VV-Positionspapier, 4. Dezember 2023

Positionspapier zum Güterverkehr in der Region

Ausgangssituation

Der Bezirk der IHK Köln ist von starken industriellen Ansiedlungen geprägt. Im industriellen Sektor sind unter anderem der Automobilbau, die Chemie- und Pharmaindustrie, der Maschinenbau und die Medizintechnik stark vertreten. Dazu wird im Rheinischen Revier mittelfristig weiter in großem Umfang Braunkohle zur Energiegewinnung abgebaut. Im Ballungsraum Köln leben rund 2,2 Mio. kaufkraftstarke Einwohnerinnen und Einwohner, die eine starke Nachfrage im Einzelhandel- und Dienstleistungssektor generieren.
Der IHK-Bezirk ist ein multimodaler Verkehrsknoten von europäischer Bedeutung mit einer umfassenden Logistikwirtschaft mit großer Wertschöpfungstiefe, die die Lieferketten von der Rohstoffgewinnung über die Produktionsversorgung bis zur Endkundenbelieferung und Entsorgung sicherstellen.
Doch die Funktionalität des komplexen Ökosystems ist durch Defizite in der lokalen und überregionalen Verkehrsinfrastruktur in Gefahr. Zu den größten Schwachstellen zählen die Brücken im überregionalen Straßennetz: 115 von Ihnen werden von der Autobahn GmbH und Straßen.NRW in der schlechtesten und 210 in der zweitschlechtesten Kategorie des Traglastindex bewertet. Mittelfristig sind diese 325 Bauwerke dem Verkehrsaufkommen nicht mehr gewachsen und müssen ersetzt werden, bevor sie durch Bauwerksschäden unbrauchbar werden.
Ein weiteres Problem ist die Überlastung der überregionalen Netze. Der Kölner Autobahnring ist eine der staureichsten Strecken im Autobahnnetz. Geplante Ausbauten für neun Autobahnabschnitte werden im Bundesverkehrswegeplan in der Kategorie der höchsten Dringlichkeit, als sog. „Vorhaben im Vordringlichen Bedarf zur Engpassbeseitigung“ (V-EB) aufgeführt. Auf der Schiene gilt diese Einstufung für den gesamten Bahnknoten Köln. Zudem sind die Strecken zwischen Köln und Düsseldorf sowie die linke Rheinstrecke bis Remagen bereits überlastet, weitere Verbindungen in umliegende Ballungsräume werden zunehmend am Kapazitätslimit betrieben.
Bei den begrenzten Ansiedlungsflächen besteht eine scharfe Konkurrenz zwischen produzierendem Gewerbe und der Logistik. Aufseiten der Kommunen in der Region wird Logistik bei der Ansiedlung oft diskriminiert. Durch das Ausweichen der Logistikdienstleister auf weiter entfernte Standorte erhöht sich wiederum die Belastung der Infrastruktur. Sowohl in den einzelnen Regionen des IHK-Bezirks wie auch übergreifend besteht also dringender Handlungsbedarf.

Forderungen für den gesamten IHK-Bezirk

Infrastruktur für den Güterverkehr ist ein harter Standortfaktor. Bestehende Planungen im Bundesverkehrswege- und Landesstraßenbedarfsplan dürfen nicht wegen lokaler Partikularinteressen blockiert werden. Viele Industriestandorte im IHK-Bezirk Köln, vor allem Großstandorte im Automobilbau und der Chemischen Industrie, sind historisch gewachsen. Sie müssen als unverrückbare Fixpunkte in der Planung der Güterverkehrsnetze einbezogen werden.
Zur Sicherung der Industriestandorte stehen alle Kommunen und Kreise im IHK-Bezirk in der Pflicht, die aktuelle und zukünftige Leistungsfähigkeit des Verkehrssystems auch für den Güterverkehr zu bewerten und Defizite wie überlastete Straßen und marode Brücken zu erfassen. Die Gebietskörperschaften, aber auch übergeordnete Netzbetreiber wie die Autobahn GmbH, Straßen.NRW, DB Netz, HGK und Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung müssen über institutionelle Grenzen hinweg zusammenarbeiten.
Neben den Netzen müssen auch Flächen für Logistikimmobilien Teil der Betrachtung sein. Ohne Flächen für Lagerung und Umschlag erfolgt keine Produktion. Auf Basis der bestehenden Gewerbestrukturen, der Leistungsfähigkeit der Netze, Schwachstellen und zusätzlicher Bedarfe an Verkehrswegen und Logistikflächen muss für die Region eine interkommunale, Verkehrsträger übergreifende langfristige Vision für den Güterverkehr entwickelt werden. Darüber hinaus werden detailliertere, kommunale Güterverkehrskonzepte für die Nahversorgung in den Großstädten benötigt.
Lokale Gewerbetreibende und regionale Interessengruppen müssen bei der Erarbeitung dieser Pläne miteinbezogen werden.

Rhein-Erft-Kreis: Industrielle Transformation durch neue Verkehrswege erleichtern

Während der Braunkohleausstieg um acht Jahre auf 2030 vorgezogen wurde, hat es bei der Beschleunigung von Genehmigungs- und Planungsverfahren noch keine Anpassung gegeben. Daher müssen Infrastrukturvorhaben im Rhein-Erft-Kreis eine besonders hohe Priorität bei der Einführung von Verfahren zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen erhalten.
Diese Entwicklung ist neben der zunehmenden Energieknappheit und der stockenden Freigabe von Gewerbeflächen im rheinischen Revier eine weitere Gefahr für den Strukturwandel. Neue Industrien und die zur Versorgung nötigen Logistikdienstleister werden sich nur dann ansiedeln, wenn die zukünftigen Gewerbegebiete auch über leistungsstarke Anbindungen an das überregionale Verkehrsnetz verfügen. Neben den als V-EB-Maßnahmen gekennzeichneten Ausbauten der A1 und A57 muss auch der Neubau der A553, der Rheinspange, höchste Priorität erhalten.
Gleichzeitig verfügt die Region mit dem Netz der hervorragend ausgebauten Grubenbahnen der RWE über einen Trumpf zur Verkehrsverlagerung lokal produzierter Güter und von Transitverkehren auf die Schiene. Hierfür muss aber zeitnah ein Konzept zur Nachnutzung erarbeitet und im Anschluss ein Netzbetreiber gefunden werden, um Planungssicherheit zu schaffen.
Bei der Ausweisung neuer Gewerbegebiete müssen auch Flächen für Logistikdienstleister berücksichtigt werden. Sie schaffen die Grundlage für die sichere Versorgung von neuen Industriebetrieben und bieten ergänzende Mehrwertdienstleistungen an, die oft zahlreiche zusätzliche Arbeitsplätze generieren.

Leverkusen: Standortsicherung braucht Infrastruktur

Leverkusen ist ein Zentrum der chemischen Industrie von europäischer Bedeutung. Neben der Energiesicherheit muss auch die Anbindung an die überregionalen Verkehrswege für den Gütertransport gesichert werden.
Das Leverkusener Kreuz ist seit Jahren ein Stauschwerpunkt, der endlich ausgebaut werden muss. Dazu müssen die auf Bundesebene getroffenen Beschlüsse zum Ausbau der A1 und A3 entschieden umgesetzt werden. Dieser Ausbau muss langfristig mit jeweils vier Richtungsfahrbahnen erfolgen. Die mehr als zehnjährige Schließung der Rheinbrücke für den Schwerlastverkehr war ein schwerer Schlag für die lokale Wirtschaft. Auf die für Anfang 2024 terminierte Eröffnung des ersten Brückenneubaus muss schnell auch das zweite Brückenbauwerk folgen.
Die Erreichbarkeit der Leverkusener Industriegebiete auf der Schiene muss auch in Zukunft sichergestellt werden. Mehrmals verlängerte Sperrungen wie die der Strecke Köln-Düsseldorf im Sommer 2023 müssen durch ein verbessertes Baustellenmanagement vermieden werden. Zusätzlich müssen beim Ausbau des Knoten Köln ausreichend Kapazitäten für den Güterverkehr vorgehalten werden.
Die Bundeswasserstraße Rhein ist für die Versorgung der chemischen Industrie von elementarer Bedeutung. Die zunehmende Gefahr von Niedrigwasserereignissen muss in die langfristige Verkehrswegeplanung Berücksichtigung finden und es müssen Maßnahmen zur Sicherung der Fahrrinne und der Abladestellen ergriffen werden.
Zuletzt muss langfristig der Anschluss des Standortes an die geplanten Wasserstoffpipelines von den belgischen und niederländischen Nordseehäfen gesichert werden. Für die Transformation der chemischen Industrie ist diese neue Infrastruktur unerlässlich.

Rheinisch–Bergischer Kreis: Brückenschäden und Flächenmangel entschieden entgegentreten

Die industrielle Struktur des Rheinisch-Bergischen Kreises ist durch mittelständische Betriebe im produzierenden Sektor geprägt. Durch die kleinteiligen Produkte der dort vertretenden Branchen und die geringe Erschließung des Kreises durch die Schiene ist der Straßengüterverkehr besonders relevant. Deshalb müssen 50 Straßenbrücken im überregionalen Netz mittelfristig ersetzt werden. Dazu zählen auch große Bauwerke wie die Talbrücke Untereschbach an der A4, die darüber hinaus zwischen Moitzfeld und Köln als Engpass gilt, und auf diesem Abschnitt erweitert werden muss.
Ein weiteres Problem ist die fehlende Verfügbarkeit geeigneter Logistikflächen. In einer gemeinsamen Studie für die Metropolregion Rheinland wurden nur drei verfügbare Gewerbeflächen im gesamten Kreis identifiziert, die für logistische Ansiedlungen geeignet sind.

Oberbergischer Kreis: A 4 bleibt wichtigste Verkehrsachse

Der Oberbergische Kreis gehört zu den wirtschaftlich stärksten Kreisen in NRW mit starker Industrieprägung. Daher ist eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur besonders für die Industrieunternehmen wichtig. Bereits heute befinden sich nach der Studie „Risikofaktor Brücken“ 72 Brücken im Kreis in einem kritischen Zustand, davon 44 Brücken auf der A 4 als wichtigste Verkehrsader ins Rheinland, zum Flughafen und zu den Häfen.
Mit der Sperrung der Talbrücke Rahmede bei Lüdenscheid auf der A 45 ist ein weiterer Engpass entstanden, der die A 4 mit zusätzlichen Verkehren belastet. Daher müssen vor allem die Brücken auf der A 4 als große Verkehrsader von Ost nach West schnellstmöglich instandgesetzt werden – und zwar ohne größere Teilsperrungen und Gewichtseinschränkungen. Gerade für die Unternehmen, die ihre Kunden mit Schwerlast- und Übertransporten bedienen, wie zum Beispiel Maschinenbauer sowie Kran- und Containerbauer, ist dies besonders relevant.
Aber auch innerhalb des Kreises muss die vorhandene Infrastruktur ertüchtigt werden, um den Warentransport von A nach B zu ermöglichen und den Menschen im ländlichen Raum Mobilität zu erleichtern. Mit der geplanten Elektrifizierung der RB 25, der Oberbergischen Bahn und dem avisierten Halb-Stunden-Takt wird es im Personennahverkehr zu einer erheblichen Verbesserung bei der Anbindung an die Rheinschiene kommen. Diese Verbesserungen sind für Pendler innerhalb des Kreises ebenso wichtig wie für Ein- und Auspendler.

Köln: Industriestandort benötigt eine metropolitane Logistikinfrastruktur

Köln ist innerhalb des IHK-Bezirks die Gebietskörperschaft mit den meisten defizitären Brücken, insgesamt sind 104 Bauwerke allein im Netz der Autobahn GmbH und von Straßen.NRW betroffen und müssen ersetzt werden. Das prominenteste Bauwerk ist die Rodenkirchener Brücke im Süden des Kölner Autobahnrings. Nach der Fertigstellung der Rheinspange ist der hier vorgesehene achtspurige Ersatzneubau eine unbedingt erforderliche Maßnahme.
Köln entwickelt ab 2024 als erste Stadt ein dezidiertes Konzept für nachhaltigen Güterverkehr, das sich in die langfristig ausgelegte Mobilitätsstrategie der Stadt einfügen soll. Um es erfolgreich umzusetzen, ist es unverzichtbar, die Wirtschaft bei der Entwicklung des Plans zu beteiligen. Im besten Fall kann ein gelungenes Logistikkonzept Vorbild für die weiteren Städte im IHK-Bezirk sein. Als Baustein dafür gibt es in Köln bereits heute ein Vorrangroutennetz für den Straßengüterverkehr.
Darüber hinaus muss bei der Entwicklung des Bahnknoten Köln der Schienengüterverkehr mitgeplant werden. Im Netz der Deutschen Bahn und der Nicht-Bundeseigenen Eisenbahnen müssen die Transitstrecken, Gleisanschlüsse und die Rangierbahnhöfe in Kalk und Gremberg weiterhin bedarfsgerecht bedient werden können, auch wenn parallel das S-Bahn-Netz in seinem Umfang verdoppelt und im Fernverkehr die Infrastruktur für den Deutschland-Takt geschaffen wird.
Weiterhin muss die Bedeutung des Rheins als Bundeswasserstraße für den Güterverkehr in der Städtebauplanung berücksichtigt werden. Von zentraler Bedeutung für den Güterumschlag in der gesamten Region ist weiterhin der Niehler Hafen, der als Teil des Wasserstraßen-, Hafen- und Logistikkonzept konsequent weiterentwickelt werden muss. Am ausgebauten Rheinufer im Stadtgebiet muss die Landstromversorgung ertüchtigt und im Deutzer Hafen die Schutzhafenfunktion im Rahmen der Neuentwicklung so weit wie möglich aufrechterhalten werden. Zuletzt müssen bestehende Betriebe zur Reparatur und Wartung von Frachtschiffen im Stadtteil Mülheim in der Stadtentwicklung berücksichtigt werden und erhalten bleiben.
Ebenso darf der Flughafen Köln-Bonn in seinem Betrieb nicht eingeschränkt werden. Die vorhandene Nachtfluggenehmigung und die gut ausgebaute Umschlagsinfrastruktur machen ihn zu einem entscheidenden Standortfaktor für das produzierende Gewerbe im gesamten IHK-Bezirk.
Auch in Köln sind Gewerbeflächen für Logistikimmobilien knapp und die Grundstückspreise hoch. Besonders in Köln müssen daher Hürden in der Landesbauordnung für die Genehmigung von mehrstöckigen Logistikimmobilien abgebaut werden.