IHKplus 1.2025 | Durchblick

Achtung, Baustelle! Der Infrastruktur-Stau

Marode Brücken, überlastete Bahnstrecken – wer von A nach B kommen will, muss Pufferzeit für Baustellen einplanen. Wir dokumentieren Großprojekte, die gleichermaßen wichtig wie stauanfällig sind.
Text: Christopher Köhne, Hoang Long Nguyen
Die dichte und zuverlässige Infrastruktur war jahrelang ein entscheidender Standortfaktor für den Bezirk der IHK Köln. Historische Meilensteine waren unter anderem die Gründung der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft 1836, die Eröffnung der ersten deutschen Autobahn zwischen Köln und Bonn 1928 und der Bau der Stadtbahn ab 1963.
Heute sind viele Straßen und Bahnstrecken nicht nur arg in die Jahre gekommen, sondern auch überlastet. Sie wurden nie für das Verkehrsaufkommen geplant, das sie heute bewältigen müssen. Tägliche Staus, Umleitungen und Zugausfälle machen das offensichtlich. Wir haben uns fünf aktuelle und zukünftige Großbaustellen angeschaut, die den jahrzehntelangen Infrastruktur-Stau in der Region dokumentieren

Mülheimer Brücke

Die Mülheimer Brücke wurde 1951 als zweite Rheinquerung in Köln für Autos und Straßenbahnen eröffnet. Sie verbindet die rechtsrheinischen Stadtteile mit dem Niehler Hafen und wurde für eine Verkehrsbelastung von etwa 36.000 Fahrzeugen pro Tag ausgelegt. Bald waren es aber über 50.000 pro Tag.
Seit 2018 wird die Brücke saniert. Ursprünglich sollte das Projekt 2022 abgeschlossen sein. Weil viele Bauteile stärker geschädigt waren als angenommen, verlängert sich die Baustelle um rund vier Jahre bis 2026. Die Baukosten sind von knapp 160 Mio. Euro auf mehr als 300 Mio. Euro gestiegen. Infolge der baulichen Einschränkungen ist die Kapazität stark reduziert, Fahrzeuge über 3,5 Tonnen Gewicht werden umgeleitet, die Stadtbahnstrecke auf der Brücke ist seit Frühjahr 2024 gesperrt.
Vor allem die Unternehmen im Niehler Hafen und das nahe gelegene Terminal der Bahn für den kombinierten Güterverkehr sind auf die Brücke angewiesen. Die Erfahrungen aus diesem Projekt müssen für die Instandsetzung der übrigen drei kommunalen Rheinbrücken genutzt werden, um deren Sanierung schneller abzuschließen.

Zoobrücke

Die 1966 eröffnete Zoobrücke verbindet den rechtsrheinischen Kölner Autobahnring und die Messe mit der Inneren Kanalstraße und der Innenstadt. Noch hält sie den täglichen Belastungen von 125.000 Fahrzeugen stand, doch auch hier bröckelt die Substanz – denn geplant war sie für 12.000 Fahrzeuge pro Tag. Bereits seit einigen Jahren dürfen keine LKW mit mehr als 30 Tonnen Gewicht die Brücke queren.
Eine Sanierung ist noch nicht terminiert, wird aber jedes Jahr dringlicher, um großflächige Sperrungen zu verhindern. Die Maßnahmenliste ist lang (Betoninstandsetzung, Fahrbahnerneuerung, Geländer-Neubau …), die Kosten daher noch nicht bezifferbar. Sobald die Mülheimer Brücke wiederhergestellt ist, muss auch die Zoobrücke in der Priorisierung weit nach vorne rücken.

Rheinbrücke Leverkusen

2012 begann Barack Obama seine zweite Amtszeit, und auf der Rheinbrücke Leverkusen wurde eine Baustelle eingerichtet. Letztere regiert immer noch den Verkehr auf der A1.
Die 1965 eröffnete Brücke musste wegen Bauwerksschäden für den Schwerlastverkehr gesperrt werden. Die filigrane Konstruktion wurde für 40.000 Fahrzeuge am Tag konzipiert, mittlerweile sind es 120.000, davon 14.000 LKW. Um diesem Verkehrsaufkommen gerecht zu werden, sollen anstelle des Altbaus in Zukunft zwei separate Brücken, ein Bauwerk je Fahrtrichtung mit jeweils vier Spuren, den Rhein überspannen. Bauwerk eins wurde im Februar 2024 eröffnet, mittlerweile ist der Abbruch des Altbaus fast abgeschlossen. Bis 2028 soll auch Brückenbauwerk zwei eröffnet werden. Gesamtkosten: ca. 967 Mio. Euro.
Um den Chemiestandort Leverkusen wieder vollständig mit den linksrheinischen Industriegebieten, Häfen und Bahnterminals zu verknüpfen, braucht es eine leistungsfähige Brücke, die auch schweren Güterverkehr tragen kann. Und dann muss es westlich des Rheinufers schnell weitergehen – auch die auf Stelzen gelagerte Trasse der A1 in Leverkusen muss dringend neu gebaut und das Autobahnkreuz mit der A3 an die heutigen Verkehrsströme angepasst werden.

Bahnknoten Köln

Von 1839 bis 2004 wurde das Gleisnetz in und um Köln zu einem Bahnknoten ausgebaut. Täglich rollen bis zu 1.300 Personen- und hunderte Güterzüge durch die Stadt. Viele Brücken wie auch Weichen und Signale sind am Ende ihrer Lebensdauer angelangt und wurden zuletzt nur partiell erneuert. Statt Flickenschusterei werden jetzt ganze Bahnkorridore ganzheitlich saniert. Nacheinander werden die Strecken in Richtung Wuppertal (2026), Düsseldorf (2027), Bonn (2028) und Aachen (2029) gesperrt, Gleise und Brücken von Grund auf erneuert und die Signale digitalisiert. An vielen Stellen werden die Strecken um zusätzliche Gleise für die S-Bahn ergänzt.
Wichtig: Für dieses Großprojekt muss es ausreichend Schienenersatzverkehr für Pendler geben. Auch für Industriekunden mit Gleisanschluss müssen Lösungen gefunden werden, damit niemand in der Region abgekoppelt wird.

Nord-Süd-Stadtbahn

2009 stürzte die Tunnelbaustelle am Stadtarchiv am Waidmarkt zusammen und stoppte den Bau der Nord-Süd-Stadtbahn zwischen Hauptbahnhof und Südstadt. Bis 2013 wurden die Strecken zwischen Hauptbahnhof und Heumarkt und von der Severinstraße nach Rodenkirchen in Betrieb genommen. Der Tunnel an der Unglücksstelle und der oberirdische Abschnitt entlang der Bonner Straße bis zur Arnoldshöhe sind aber weiter eine Baustelle.
Mittlerweile ist ein Ende in Sicht: Ab 2027 sollen Züge zwischen Severinstraße und Arnoldshöhe pendeln und ab 2032 der komplette Tunnel befahrbar sein. Gesamtkosten: voraussichtlich 1,1 Mrd. Euro. Dann werden bis zu 18 Bahnen je Stunde und Richtung den Verkehr großräumig entlasten.
Christopher Köhne
Verkehrspolitik, Logistik, Mobilität
Long Nguyen
Verkehrspolitik, Logistik, Mobilität