vereinbar sein könnte. „Inzwischen sind wir einen Schritt weitergekommen“, berichtet Radler. Der Stadtentwicklungsausschuss der Stadt Köln hat den sogenannten Einleitungsbeschluss auf den Weg gebracht. Jetzt können die Arbeiten beginnen, die nötig sind, um den Bebauungsplan zu ändern. „
Wir haben wahrgenommen, dass die Zusammenarbeit mit der Stadt Köln Fahrt aufgenommen hat und konstruktiv ist. Verzögerungen ergeben sich größtenteils durch gesetzliche Vorgaben für ein solches Bauvorhaben, aber auch durch Fragen zum Dom, der ja Unesco-Weltkulturerbe ist. Diese Zeit ist für uns ein Kostenfaktor.“
Das Thema Büroflächen treibt nicht nur die ganz großen Versicherer um. Auch kleinere Akteure wie MSIGEU, die Deutschlandtochter eines japanischen Versicherungskonzerns, sind auf Wachstumskurs. „Wir sind stolz darauf, dass wir seit 2007 von 17 Mitarbeitenden auf aktuell 296 Mitarbeitende alleine in Deutschland gewachsen sind“, sagt Klaus M. Przybyla, Vorstandsvorsitzender der MSIG Insurance Europe AG, und ergänzt: „Wir freuen uns, immer mehr
zukunftsweisende Arbeitsplätze in Köln anbieten zu können.“ Es könne gut sein, „dass wir uns bald auf die Suche nach einem neuen Bürogebäude begeben“, sagt Przybyla. „Geeignete Immobilien in Köln zu finden, ist jedoch schwierig. Hier würden wir uns mehr wirtschaftlich angemessenere Angebote wünschen.“

„Dafür, dass Köln der zweitgrößte Versicherungsstandort in Deutschland ist und so eine Vielzahl qualifizierter Arbeitsplätze in der Stadt geschaffen werden, wird die Versicherungsbranche unserer Meinung noch nicht ausreichend beachtet und gefördert“.

Diesem Befund schließt sich auch Wolfgang Schwade an, Vorstandsvorsitzender der GVV Versicherungen. „Für mich ist eine besondere Wertschätzung der Branche in der Stadt nicht erkennbar“, sagt er. Er würde sich vor allem Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur wünschen, damit es für Mitarbeiter leichter wird, in die Firmenzentrale zu kommen

„Zwingend nötig, gerade wegen der Kölner Verkehrspolitik der letzten Jahre, ist eine bessere Anbindung des Umlands durch attraktiven ÖPNV – und zwar, bevor die Möglichkeiten für den Individualverkehr weiter eingeschränkt werden. Hier ist eine enge Kooperation mit den umliegenden Gebietskörperschaften unabdingbar.“

Für die hochgradig vernetzte Versicherungsbranche ist zudem wichtig, dass der Standort Köln insgesamt gestärkt und zukunftsfähig aufgestellt wird. Damit dies gelingt und auch Köln als wichtiger Versicherungsstandort gestärkt wird, brauche es nach IHK-Geschäftsbereichsleiter Frank Hemig vor allem: „Mehr Wertschätzung und bessere und effizientere Unterstützung von Seiten der Stadt.“ Um den Austausch der Unternehmen zu fördern und der Bedeutung der Branche für die Stadt und die Region gerecht zu werden, hat die IHK Köln einen Round Table gegründet und führt regelmäßig Gespräche mit den Vorständen.

Die bunte Welt der Kölner Versicherer

Rund 4.000 Unternehmen der Versicherungsbranche arbeiten in Köln – neben vielen kleinen Anbietern von Versicherungs-Dienstleistungen und Maklerbüros sind das vor allem die großen und kleinen Versicherungsanbieter. Eine Typologie.

Die Großen:

Große Kölner Versicherungsunternehmen wie Gothaer und DEVK und die zum Talanx-Konzern gehörenden Versicherungsmarken bieten eine Vielzahl von Versicherungslösungen für die verschiedensten Zielgruppen an, für Privat- wie auch Geschäftskunden.

Die Internationalen:

Europäische und international tätige Versicherungskonzerne wie die französische AXA Gruppe, die schweizerische Zurich Gruppe und der US-Rückversicherer General Reinsurance (Gen Re) oder der japanische Konzern MSIG haben in Köln ihre Deutschland-Töchter angesiedelt.

Die Direktversicherer:

Ihren Sitz in Köln haben auch Direktversicherer wie die Europa Versicherungsgruppe und die GVV Direkt, die unter anderem Beschäftigte und ehrenamtliche Mandatsträger der Kommunen sowie Angestellte der Sparkassen versichert.

Die Spezialisten:

Spezialversicherungen wie die Deutsche Krankenversicherung (DKV), die Roland Rechtsversicherung, die Extremus Versicherungs AG oder die Deutsche Ärzteversicherung finden in Köln exzellent ausgebildete Spezialisten und Fachkräfte für ihre besonderen Bedürfnisse.
Leiter Beratung und Service