Wirtschaftsfaktor Kölsch: Der flüssige Dialekt

Wie eine Bier-Sorte zur Marketing-Botschafterin für eine ganze Region geworden ist.
Ein frisch gezapftes kühles Kölsch im Brauhaus oder in der Veedelskneipe. Das weiß auch der Autor dieser Zeilen zu schätzen, obwohl er im Ruhrgebiet geboren ist und dementsprechend als Heranwachsender mit Pils sozialisiert wurde.
Kölsch, das ist bekannterweise ein „Dialekt im Glas“. Denn es ist sowohl eine Sprache als auch eine weit über die Grenzen der Domstadt bekannte Bier-Sorte. Wenn also eine Bier-Sorte ihre Herkunft wortwörtlich im Namen trägt, ist das perfektes Marketing weit über das Brauhaus hinaus. Kölsch als Bier ist weit mehr als nur ein Genussmittel. Das lokale Bier ist für Köln und die Region ein echter Wirtschaftsfaktor.

Doch zunächst die Definition: Was ist überhaupt ein Kölsch?

Was sich „Kölsch“ nennen darf, regelt die Kölsch-Konvention, die im März 1986 von damals 24 Brauereien unterzeichnet wurde. Kölsch wird von der EU durch das Siegel „g. g. A.“ (geschützte geografische Angabe) geschützt. Dieser Schutz sorgt dafür, dass es ausschließlich in Köln gebraut werden darf.
Es gibt aber auch Ausnahmen. Das sind die Brauereien außerhalb des Stadtgebiets, die bereits vor Inkrafttreten der Kölsch-Konvention den Bierstil Kölsch hergestellt haben – zum Beispiel die Erzquell-Brauerei in Wiehl („Zunft Kölsch“) oder die Privatbrauerei Bischoff („Bischoff Kölsch“) in Brühl. Durch den Schutz der EU ist Kölsch nicht nur eine weltweit anerkannte Bier-Sorte, sondern gleichzeitig eine Herkunftsbezeichnung. Echt ist es also nur, wenn es aus Köln kommt – oder eben aus Wiehl oder Brühl!
Es ist die einzige Bier-Sorte, die gleichzeitig eine Herkunftsbezeichnung und eine Sprache ist. Das gibt es nirgendwo sonst auf der Welt. Wer Kölsch trinkt, bekommt auch ein Stück Kölner Lebensart.
– Heinrich Philipp Becker, Chef der Gaffel-Brauerei und Vorstandsmitglied des Kölner Brauerei-Verbandes
Das Marketing im Namen funktioniert für die Brauereien aber natürlich nicht von alleine. Inzwischen gibt es unzählige Nebenprodukte rund um das Bier. Sogar welche, in denen Kölsch verarbeitet ist. Zum Beispiel verkauft eine Brauerei ein Shampoo, in dem ein Schuss ihres Bieres enthalten ist. Und eine Kölner Eis-Manufaktur hat das Gebräu einer anderen Brauerei auf dem Rezeptzettel.
Fakt ist aber auch: Es wird allgemein weniger Alkohol getrunken. Das gilt auch fürs Bier. In NRW ging der Absatz im Jahr 2024 nach Angaben des Statistischen
Bundesamtes um gut 1,9 Prozent auf gut 20,8 Millionen Hektoliter zurück. Das schlägt sich natürlich auch auf den Kölsch-Markt nieder. Nach Angaben des Kölner Brauerei-Verbandes wurden 2024 1,7 Millionen Hektoliter Kölsch abgesetzt – 50.000 weniger als im Jahr zuvor.

Wirtschaftsfaktor Kölsch

1.7 Hektoliter Kölsch wurden 2024 abgesetzt.
1000 direkte Jobs hängen an Kölsch-Brauereien.
100 Kölsch-Marken gab es insgesamt im Laufe der Zeit.
Dennoch ist die heimische Sorte in der Kölner Gastronomie absolut dominant. In Kneipen und Restaurants gehen zwischen 80 und 90 Prozent aller Biere in der 0,2-Liter-Stange über den Tresen. Und, Stichwort Wirtschaftsfaktor, nach wie vor lockt das obergärige Bier Millionen von Touristen in die Brauhäuser und Kneipen. Achten Sie mal im Brauhaus darauf, aus wie vielen Perspektiven man das erste Kölsch des Tages mit dem Smartphone fotografieren kann. Diese Fotos landen in der ganzen Welt!
INTERESSANTER FAKT
„Kölsch-König“ ist eigentlich ein Unternehmen aus Ostwestfalen. Der Bielefelder Lebensmittelkonzern Dr. Oetker besitzt gleich sechs Marken – die aber natürlich alle in Köln gebraut werden. Heute sorgt die Branche in der Region noch für rund 1.000 direkte Arbeitsplätze. Hinzu kommen Arbeitsplätze im Getränkehandel oder in der Gastronomie.
Wer in Köln ein Bier bestellt, sagt den Namen der Stadt gleich mit. Das ist einmalig.
– Alexander Rolf, Geschäftsführender Gesellschafter der Cölner Hofbräu Früh Holding KG
Dass der Kölsch-Markt immer noch einigermaßen stabil ist, „liegt vor allem an unserer starken regionalen Verwurzelung und der besonderen Verbindung, die die Menschen in Köln zu ihrem Kölsch haben“, sagt Heinrich Philipp Becker, Chef der Gaffel-Brauerei, Vorstandsmitglied des Kölner Brauerei-Verbandes und Mitglied der Vollversammlung der IHK Köln. „Es ist die einzige Bier-Sorte, die gleichzeitig eine Herkunftsbezeichnung und eine Sprache ist. Das gibt es nirgendwo sonst auf der Welt. Wer Kölsch trinkt, bekommt auch ein Stück Kölner Lebensart.“

Nach dem Krieg gab es nur noch zwei Brauereien

So sieht es auch Alexander Rolff, Geschäftsführender Gesellschafter der Cölner Hofbräu Früh Holding KG. „Wer in Köln ein Bier bestellt, sagt den Namen der Stadt gleich mit. Das ist einmalig“, sagt er. Sein Unternehmen braucht, ebenso wie die anderen Brauereien, Kreativität, um dem sinkenden Absatz entgegenzutreten. „Wir versuchen beispielsweise, unser Verbreitungsgebiet zu erweitern. Wir wollen Kölsch auch in anderen Regionen im Land schmackhaft machen“, so Rolff. Dass das Erfolg verspricht, bekommen zum Beispiel seit Jahren Gäste des weltweit größten Segelevents der Welt, der „Kieler Woche“, zu
spüren. Dort gibt es einen „Früh“-Stand. „Der wird von Jahr zu Jahr größer und wir verkaufen dort Hunderte Hektoliter Kölsch“, so Rolff.
Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs gab es in Köln übrigens nur noch zwei Brauereien, die noch Kölsch herstellen konnten. Unter schweren Bedingungen haben Dom und Sünner noch brauen können. Doch wie alles im Land wurden auch die Brauereien schnell wieder aufgebaut, sodass nur wenig später schon 24 Brauereien in Betrieb waren. Der Markt wuchs schnell, Brauereien kamen – und gingen. Über die Jahrzehnte erblickten insgesamt rund 100 Kölsch-Marken das Licht der Welt. Heute sind es noch 16, die an sieben unterschiedlichen Orten gebraut werden. Die älteste noch bestehende Kölsch-Brauerei ist Sünner aus dem Stadtteil Kalk. +

Und zum Schluss die Frage aller Fragen: Was ist denn nun das beste Kölsch?

Spoiler: Die Frage lässt sich so allgemein nicht beantworten.
„Das ist am Ende schlichtweg eine Frage des persönlichen Geschmacks“, sagt Michael Busemann. Er muss es wissen, denn Busemann ist zertifizierter Bier-Sommelier. Selbst er hat nicht das eine Lieblingskölsch. „Mir schmecken verschiedene Kölsch-Sorten zu verschiedenen Zeitpunkten“, sagt er. „Das kommt drauf an, zum Beispiel: Wo ich gerade bin, wie ist die ‚Tagesform‘, was isst man dazu.“
Um die Frage für sich zu beantworten, gibt es also nur einen Weg: selbst probieren – und damit den Absatz und so auch am Ende die Wirtschaft ankurbeln. Prost!
Anke Greiling
Wirtschaft und Politik