Unternehmensförderung

Sustainable Finance und Green Deal

Sustainable Finance als Teilthema des Green Deals gewinnt zunehmend an Bedeutung.
Der Klimawandel ist das beherrschende Thema unserer Zeit. Auf politischer Ebene wurden mit dem Pariser Klimaschutzabkommen und der EU-Agenda 2030 Entscheidungen getroffen, die sich stark auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben auswirken. Mit dem im Dezember 2019 veröffentlichten europäischen Green Deal will die EU-Kommission den Übergang zu einer ressourceneffizienten, modernen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft schaffen. Allein zur Erreichung aktueller Klima- und Energieziele bis 2030 geht die Kommission von Investitionen in Höhe von rd. 260 Mrd. EUR pro Jahr aus.

Die EU-Kommission sieht im Finanzsektor eine Schlüsselrolle bei der Erreichung der Ziele des Green Deals. Sie veröffentlichte im März 2018 den Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums (Sustainable Finance). Der Finanzsektor soll im Rahmen einer Sustainable-Finance-Strategie zum Green Deal beitragen indem
  • Investitionen auf nachhaltige Technologien und Unternehmen gelenkt werden,
  • Wachstum langfristig auf nachhaltige Weise finanziert wird und
  • Beiträge zur Schaffung einer kohlenstoffarmen, klimaresistenten und kreislauforientierten Wirtschaft gegeben werden sollen.

EU-Taxonomie - ein zentrales Element zur Umsetzung des Green Deal

Ein zentrales Instrument zur nachhaltigen Regulierung des Finanzsektors ist die sog. Verordnung zur EU-Taxonomie. Sie wurde im Juni 2020 durch das EU-Parlament verabschiedet und soll ein einheitliches Klassifizierungssystem für eine nachhaltige Wirtschaftstätigkeit schaffen. Konkret werden Finanzmarktteilnehmerinnen und Finanzmarktteilnehmer wie Kreditinstitute, Wertpapierfirmen oder Versicherungen verpflichtet, offenzulegen, inwiefern durch ein als nachhaltig vertriebenes Finanzprodukt in wirtschaftliche Tätigkeiten investiert wird, die den Nachhaltigkeitskriterien der EU-Taxonomie entsprechen.
Die EU-Taxonomie-Verordnung definiert dazu sechs Umweltziele:
  • Klimaschutz
  • Anpassung an den Klimawandel
  • nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  • Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  • Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
  • Schutz und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme
Als ökologisch nachhaltig gilt im Sinne der EU-Taxonomie eine Wirtschaftstätigkeit, die einen wesentlichen Beitrag - zumindest zu einem dieser sechs Punkte - leistet, ohne dabei einem anderen Ziel signifikant zu schaden. Zudem müssen soziale Mindeststandards in den Bereichen Arbeitsstandards und Menschenrechte eingehalten werden.
Die Erarbeitung der Nachhaltigkeitskriterien für die sechs genannten Umweltziele obliegt der Sustainable-Finance-Plattform , welche bis Ende 2021 alle Kriterien (sog. „screening criteria“) zur Bewertung wirtschaftlicher Tätigkeiten festschreiben soll.
Für die ersten beiden Ziele – Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel – stehen seit dem 21. April 2021 die Kriterien fest. An denen kann nun für jede einzelne Tätigkeit gemessen werden, ob und inwiefern sie als nachhaltig gilt. Hierzu werden in Anhängen  von mehreren hundert Seiten detaillierte und meist quantitative Bewertungsmaßstäbe für die Nachhaltigkeit von etwa hundert Wirtschaftsaktivitäten festgelegt.
Diese ersten beiden Ziele werden seit 2022 angewendet. Hier gelten neue Berichtspflichten für die Unternehmen: Sie müssen Reports über ihre „Corporate Social Responsibility" (CSR) erstellen, um ihre gesellschaftliche Verantwortung für nachhaltiges Wirtschaften nachzuweisen. Für die weiteren vier Ziele stehen die finalen Fassungen noch aus. 

Berichtspflichten für Unternehmen

Auf der Grundlage der Taxonomie-Verordnung in Verbindung mit der seit März 2021 geltenden Offenlegungsverordnung  und der CSR-Richtlinie werden für alle kapitalmarktorientierten Unternehmen sowie Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern umfangreiche Offenlegungspflichten im Rahmen der nicht finanziellen Erklärung vorgeschrieben. Diese Offenlegungspflichten gelten für das Geschäftsjahr 2021.
Diese Kriterien haben nach derzeitigem Stand auch große haftungsbeschränkte Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden für ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESG-Bericht = Environment, Social and Governance) bereits für das Geschäftsjahr 2023 anzuwenden. Diese Unternehmen werden für das Geschäftsjahr 2023 neben den Berichtsanforderungen im Lagebericht auch weitergehende Anforderungen zur Sicherung der Zuverlässigkeit der erhobenen Daten zu erfüllen haben. Geplant ist auch, die Berichtspflichten auf kapitalmarktorientierte KMUs ab dem Jahr 2026 auszuweiten.
Im Rahmen der Berichtspflichten ist offenzulegen, wie und in welchem Umfang die Tätigkeiten der Unternehmen mit ökologisch nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne der Taxonomie-Verordnung verbunden sind.

Geplante Änderungen der nicht finanziellen Berichterstattung durch die EU-Kommission

Der im April 2021 durch die EU-Kommission erstellte Vorschlag zur Anpassung der nicht finanziellen Berichterstattung im Sinne der CSR-Richtlinie wird zur Folge haben, dass entsprechend noch mehr Unternehmen direkt oder unmittelbar von der Berichtspflicht im Rahmen der Offenlegungsverordnung in Verbindung mit der Taxonomie-Verordnung betroffen sein werden. Das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten werden auf der Grundlage des Vorschlags der EU-Kommission einen endgültigen Gesetzestext im Rat aushandeln. 

Handlungsfelder

Der Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums (Sustainable Finance) wird dazu führen, dass sich alle Unternehmen zukünftig verstärkt mit dem Thema einer nachhaltigen Berichterstattung auseinandersetzen müssen. Es zeichnen sich derzeit aktuelle Handlungsfelder ab:
  • Verpflichten neue Gesetze und Verordnungen Unternehmen direkt und unmittelbar zu einer nachhaltigen Berichterstattung, so müssen größere kapitalmarktorientierte Unternehmen, Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Versicherungsunternehmen, die unter den Anwendungsbereich der CSR-Richtlinie fallen, ab 2022 in ihrem Lagebericht angeben, inwiefern ihre Tätigkeit im Geschäftsjahr 2021 den neuen Taxonomie-Kriterien entsprach.
  • Es ist zu erwarten, dass große Unternehmen die neuen Anforderungen in der Berichtspflicht an ihre Lieferanten - also an die Lieferkette - weitergeben. Unternehmen, die nicht direkt unter den Anwendungsbereich der Taxonomie-Verordnung oder der CSR-Richtlinie fallen, müssen somit ebenfalls Auskunft über ihre Tätigkeiten mit Blick auf Nachhaltigkeitskriterien geben.
  • Auch Banken sind angehalten, Nachhaltigkeitsrisiken inkl. Klimarisiken und Risiken aus dem Übergang in eine nachhaltige Wirtschaft in angemessener Weise zu berücksichtigen. Es ist davon auszugehen, dass Banken, Kreditinstitute und Versicherungen verstärkt Kundenbeziehungen auf Transformationsrisiken hin überprüfen und entsprechende Berichte von Unternehmen bei der Unternehmensfinanzierung einholen werden. Im schlimmsten Fall werden an Betriebe, deren Geschäftszweck die bereits genannten Ziele nicht eindeutig unterstützen, Kredite teurer oder gar nicht mehr vergeben werden.

Konkrete Auswirkungen auf Unternehmen

Um die Ziele des Green Deals zu erreichen, sieht die EU-Kommission im Finanzsektor eine Schlüsselrolle. Die indirekte Lenkungswirkung bei den Finanzen auf das Thema „Nachhaltigkeit“ wird die Unternehmen in vielerlei Hinsicht treffen. In jedem Fall sind die nachfolgenden vier Herausforderungen klar zu identifizieren, welche zukünftig für Unternehmen zu bewältigen sein werden und das Kerngeschäft zusätzlich belasten können:
  • mehr Bürokratie durch zusätzliche Reportings und umfangreiche Berichterstattung
  • zusätzlicher Ressourcenaufwand für Datenerfassung und -aufbereitung
  • höhere Kreditkosten, wenn Transformations- oder Klimarisiken vermutet werden
  • Einschränkungen oder Kreditverweigerung aufgrund fehlender Unternehmensbereiche oder einer für die Unternehmen ungünstigen Taxonomie-Verordnung

Wie können sich Unternehmen vorbereiten?

Im Ergebnis kann dies dazu führen, dass alle Unternehmen zukünftig Angaben zur Nachhaltigkeit ihres Unternehmens machen müssen. Unternehmen, die sich frühzeitig darauf einstellen, haben die Chance, neue Kunden zu gewinnen, die sich abzeichnenden Bürokratiekosten zu begrenzen und gute Konditionen bei der Unternehmensfinanzierung zu erzielen. Für Unternehmen, die die Kriterien nicht erfüllen, könnten sich die Finanzierungsbedingungen verschlechtern beziehungsweise der Zugang zu Finanzierungen gar verwehrt werden.
Um die Bürokratiekosten zu reduzieren, ist es für Unternehmen empfehlenswert, auf bestehende und im Betrieb etablierte Berichte und Audits zurückzugreifen und diese in einem übergeordneten Nachhaltigkeitsbericht zusammenzuführen. In vielen Fällen bestehen bereits Zertifizierungen und Audits, welche sich den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökonomie, Ökologie und Soziales) zuordnen lassen. So ist etwa der ganze Bereich des Arbeitsschutzes und der Mitarbeiterförderung der sozialen Dimension von Nachhaltigkeit zuzuordnen.
Maßnahmen und Managementinstrumente, wie beispielsweise EMAS (Eco Management and Audit Scheme)  im Themenfeld der Energie- und Ressourceneffizienz, sind hingegen Bestandteil der ökologischen Perspektive. Aber auch europäische Vorgaben wie beispielsweise mit Blick auf die Informationspflichten nach REACH Art. 33 können der ökologischen Dimension zugeordnet werden. Letztlich sind insbesondere auch die wirtschaftlichen Kennzahlen von Interesse für die ökonomische Perspektive, denn nur ein wirtschaftlich gut aufgestelltes Unternehmen kann in die sozialen und ökologischen Dimensionen von Nachhaltigkeit dauerhaft investieren.
Die vorhandenen Informationen können anschließend in einem gebündelten Bericht zusammengeführt werden, welcher zukünftig gegenüber Kunden, Banken und Versicherungsinstituten als Nachhaltigkeitsbericht zur Verfügung gestellt werden kann.
Für manche Unternehmen kann es sinnvoll sein, ihr Engagement darüber hinaus im Rahmen einer CO2-Bilanz, eines externen Auditings nach ISO 14064 zur Reduktion von Treibhausgasen oder im Rahmen eines anerkannten Kodex wie dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) zu verdeutlichen. 

Hilfestellungen für Unternehmen

Beratungsleitfaden

Die Publikation "Sustainable Finance - Auswirkungen für kleine und mittlere Unternehmen"  der IHK Darmstadt (Stand: Juni 2021) enthält weitere Ausführungen zu den Themen:
  • Finanzierung kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU)
  • Gefahren für KMUs
  • Chancen und Stellschrauben für Sustainable Finance bei KMUs
Zudem enthält sie eine Checkliste mit Hinweisen, was Unternehmen selbst tun können, um zu Klimaschutz, Nachhaltigkeit, sozialer Entwicklung und guter Unternehmensführung beizutragen.

Deutsche Sustainable-Finance-Strategie

Deutschland hat das Ziel, sich zu einem führenden Sustainable-Finance-Standort zu entwickeln. Dazu hat die Bundesregierung im Juni 2019 einen Sustainable-Finance-Beirat einberufen mit der Aufgabe, eine Sustainable-Finance-Strategie für die Bundesregierung zu entwickeln. Der Beirat hat im März 2021 31 Empfehlungen  zur Transformation der Wirtschaft veröffentlicht.
Auf Grundlage des Berichts hat das Bundeskabinett am 5. Mai 2021 die Deutsche Sustainable-Finance-Strategie  beschlossen. Sie fokussiert auf die Finanzmarktpolitik und ist ein wichtiger Baustein der deutschen Nachhaltigkeitspolitik.

Informationen zu Beratungsförderungen

Benötigen Sie Beratung oder Begleitung beim Aufbau von Managementsystemen und Berichtsformaten, können Sie öffentliche Zuschüsse zu betriebswirtschaftlichen Beratungen nutzen. In NRW stehen insbesondere die nachfolgenden Programme zur Verfügung:
Förderung von Unternehmensberatungen für KMU  

Weitere Informationen zu den Themen Nachhaltig wirtschaften und Corporate Social Responsibility (CSR) finden Sie auf unserer Homepage.