Köln liegt am Meer!
Der Niehler Hafen feiert in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag. Ein guter Grund, einen ganzen Tag und eine ganze Nacht am größten Umschlagplatz der Region zu verbringen!
Mitten in Köln liegt ein Hafen, den kaum jemand kennt. Doch ohne diesen Hafen würden die Regale leer bleiben!
In Köln-Niehl werden jeden Tag um die 1.000 Container zwischen Schiff, Zug und Lkw hin- und herjongliert. Darin sind Güter, die jeder braucht: Turnschuhe, Jeans, Orangen, Speiseeis, aber auch Maschinenteile oder Industriesalz für Unternehmen. Nach Duisburg ist Köln der zweitgrößte Binnenhafenstandort in Deutschland und Niehl mit einer Gesamtfläche von 1,4 Millionen Quadratmetern und vier Hafenbecken der größte in Köln. Weitere Häfen gibt es in Godorf und Mülheim.
100 Jahre Niehler Hafen
100 Jahre gibt es den Niehler Hafen bereits, der damalige Oberbürgermeister Konrad Adenauer setzte sich Anfang der 1920er-Jahre für den Bau ein. Der Standort in Niehl sollte die bisherigen Umschlagplätze Rheinauhafen und Deutz ergänzen. Bis in die 1950er-Jahre wurden vier Hafenbecken in Niehl gebaut, in einem überwintern heute die Schiffe der Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschiffahrt GmbH (KD).
Auf dem Hafengelände sind verschiedene Firmen untergebracht, die wichtigste ist die Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK), zu der auch die CTS Container-Terminal GmbH gehört. Hier laufen die Fäden für die gesamte Logistik zusammen, die hier Tag für Tag abgewickelt wird.
HGK verschickt Container zwischen Rotterdam und Köln
Kernaufgabe der HGK ist Umschlag, Lagerung und Transport von unterschiedlichsten Gütern – pro Jahr ungefähr 7,9 Millionen Tonnen Ware. Dafür betreibt sie außer in Köln auch noch in Düsseldorf, Krefeld und Duisburg intermodale Terminals entlang des Rheins.
Kurz gesagt funktioniert das Ganze so: In den europäischen Seehäfen Rotterdam, Antwerpen, Wilhelmshaven, Hamburg oder Bremerhaven kommen Schiffe mit Containern an, die die HGK dann per Binnenschiff oder Zug nach Köln holt und dann per Bahn oder Lkw in der Region weiter verteilt.
Das Ganze funktioniert auch umgekehrt: Die Lkw, die Ware ausgeliefert haben, holen auf dem Rückweg aus verschiedenen Unternehmen Ware in Containern ab und fahren sie nach Niehl. Von dort aus geht es wieder per Bahn oder Binnenschiff zu den Seehäfen und anschließend in die Welt.
Es ist eine perfekt organisierte Kette, bei der ein Rädchen ins andere greift.
Tor zur Welt für Unternehmen aus dem Kammerbezirk
„Der Hafen Niehl ist das Tor zur Welt für viele Unternehmen aus dem Kammerbezirk. Von hier aus werden Güter von Ford, Deutz, den Chemieunternehmen aber auch von kleineren Industrieunternehmen aus dem Bergischen in die Welt geschickt. Umgekehrt versorgen wir von hier aus die Kölner Bevölkerung mit Konsumgütern“, erklärt CTS-General Manager Oliver Haas das Prinzip. Wie wichtig der Standort Köln als Logistik-Drehscheibe ist, zeigt die Ankündigung der HGK, hier in den nächsten fünf Jahren 100 Millionen Euro investieren zu wollen.
60.000 Container von der Straße auf die Schiene
Straße, Schiene, Schiff: Dieses Unterwegssein auf drei verschiedenen Wegen meint der HGK-Firmennamenzusatz „intermodal“. Etwa 60.000 Container verlagert die HGK jedes Jahr nach eigenen Angaben weg von der Straße auf Schiffe und Schienen und spart so 17 Millionen Straßenkilometer ein. „Das entlastet nicht nur Straßen und Umwelt, sondern macht den Transport auch sicherer“, erklärt HGK-Logistics- and-Intermodal-CEO Markus Krämer.
„Man muss mit den Verkehrsträgern spielen und sie je nach ihrem Vorteil nutzen. Schiffe transportieren mittlerweile bis zu 24.000 Container, die können unmöglich alle per Lkw durch Europa gefahren werden.“ – Markus Krämer, CEO der HGK Logistics and Intermodal
Seit 2021 ist er CEO, hat bei der HGK Logistics and Intermodal GmbH aber auch das duale Studium Industrial Management absolviert, die Ausbildung zum Industriekaufmann gemacht und bei der Tochterfirma RheinCargo gearbeitet, bevor er 2020 in die Geschäftsführung aufstieg. Schiene, Wasserstraße und Truck müssten ineinandergreifen, so Krämer: „Man muss mit den Verkehrsträgern spielen und sie je nach ihrem Vorteil nutzen. Die größten Seeschiffe transportieren mittlerweile 24.000 Standardcontainer, die können unmöglich alle per Lkw durch Europa gefahren werden.“
„Logistik muss funktionieren für Industrie und Handel“
Das wäre in Köln und der Region auch schwierig, da Brücken und Straßen größtenteils kaputt und verstopft sind. Die heruntergekommene Infrastruktur bringt auch Probleme für den Hafen mit sich. „Es nützt nichts, wenn von Asien nach Rotterdam und von Rotterdam nach Köln alles reibungslos läuft, aber die Ware dann innerhalb der Region wegen der maroden Straßen und Brücken nicht mehr vorankommt“, sagt Krämer. Sein Appell deshalb: „Logistik muss funktionieren für Industrie und Handel. Sonst ist ein Standort nicht mehr attraktiv!“ Und eigentlich könnte Köln mit dem Rhein, Autobahnen in alle Richtungen, Eisenbahnknotenpunkten und dem Flughafen ein Premium-Standort sein, meint Oliver Haas. Doch in der Realität stocke es leider viel zu oft, nicht bloß auf der Mülheimer Brücke als direkte Hafenanbindung.
Haas sagt deshalb: „Nur, wenn die Container ohne Einschränkungen auf freien Hauptachsen in Köln von und zum Hafen Köln Niehl befördert werden können, kann der Hafen seine volle Leistung ausspielen. Sonst bleiben die Regale leer.“
Riesige Container liegen wie Lego-Klötze aufeinandergestapelt, Stapler und Kräne bewegen sich, im Minutentakt fahren Lkw auf das Gelände, Schiffe und Züge werden beladen oder abgeräumt. Wie sieht das aus, wenn täglich 1.000 Container zwischen Schiff, Zug und Lkw hin- und herbewegt werden? Die IHK Köln durfte einen Tag und eine Nacht lang dabei sein.
Damit alle Container am richtigen Ort landen, ist ein enormer logistischer Aufwand nötig. Die Fäden dafür in der Hand hat die HGK-Tochterfirma CTS Container-Terminal GmbH, deren General Manager Oliver Haas das IHK-Team beim Hafenbesuch begleitet. Wie gut er das Unternehmen kennt, zeigt sich unter anderem daran, dass er von Lkw-Fahrer über Kranführer bis Büroangestellte jeden mit Namen begrüßt. In den 1980er-Jahren hat er bei der HGK seine Ausbildung zum Speditionskaufmann gemacht und anschließend BWL studiert. Seit 2002 ist er hier tätig und arbeitet inzwischen als General Manager.
Nachts werden vor allem die Schiffe und Züge entladen
Im Niehler Hafen wird im Dreischicht-Betrieb rund um die Uhr gearbeitet. Weil in der Nacht kaum Lkw kommen, um Container zu bringen oder abzuholen, werden in dieser etwas ruhigeren Zeit die unter anderem aus Rotterdam und Antwerpen angekommenen Schiffe und Züge entladen.
„Die Schiffe pendeln in einem festen Fahrplan ähnlich wie Straßenbahnen zwischen Köln und den Seehäfen hin und her und halten unterwegs an verschiedenen Terminals sowie bei Firmen mit Werkshafen am Rhein an, zum Beispiel bei Bayer. Hier wird dann Ware abgeladen und von den Firmen gepackte Container werden aufgeladen, die die HGK von Köln aus wieder in die Seehäfen bringt“, erklärt Haas.
Frank Schmidt in der Führerkabine seines Krans
Für das Entladen der Schiffe und Züge sind die Kranführer zuständig. Für diesen Job in der Höhe ist jede Menge Fingerspitzengefühl nötig. Frank Schmidt schaut aus der Führerkabine nach unten auf das Schiff, vor ihm baumeln die Greifer des Krans. Die muss er per Joystick genau in die Öffnungen an den Ecken des Containers einhaken. Nur, wenn die Stifte perfekt sitzen, erscheint ein grünes Licht und er kann die Box hochheben und versetzen.
Über Funk gibt ihm der Leitstanddisponent Thomas Kröppelin durch, wo er den Container abstellen soll: Manchmal muss ein Zug bepackt werden, manchmal stellt er die Boxen auf dem Boden ab. Entweder holt ihn dann ein Lkw zum Weitertransport ab oder er wird auf dem Hafengelände zwischengelagert.
Um das Verräumen auf dem Gelände kümmern sich die Fahrer der sogenannten Reachstacker. Das sind große Greifstapler, die die Container herumfahren und wie in einem riesigen 3D-Tetris-Spiel aufeinanderstapeln. Der Stapler selbst wiegt 93 Tonnen, deshalb kippt er auch mit einem voll beladenen Container an der Angel nicht um. Bei unserem Besuch zeigt Jiri Retr, wie elegant die Schlepper-Stapelei aussehen kann.
„Die Schiffe pendeln wie Straßenbahnen zwischen Köln und Rotterdam hin und her …“ – Oliver Haas, General Manager der HGK-Tochterfirma CTS Container-Terminal GmbH
Wie findet man auf dem riesigen Gelände den richtigen Container wieder?
Auf dem 132.000 Quadratmeter großen Hafengelände gibt es viele große und bunte Containerstapel. Damit alles am richtigen Platz landet und vor allem später auch wiedergefunden wird, ist das ganze Gelände in ein digitales Koordinatensystem eingeteilt. IT-gestützt wird genau notiert, wo welcher Container abgestellt wird. Ohne das überblickende Auge des Leitstanddisponenten gäbe es wohl Chaos.
Was sich in den Containern verbirgt, ist von außen nicht zu erkennen, dafür muss man in die Frachtpapiere schauen. „Mal wird Speiseeis durch ganz Europa transportiert, mal kommen Orangen aus Spanien an, mal Textilien aus China. Hier ist jeder Tag anders“, sagt Haas.
Zollkontrollen gebe es hier zwar auch, aber nicht so regelmäßig wie in den Seehäfen. Gegen Drogenhandel wird streng vorgegangen. Auf seinem Handy zeigt er ein Foto aus dem Rotterdamer Hafen, das ein per Röntgenstrahlen durchleuchtetes Auto zeigt.
6 Uhr morgens: Der Trubel beginnt
Um 6 Uhr morgens erwacht der Hafen so richtig zum Leben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von CTS beginnen mit ihrer Arbeit im Büro, draußen kommt ein Lkw nach dem anderen an.
Die Fahrerinnen und Fahrer müssen sich erst im Gatehaus bei CTS anmelden, bevor sie auf das Gelände fahren dürfen. Dort erhalten sie einen Zettel mit einem QR-Code, mit dem sie das Tor öffnen können. Anschließend dirigiert sie der Leitstanddisponent an die richtige Stelle, je nachdem, ob sie einen Container absetzen oder aufnehmen wollen.
Christian Halber am Steuer seines LKWs. Er ist seit 4 Uhr morgens unterwegs.
Christian Halber ist schon seit 4 Uhr unterwegs. In Niehl holt er Färbemittel ab, die er nach Ladbergen ins Münsterland bringen muss. Als Jiri Retr mit seinem Reachstacker den Container auf Halbers Lkw setzt, muss er aus dem Führerhaus aussteigen und sich ein paar Meter entfernen. Zur Sicherheit. Dann steigt er wieder ein und macht sich auf den Weg zur A1 nach Ladbergen. Ist das erledigt, geht es für ihn wieder nach Hause. „Die meisten unserer Fahrer können abends in ihrem eigenen Bett schlafen und schätzen das sehr“, sagt Haas.
Am Westkai werden komplette Lkw verschickt
Am Westkai werden währenddessen ganze Lkw-Trailer auf einen Zug gepackt. Darin befinden sich zum Beispiel Industriegüter oder Autoteile, die dann mit dem Zug nach Perpignan oder Budapest gefahren und von dort aus zum Kunden gebracht werden. Weil die Trailer nur noch an eine Zugmaschine gekoppelt werden müssen, geht der Transport auf diese Weise noch schneller und einfacher.
Wenn der Kapitän zum Zahnarzt muss
Nicht jedes Schiff, das im Niehler Hafen ankommt, transportiert Ware. Manchmal ruht es sich hier einfach nur aus. Denn der Niehler Hafen ist auch ein Schutzhafen, in dem die Kapitäne anhalten können, wenn sie zum Beispiel einkaufen oder zum Zahnarzt müssen oder eine Pause brauchen. Dafür müssen sie sich nur vorher beim Hafenmeister anmelden.
In der Werkstatt fliegen die Funken
Im Niehler Hafen werden die Container auch gewaschen, repariert oder zu neuer Funktion umgearbeitet. „Wenn die Reederei es will, überprüfen wir hier die leeren Container und reparieren sie auch. Größere Arbeiten werden allerdings meist in Fernost erledigt, weil das billiger ist“, erzählt Metallbaumeister Dustin Groß. Dann setzt er die Flex an und richtet eine verbogene Verriegelung, dass die Funken sprühen.
Über den Tag werden die Züge wieder neu bepackt
Die Züge, die nachts oder morgens entladen werden, werden über den Tag verteilt neu befüllt. Draufgepackt werden Container, die per Lkw oder Schiff wieder voll nach Niehl gekommen sind, und von hier aus nach Rotterdam zurücksollen. Mit jeder Stunde bis zum Abend wird die Containerschlange auf dem Zug länger, wie bei einem Spielzeugzug, an den immer ein neuer Waggon gehängt wird.
Es gibt zwei Größen von Containern, entweder 40 oder 20 Fuß groß. 20 Fuß sind 1 TEU, das ist die Abkürzung für Twenty-feet Equivalent Unit, also 20-Fuß-Standardcontainer. Auf einen Güterzug passen 100 TEU, auf ein Seeschiff bis zu 24.000. Die stapelbare Transportbox gibt es übrigens erst seit den 1960er-Jahren in Europa. Vorher wurden die Waren lose verschifft. „Auf dem Gelände hier steht noch ein Speicherhaus, in dem früher bis unter das Dach Zucker gelagert wurde“, weiß Haas.
Und wie kommen die Züge von Niehl nach Rotterdam?
Wenn ein Zug abends voll beladen ist, kommt Rangierbegleiter Cengiz Kücükler vom Eisenbahnverkehrsunternehmen RheinCargo ins Spiel, einer Tochterfirma der HGK. Er kümmert sich gerade um Container mit Maschinenteilen und Chemikalien aus dem Chemiepark Knapsack.
Die RheinCargo stellt Rangierloks zur Verfügung, die die Züge über die Schienen im Hafen bis zum Vorbahnhof Niehl und von dort aus weiter zum Bahnhof Eifeltor bringen.
Triebfahrzeugführer Gustav Engelking unterhält sich mit HGK-Logistics-and-Intermodal-CEO Markus Krämer. Dort wird der Zug dann an eine sogenannte Streckenlok übergeben, die weiter nach Rotterdam fährt.
Und dann geht alles wieder von vorne los. +
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Verkehrspolitik, Logistik, Mobilität
Christopher Köhne
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