Ohne Steuerreform kein Wachstum: Wer Unternehmen am Standort halten will, muss sie entlasten
Deutschland braucht ein eindeutiges Bekenntnis zu mehr Wachstum und Beschäftigung. Ein investitions- und innovationsfreundliches Wirtschaftsklima ist notwendiger denn je. Die Steuerpolitik hat dabei eine herausragende Bedeutung. Steuerbelastungen bestimmen in hohem Maße die Rahmenbedingungen, unter denen sich deutsche Unternehmen gegenüber der internationalen Konkurrenz behaupten müssen.
- 1. Investitionskraft der Unternehmen stärken
- 2. Besteuerung von Kosten zurückführen
- 3. Solidaritätszuschlag abschaffen
- 4. Steuerbürokratie konsequent abbauen – Chancen der Digitalisierung nutzen
- 5. Verbesserungen bei der Thesaurierung bei Personenunternehmen
- 6. Ablehnung einer Vermögensteuer
- 7. Neue Diskussion um die Erbschaftsteuer ein Irrweg
Die Antwort auf die Frage, ob wir es schaffen, die Unternehmensbesteuerung in Deutschland neu zu gestalten, wird mit darüber entscheiden, ob der Standort in Zukunft noch wettbewerbsfähig ist – oder eben nicht.
Hohe Steuern auf Gewinne schrecken internationale Investoren ab. Die IHK Köln sieht deshalb einen erheblichen Modernisierungsbedarf bei der Unternehmensbesteuerung. Die steuerlichen Investitionsbedingungen für die gewerbliche Wirtschaft müssen noch in dieser Legislaturperiode deutlich verbessert werden. Der von der neuen Bundesregierung beschlossene „Wachstumsbooster“ ist nach drei Rezessionsjahren ein Schritt in die richtige Richtung. Für nachhaltiges Wirtschaftswachstum und eine positive Beschäftigungsentwicklung sind jedoch weitere Maßnahmen notwendig.
Wir müssen grundsätzlicher ran. Die letzte umfassende Reform der Unternehmensbesteuerung in Deutschland datiert aus dem Jahr 2008. Zusammen mit der „Agenda 2010” war sie die Voraussetzung für eine mehr als ein Jahrzehnt anhaltende positive Wirtschaftsentwicklung mit nahezu Vollbeschäftigung. Aus dieser Stärke heraus waren die Krisen der vergangenen Jahre überhaupt erst zu bewältigen. Doch haben seit 2008 etliche Industriestaaten ihre Unternehmenssteuern als Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung gesenkt. Im Vergleich zu anderen Ländern in Europa und der Welt ist die Steuerbelastung der deutschen Unternehmen höher. Daran wird auch die beschlossene schrittweise Senkung des Körperschaftsteuersatzes von derzeit 15 Prozent in jährlichen 1Prozent-Schritten bis auf 10Prozent im Jahr 2032 wenig ändern. Diese Senkung kommt zu spät, die Steuersätze bleiben zu hoch. Zusammen mit der Gewerbesteuer verbleibt die Steuerbelastung bei insgesamt über 25 Prozent. Andere Industriestaaten liegen mittlerweile schon bei 20 Prozent.
Die IHK Köln plädiert dafür, die Steuerpolitik wieder stärker zur Verbesserung der Standortbedingungen im internationalen Wettbewerb zu nutzen - durchaus auch, um durch hieraus entstehendes Wirtschaftswachstum höhere Steuereinnahmen zu erzielen. Andere Industrienationen tun das. Überlegungen für Steuer- und Abgabenerhöhungen zur Sanierung der öffentlichen Haushalte, wie aktuell bezogen auf die Erbschaftsteuer oder die Wiedereinführung einer Vermögensteuer diskutiert, sind abzulehnen. Hier muss der Fokus auf Einsparungen und Strukturreformen liegen.
Die IHK Köln empfiehlt eine umfassende Unternehmenssteuerreform auf Basis der folgenden sieben Punkte:
1. Investitionskraft der Unternehmen stärken
Die Möglichkeit zur beschleunigten Abschreibung von Investitionsgütern mittels der degressiven Abschreibung sollte dauerhaft gelten und nicht nur bis Ende 2027. Eine degressive Abschreibung würde die Liquidität der Unternehmen verbessern und mehr Investitionen mit entsprechendem Beschäftigungsaufbau ermöglichen.
2. Besteuerung von Kosten zurückführen
Die systemwidrige Besteuerung von Kosten muss unterbleiben. Das betrifft insbesondere die Hinzurechnungen bei der Gewerbesteuer. Die Art der Finanzierung darf für die Höhe der Steuern keine Rolle spielen. Die Bemessungsgrundlage bei der Gewerbesteuer muss durch die Streichung von Hinzurechnungen und Kürzungen vereinheitlicht werden.
3. Solidaritätszuschlag abschaffen
Der Solidaritätszuschlag wurde ursprünglich zur Finanzierung der deutschen Einheit eingeführt; die deutsche Einheit ist aber längst ausfinanziert. Aktuell fließen alle Mittel, die aus dem „Soli“ kommen, in den normalen Bundeshaushalt. Seit 2021 ist der Solidaritätszuschlag für einen Großteil der Steuerzahler, insbesondere Gering- und Mittelverdiener, entfallen. Eine vollständige Abschaffung ist kurzfristig erforderlich, um viele kleine und mittlere Unternehmen, die Einkommensteuer zahlen, erheblich zu entlasten.
4. Steuerbürokratie konsequent abbauen – Chancen der Digitalisierung nutzen
Die Vereinfachung des Steuerrechts und des Verfahrensrechts ist für die Unternehmen von hoher Bedeutung. Unternehmen und Steuerverwaltung würden gleichermaßen von einer schnelleren Digitalisierung profitieren. Steuergesetze und -verordnungen müssen so ausgestaltet sein, dass sie den Unternehmen mehr Rechtssicherheit bei der Befolgung von steuerlichen Pflichten bieten. Berichts-, Dokumentations- und Nachweispflichten sind auf das absolut erforderliche Minimum zu reduzieren.
5. Verbesserungen bei der Thesaurierung bei Personenunternehmen
Für Personengesellschaften wurde mit der Steuerreform im Jahr 2008 die Möglichkeit eingeräumt, wieder in das Unternehmen investierte Gewinne mit einem günstigeren Steuersatz zu versteuern (sog. Thesaurierungsbegünstigung). Mit dieser Regelung sollte u. a. die verfassungsrechtlich gebotene Belastungsgleichheit von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften hergestellt werden (Rechtsformneutralität). Mit der geplanten Senkung des Thesaurierungssteuersatzes in drei Stufen auf 25 Prozent ab dem Jahr 2032 wird ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung unternommen. Erforderlich sind aber noch weitere Vereinfachungen bei der Inanspruchnahme, damit sehr viel mehr Personenunternehmen diese Sonderregelung in Anspruch nehmen.
6. Ablehnung einer Vermögensteuer
Die Diskussion um die Wiedereinführung der Vermögensteuer in Deutschland geht fehl. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erklärte 1995 die Vermögensteuer für verfassungswidrig, da sie gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstieß. Insbesondere wurde die ungleiche Bewertung von Grundvermögen und sonstigem Vermögen kritisiert. Eine Wiedereinführung müsste diese verfassungsrechtlichen Vorgaben berücksichtigen, was mit erheblichem gesetzgeberischen, aber auch bürokratischen Aufwand verbunden wäre.
Im internationalen Vergleich haben viele Länder die Vermögensteuer abgeschafft, da sie als ineffizient und wachstumshemmend gilt. Eine Wiedereinführung in Deutschland wäre ein Standortnachteil, schon die Diskussion darüber vertreibt Kapital ins Ausland.
7. Neue Diskussion um die Erbschaftsteuer ein Irrweg
Das Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuerrecht ist schon seit Jahrzehnten immer wieder in der politischen Diskussion. Die aktuelle, durchaus komplexe Regelung ist ein mühsamerarbeiteter Kompromiss, bei dem die Fortführung von Familienunternehmen und die Sicherung der Arbeitsplätze im Vordergrund stehen. Dieses Ziel ist nur erreichbar, wenn Familienunternehmen langfristig planen und sich auf gesetzliche Regelungen verlassen können.
Das gilt insbesondere auch für die Verschonung des Betriebsvermögens im Erbschaftssteuerrecht. Deutschland ist geprägt durch einen einzigartigen Unternehmensmix, um den uns fast die ganze Welt beneidet: Es gibt eine Reihe weltweit erfolgreicher großer Konzerne, viele engagierte Kleinunternehmen und einen – im internationalen Vergleich – breiten Mittelstand, der sehr stark von Familienunternehmen geprägt ist. 90 Prozent der Unternehmen befinden sich in Familienhand, sie stellen 60 Prozent der Arbeitsplätze und das soll auch so bleiben.