IHKplus 5.2023

Bunte Tupfer in der Schwarzmalerei

Der Einzelhandel ist eine der wichtigsten Branchen in der Region. Eine Binsenweisheit, dass er vor fundamentalen Veränderungen steht. Wir schildern in unserem Branchenporträt den Wirtschaftszweig und blicken dabei vor allem auf Lage und Zukunft der Shoppingcenter.
Fast 120.000 Beschäftigte, rund 112 Milliarden Euro Umsatz – zwei Zahlen reichen, um die Bedeutung des Einzelhandels für unsere Region zu verdeutlichen (weitere Daten im Fakten-Kasten). Online-Boom, zunehmende sichtbare Leerstände in den Ladenlokalen – zwei Stichworte beschreiben die Herausforderungen, vor denen der stationäre Handel steht. Doch es gibt gute Gründe, in die Schwarzmalerei ein paar bunte Farbtupfer einzufügen.
Ein gutes Beispiel dafür: die Shoppingcenter, Einkaufspassagen, Malls. Egal wie man sie nennt, sie kämpfen gegen Leerstand und buhlen um die verlorene Kundschaft. Das legt jedenfalls die Statistik nahe. Im Frühjahr 2019 hatten noch 66 Prozent der Center einen recht geringen Leerstand von bis zu drei Prozent. Im Jahr 2021 traf dies nur noch auf 43 Prozent der Center zu, bei allen anderen lag der Leerstand teilweise weit über drei Prozent. Heute sprechen Studien von einem durchschnittlichen Leerstand von rund zehn Prozent, Tendenz weiter steigend. Haben diese Einkaufsparadiese ihre Zukunft hinter sich?
Die Center stehen vor großen Problemen, das bestätigt auch Boris Hedde vom Institut für Handelsforschung in Köln (siehe Interview). Neben allen strukturellen Fragen gibt es aktuell eine weitere: Kommt die Kundschaft nach den Corona-Beschränkungen zurück? Neueste Daten offenbaren Erstaunliches. So verzeichnet der Online-Monitor des Handelsverbands Deutschland für das Jahr 2022 erstmals einen nominalen Umsatzrückgang im Onlinegeschäft um 2,5 Prozent bzw. 2,2 Milliarden Euro. Aber verlagert sich dieser Umsatz wieder in den stationären Handel? Daten belegen das nicht, denn insgesamt haben Pandemie, Ukrainekrieg und Inflation eine Kaufzurückhaltung ausgelöst.

Mehr Ausgaben pro Kopf

Und doch gibt es positive Beispiele, ausgerechnet bei den Shopping-Centern. Etwa die Kölner Neumarkt Galerie mit ihren mehr als 30 Shops und Gastrobetrieben. „Wir liegen heute bei der Besuchsfrequenz zwar noch um 10 bis 15 Prozent unter der von 2019, aber der Umsatz ist in vielen Teilen schon wieder vergleichbar hoch oder liegt darüber“, sagt Centermanagerin Angela de Jager. Soll heißen: Pro Kopf wird in den Geschäften mehr Geld ausgegeben als früher.
Zu der These, dass man sich heute meist im Laden umschaut, die Ware anfasst und anprobiert und dann online möglichst billiger kauft, passt das nicht. Dennoch gilt es für den stationären Handel, die Online-Konkurrenz im Blick zu haben, bestätigt auch Angelika Assenmacher, Centermanagerin der RheinBerg Galerie in Bergisch Gladbach: „Der Einzelhandel muss sich darauf einstellen, dass der Kunde noch im Geschäft per Smartphone die Preise vergleicht. Sicherlich wird das Thema Click and Collect für die Geschäfte immer wichtiger.“

Sauberkeit, Ordnung, Service

Die RheinBerg Galerie hat nach Angaben der Managerin indes eine „außerordentlich gute Vermietungssituation“ mit aktuell nur einem Leerstand. Und auch dieses Ladenlokal könne bald wieder vermietet werden, wenn das interessierte Modelabel denn Mitarbeitende dafür fände. Klar ist aber auch für Angelika Assenmacher, dass das reine Shoppingangebot nicht mehr reicht: „Die RheinBerg Galerie ist ein Einkaufszentrum, soll aber zugleich auch ein Treffpunkt sein. Je besser das Angebot und die Vielfalt der Geschäfte ist, desto interessanter ist ein Besuch in der Galerie.“ Darüber hinaus müssten „Sauberkeit, Ordnung und Service“ gewährleistet sein.
Klar ist auch nach Ansicht von Angela de Jager, dass sich die Malls neu aufstellen müssen. Das gelte für Architektur, Angebot und vor allem den Dienstleistungsgedanken. Hinzu komme, dass man sich von den langfristigen Mietverträgen von zehn Jahren und mehr, die früher Standard waren, verabschieden müsse: „Wir machen aktuell sehr gute Erfahrungen mit Kurzzeitvermietungen. In der Zeit könnten Geschäfte neue Konzepte und Ideen ausprobieren, und das oft erfolgreich.“
Der Einzelhandel in der Region
Rund 33.000 Handelsunternehmen gibt es im Bezirk der IHK Köln. Davon fast die Hälfte in der Stadt Köln, ein Fünftel im Rhein-Erft-Kreis, je 13 Prozent im Oberbergischen und Rheinisch-Bergischen Kreis sowie 6 Prozent in Leverkusen.
Die Zahl der Handelsunternehmen im Bezirk der IHK Köln ist von 2022 auf 2023 erneut deutlich gestiegen. Im Großhandel sind es aktuell gut 8.000 gegenüber knapp 7.500 im Vorjahr, im Einzelhandel fast genau 25.000 statt etwa 22.800 im Jahr 2022.
Mit fast 120.000 Beschäftigten, davon knapp 3.000 Auszubildende*, erzielen diese Unternehmen eine Bruttowertschöpfung von rund 23 Milliarden Euro. Diese und weitere Branchendaten finden Sie im Handelsreport der IHK Köln.
Auch Nicole Giese, Managerin der Rathausgalerie in Leverkusen, ist mit der Situation durchaus zufrieden. Die Vermietungsquote liege aktuell bei 90 Prozent. Positiv sieht sie vor allem die Tatsache, dass noch immer neue, frequenzstarke Geschäfte dazukommen, wie im vergangenen Herbst Smyths Toys und vor wenigen Wochen erst der Deko- und Haushaltsanbieter Søstrene Grene. Um die Zukunft ist Nicole Giese deshalb nicht bange: „Anpassungen an die Bedürfnisse der Kundschaft müssen stattfinden, das ist klar, und teilweise müssen auch Konzepte in die Einkaufscenter integriert werden, an die wir früher vielleicht nicht gedacht haben. Dennoch verbringen viele Menschen gerne ihre Freizeit in den Shoppingcentern und das wird sich so schnell auch nicht ändern.“

Ein Vorbild aus dem Umland

Dass die Betreibenden selbst sich nicht an der Schwarzmalerei beteiligen wollen, ist logisch. Die Frage ist, ob es für die Zukunft denn schon Vorbilder gibt, die das „rundum positive Erlebnis“ bieten können, das Branchenexperte Boris Hedde als Bedingung nennt.
Man muss nicht weit über die Grenzen des IHK-Bezirks schauen, um ein mögliches Vorbild zu finden: das „Happy Franky“ in Troisdorf. Auf 17.000 Quadratmetern Fläche im ehemaligen „Forum“, das jahrelang leer stand, entsteht gerade eine Wohlfühloase im denkbar weitesten Sinne. Mit Einkaufsangeboten und Gastro, wie man es kennt, aber eben auch mit Kletterwänden, einer Indoor-Minigolfanlage, einer Riesenrutsche, einem Abenteuermuseum und einem Hotel, dessen Zimmer aus alten Schiffscontainern gebaut sind. Alles durch ein gemeinsames Buchungssystem verbunden. Analog trifft digital, täglicher Bedarf auf modernen Lifestyle, Eventcharakter auf Nachhaltigkeit. Und nicht zuletzt bezieht das Konzept die Troisdorfer Bürgerinnen und Bürger ein, indem beispielsweise alte Möbel für die Einrichtung gesammelt werden, für die das Happy Franky eine Spende an die Troisdorfer Tafel gibt.
Shoppingcenter in der Region
Das größte Einkaufszentrum in der Region ist das Rhein-Center im Kölner Stadtteil Weiden mit rund 180 Shops auf 40.000 Quadratmetern. Zu den größeren Shoppingcentern gehören auch noch die Köln Arcaden in Kalk mit knapp 120 Geschäften, ähnlich viele gibt es in der Leverkusener Rathausgalerie. Deutlich kleiner sind dagegen etwa das Forum in Gummersbach mit 70 Shops, die Giesler Galerie in Brühl mit etwa 25 Läden oder auch die Opernpassagen in Köln und das Loewencenter in Bergisch Gladbach.

Interview: „Man muss den heutigen Lifestyle und die jüngere Generation im Blick haben”

Wie schätzen Sie die Lage der Shoppingcenter ein?
Shoppingcenter haben im Grunde dasselbe Problem wie Warenhäuser, die früher mal einen Marktanteil von zehn Prozent hatten und heute nur noch bei 1,4 Prozent liegen. Beide setzen auf kurze Wege, verfügbare Parkplätze, aber eben nur auf das Shopping, hingegen nicht oder kaum auf den Erlebnisfaktor. Die Frage ist doch: Was will eigentlich die Zielgruppe?
Und was will sie?
Ein rundum positives Erlebnis, das neben Einkaufen auch Freizeitgestaltung, Sport oder auch Bildungsangebote einschließt. Man muss den heutigen Lifestyle und die jüngere Generation im Blick haben. Warum gibt es beispielsweise bislang in Einkaufspassagen keine hochwertigen Second-Hand-Angebote? Auch eine Musikschule oder ähnliche Einrichtungen würden gut passen. Früher gab es in den Städten auch Jugendclubs, warum eigentlich heute nicht mehr?
Letztlich sind die Herausforderungen also ganz ähnlich wie bei den Citys insgesamt.
Ja, es geht um Multifunktionalität und um den Erlebnischarakter. Das muss sich auch auf der baulichen Seite widerspiegeln. Nur sehr wenige Center sind dafür schon ausgelegt und haben zum Beispiel auch Tageslicht.
Welche Shoppingcenter haben also eine Zukunft?
Eine Schablone gibt es nicht, jeder Ort muss individuell betrachtet werden. Aber klar ist: Es sind diejenigen am erfolgreichsten, die am stärksten kundenorientiert sind. Das gilt heute mehr denn je.
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