IHKplus | Ausgabe 03.2023

Halbzeitbilanz: Wirtschaft wird vernachlässigt

Das „Bündnis der Wirtschaft“ fordert zur Mitte der Legislaturperiode des Kölner Ratsbündnisses mehr Beteiligung. Denn wirtschaftliche Belange werden bei Entscheidungen zu wenig berücksichtigt.
Die Farbkombination Grün-Schwarz-Lila steht in Köln bislang nicht für eine aktive Wirtschaftspolitik. Dieser Ansicht sind neben der IHK Köln auch die Handwerkskammer zu Köln, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und Arbeitgeber Köln. Alle vier Institutionen haben sich zum „Bündnis der Wirtschaft“ zusammengeschlossen und haben dem Kölner Ratsbündnis – bestehend aus Grünen, CDU und Volt – anlässlich der Halbzeit der Legislaturperiode auf die Finger geschaut.

Die Wirtschaft wird zu wenig beteiligt!

„Zwar ist die Gesprächsoffenheit da, es gibt regelmäßigen Austausch sowohl mit der Verwaltung als auch mit Fraktionen“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Uwe Vetterlein. „Aber bei vielen politischen Entscheidungen ist die Wirtschaft nicht wirklich mitgedacht worden.“ Bei jeder Ratsentscheidung sollte immer auch eine Frage beantwortet werden: Was ist gut für den Wirtschafts- und Arbeitsstandort Köln? Die Unternehmen hätten den Eindruck, von der Stadt zu oft als lästige Antragstellende gesehen zu werden. Wirtschaftsfeindlichkeit einer Stadt führe aber dazu, dass Unternehmen in Städte abwandern, in denen sie mehr Wertschätzung erfahren. Vetterlein: „Politik und Verwaltung sind gut beraten, die Quelle, die ansässigen Unternehmen und damit Gewerbesteuerzahlenden besser zu behandeln und mehr zu pflegen, als das bisher der Fall ist.“

Kaum Vor-Ort-Termine bei Unternehmen

„Köln soll zu einem Standort für herausragende Wirtschafts- und Industrieprojekte vorrangig nachhaltiger Branchen werden.“ So steht es im Bündnisvertrag auf Seite 21. Dirk Wasmuth, seit Jahresbeginn Geschäftsführer der Arbeitgeber Köln, kam aus Stuttgart in die Domstadt und hat einen ganz anderen Eindruck. In der baden-württembergischen Landeshauptstadt würden Politik und Verwaltung einen anderen Kurs fahren, sagt er. Stadt und Unternehmen seien in ständigem Austausch mit dem klaren Ziel, die Wirtschaft in der Stadt nach vorne zu bringen. Er fragt sich, wieso das hier nicht so ist. Wasmuth: „Sind die Entscheiderinnen und Entscheider jemals in den Unternehmen gewesen, um sich von den Bedürfnissen ein Bild zu machen?“

Köln braucht ein vernünftiges Mobilitätskonzept!

„Vor dem Hintergrund einer wachsenden Stadt mit knappem Raum setzen wir uns für ein modernes und zukunftsfähiges Mobilitätsangebot mit einer nachhaltigen Raumaufteilung ein“, heißt es im Bündnisvertrag. Doch die desaströsen und gescheiterten Verkehrsversuche auf der Deutzer Freiheit und auf der Venloer Straße erwecken keinen modernen oder zukunftsfähigen Eindruck. Dort wurden, das zeigten Befragungen der IHK Köln vor Ort, die Händlerinnen und Händler vor vollendete Tatsachen gestellt. So forderte Witich Roßmann, Vorsitzender des DGB in Köln, dass die Mobilitätspolitik der Stadt Köln an echten und absehbaren Zahlen aus gerichtet werden solle. „Bei allen Planungen müssen wir jetzt von objektiven Daten und nicht von romantischen Vorstellungen ausgehen“, so Roßmann.

Köln braucht Fach- und Arbeitskräfte!

Im Bündnisvertrag der drei Parteien heißt es: „Als Millionenstadt ist Köln nicht nur als Wohn-, sondern auch als Arbeitsort attraktiv.“ Doch bleibt das auch so? Garrelt Duin, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Köln, wünscht sich mehr bezahlbaren Wohnraum, ausreichend Schul- und Kitaplätze, die Verbesserung der zum Teil desolaten Zustände in den Berufsschulen. Dies alles, so Duin, seien Voraussetzungen, um Fachkräfte in die Stadt zu locken. Die bisherigen Bedingungen seien für Familien eher abschreckend. „Es muss einen Zuzug in diese Stadt geben. Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir eine wachsende Stadt sein wollen.“
Noch viel zu tun also für das Ratsbündnis, das in der 2. Halbzeit aus Sicht der Wirtschaftsverbände wesentlich wirtschaftsfreundlicher werden muss, um negative Konsequenzen für den Standort zu vermeiden. Aber bis zur nächsten Kommunalwahl im Herbst 2025 ist noch Zeit, die Farbkombination Grün-Schwarz-Lila wirtschaftstauglich zu machen. Eine zwingende Voraussetzung dazu wäre, die Wirtschaft zukünftig mehr einzubinden und sie bei politischen Entscheidungsprozessen frühzeitig mit ins Boot zu nehmen. Witich Roßmann bedient sich einer Metapher aus dem Fußball: „Eine richtige Traineransprache in der Halbzeit hat so manches Spiel noch mal umgebogen.“
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