Warum das 500-Milliarden-Sondervermögen trotz Investitionsstau mit größter Vorsicht zu genießen ist
Der Investitionsbedarf in Deutschland ist offenkundig. Marode Brücken, kaputte Schienen, vergammelte Schulen und in vielen Landstrichen immer noch eine digitale Infrastruktur, die mit dem Selbstverständnis einer führenden Wirtschaftsnation nicht Schritt halten kann. Was wäre da naheliegender, als ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen, das genau diesen Investitionsstau auflösen soll, mit Pauken und Trompeten willkommen zu heißen?
Stau-Hotspot Autobahn: Wer das Kreuz Leverkusen-West (A1 und A59) passieren will, sollte immer ein wenig mehr Zeit einplanen.
Es gibt mindestens fünf Gründe, die dafür sprechen, dies nicht zu tun – sondern ein Höchstmaß an Vorsicht walten zu lassen. Hier sind sie:
- Wenn viel plötzliches Geld auf mangelnde Kapazitäten trifft, wird nichts zusätzlich gebaut – sondern einzig die Preise steigen. Und dies treibt die Inflation. Deshalb gilt es, Unternehmen jetzt schnell verlässliche Bedingungen für Investitionen zu geben, mit denen sie ihre Kapazitäten ausbauen können.
- Wenn schon so viel öffentliches Geld, dann sollte es systematisch genutzt werden, um auch zusätzliches privates Kapital damit zu mobilisieren. Dafür braucht es den politischen Willen, Vertrauen in die Fähigkeit privater Investitionen und systematische Konzepte.
- Wir haben in Deutschland einen Wust aus komplizierten Planungs- und Genehmigungsverfahren. Wenn wir diese nicht radikal vereinfachen, versickern die Milliarden im Dickicht der Bürokratie.
- Wir sollten Wort halten. Versprochen war, dass das Geld „zusätzlich“ fließt, das Sondervermögen also nicht zu einem „Verschiebebahnhof“ mutiert. Leider passiert nun teilweise genau das. So moniert das Ifo-Institut: „Schwarz-Rot verlagert Infrastruktur- und Digitalisierungsprojekte ins schuldenfinanzierte Sondervermögen und erhöht stattdessen die Sozialausgaben im Kernhaushalt.“ Das ist eine ernüchternde Diagnose und schlichtweg nicht akzeptabel.
- Wir dürfen die einmalige Ausnahmesituation nicht das neue „Normal” werden lassen. Brandgefährlich wäre es, die Schuldenbremse jetzt generell aufzuweichen. Das lehrt uns unter anderem die dramatische Schuldenkrise in Frankreich. Wir brauchen, im Gegenteil, eine Verschärfung. Gut geeignet wäre ein Mechanismus, der den bestehenden Vorgaben zur Schuldenhöhe eine Regelung zur Struktur der Ausgaben hinzufügt, um dafür zu sorgen, dass ein Investitionsstau künftig gar nicht erst entstehen kann. Dies ließe sich erreichen, wenn eine Regierung, die verdeckte Staatsverschuldung in die Höhe treibt (etwa durch zusätzliche Verbeamtungen oder Rentenpakete), durch die Vorgabe diszipliniert würde, dass sie dann im Gegenzug auch die offene Staatsverschuldung in entsprechender Höhe verringern und Kredite zurückzahlen müsste.
Wenn man die verdeckten Verbindlichkeiten mit in die Betrachtung einbezieht, dann steht jeder Säugling in Deutschland bereits bei seiner Geburt mit rund 235.000 Euro in der Kreide. Dieser Betrag, und damit auch die notwendigen Zinsausgaben, werden durch die beschlossenen Schuldenpakete weiter ansteigen. Bis zum Ende der Legislatur werden Zinsausgaben über 72 Milliarden Euro pro Jahr verschlingen. Lassen Sie uns alles dafür tun, dass auf unsere Kinder und Enkelkinder am Ende eine Rendite wartet – denn es ist ihr Geld, das wir uns im Hier und Jetzt leihen. +
Zur Person
Wolfgang Steiger, Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats
Wolfgang Steiger (61) ist gelernter Bankkaufmann und war von 1994 bis 2002 – mit kurzer Unterbrechung – Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er engagierte sich als Abgeordneter u. a. im Finanzausschuss. 2002 gründete Steiger eine Unternehmensberatung. Von 2004 bis 2009 war er Landesvorsitzender des Wirtschaftsrates der CDU in Hessen, seit 2009 ist er Generalsekretär des Wirtschaftsrats auf Bundesebene. Für sein Engagement in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande (2011) und den Hessischen Verdienstorden (2014).
An dieser Stelle schreiben Gastautoren Impulse zur aktuellen Wirtschaftslage – die Veröffentlichung bedeutet nicht, dass die IHK Köln diese Meinung vollinhaltlich teilt.
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Willi Haentjes
Chefredakteur | Kommunikation