Kommunale Steuern nach Maß

Auf einen Blick
Die Kommunen im Bezirk der IHK Kassel-Marburg sehen sich zunehmend mit finanziellen Herausforderungen konfrontiert. Aktuelle Zahlen des Statistischen Landesamts belegen, dass vier von fünf Kommunen im Jahr 2024 ein Defizit verzeichnen. Insgesamt fehlen den hessischen Kommunen rund 2,6 Milliarden Euro. Hauptursachen sind gestiegene Ausgaben, insbesondere im Bereich der Sozialleistungen und bei den Personalkosten.
Anstatt diese Haushaltsdefizite durch Einsparungen zu kompensieren, greifen viele Städte und Gemeinden zu Steuererhöhungen oder führen neue zusätzliche Abgaben ein.

Grundsteuer

Beispielsweise wurde im Zuge der Grundsteuerreform 2025 in Hessen die Empfehlung der Landesregierung zur aufkommensneutralen Umsetzung der Grundsteuerreform nicht überall eingehalten, was zu durchschnittlichen Steuererhöhungen von etwa 10 Prozent führte. Nur 131 von 421 hessischen Kommunen haben den empfohlenen Hebesatz übernommen. Im Schwalm-Eder-Kreis hat beispielsweise keine einzige, im Werra-Meißner-Kreis nur eine Kommune den empfohlenen Hebesatz festgesetzt.

Gewerbesteuer

Verstärkt wird dieser Trend durch die Ausgestaltung des Kommunalen Finanzausgleichs. Dieser koppelt die Finanzzuweisungen des Landes an die Steuerkraft der jeweiligen Gemeinde. Dabei werden nicht die tatsächlichen Steuereinnahmen zugrunde gelegt, sondern die Einnahmen, die sich aufgrund von fiktiven Hebesätzen (sog. Nivellierungshebesätze) ergeben würden. Diese Systematik schafft einen impliziten Automatismus in Richtung Steuererhöhungen und sorgt damit – aus Unternehmenssicht – für falsche Anreize. Kommunen unterhalb des Nivellierungshebesatzes werden veranlasst, ihre Hebesätze an den Nivellierungshebesatz heranzuführen, um Nachteile durch den kommunalen Finanzausgleich zu verhindern. Steigende Durchschnittswerte lassen wiederum die Nivellierungshebesätze in die Höhe klettern (Hebesatzspirale). Für Unternehmen bedeutet dies eine schleichende, strukturelle Mehrbelastung – ohne dass sich deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ändert.
Das Land Hessen plant den Nivellierungshebesatz für die Gewerbesteuer von derzeit 357 auf 380 Punkte anzuheben (§ 21 Finanzausgleichsgesetz). Diese Anhebung wird voraussichtlich zu Gewerbesteuererhöhungen insbesondere bei leistungsstarken Städten/Gemeinden führen. So hat beispielsweise die Universitätsstadt Marburg im Vorgriff der Änderung den Gewerbesteuerhebesatz von 357 auf 380 Punkte bereit für 2025 erhöht.

Kommunale Zusatzsteuern

Zudem werden zusätzliche Belastungen wie Bettensteuern bzw. die Einführung kommunaler Verpackungssteuern diskutiert.
  • Bettensteuer
Der Tourismusausschuss hat sich in seiner Sitzung am 17. März 2025 gegen zusätzliche Steuern auf Übernachtungen ausgesprochen:
„Die IHK Kassel-Marburg lehnt jede Art von Mehrbelastungen für das Übernachtungsgewerbe in Form sogenannter Bettensteuern bzw. Übernachtungssteuern, die von den Betrieben zusätzlich zu ihrer gewerblichen Steuerschuld zu entrichten sind, ab.
Um Kommunen eine wirtschaftsverträglichere Alternative zu Übernachtungssteuern zu ermöglichen, wurde in Hessen das Kommunale Abgabengesetz (KAG) unter Einbezug der Wirtschaft angepasst. Kommunen in Hessen haben demnach die Möglichkeit, einen Tourismusbeitrag zu erheben, der von den Gästen zu entrichten und von den Betrieben treuhänderisch einzutreiben ist. Der Tourismusbeitrag wird separat ausgewiesen und erhöht damit nicht die Vermittlungsgebühren (z.B. Buchungsportale). Die erhobenen Beiträge sind zweckgebunden zu verwenden, so dass eine Reinvestition in die touristische Infrastruktur festgeschrieben ist. Auch das Konstrukt Tourismusbeitrag greift negativ in die Preisautonomie und in den Wettbewerb ein. Zudem belasten Abgaben auf Geschäftsreisen auch die entsendenden Unternehmen.
Wir plädieren gegenüber den Kommunen dafür, in etwaige Überlegungen zur Einführung einer Tourismusabgabe das betroffene Übernachtungsgewerbe frühzeitig mit einzubeziehen. Die Wirtschaft sollte, dem Beispiel der Stadt Frankfurt am Main folgend, in den Prozess der Verwendung der Mittel eingebunden sein. Zudem gilt es, die erhobenen Beiträge zur Weiterentwicklung der touristischen Infrastruktur zu verwenden. Die Tourismuswirtschaft stellt dafür gerne ihre Fachexpertise zur Verfügung.“
  • Kommunale Verpackungssteuer
Die Einführung und Umsetzung kommunaler Verpackungssteuern wäre mit einem erheblichen bürokratischen und personellen Aufwand verbunden – sowohl für die Unternehmen als auch für die Kommunen. Alle steuerpflichtigen Betriebe müssten erfasst und ihre übermittelten Daten für die Steuerbescheide geprüft werden. Dies verursacht hohe Verwaltungskosten und Rechtsunsicherheiten.
Vor dem Hintergrund gestiegener Energie- und Rohstoffpreise sowie der allgemeinen wirtschaftlichen Unsicherheit würde eine Verpackungssteuer für die Unternehmen eine zusätzliche Belastung bedeuten. Die Mehrkosten müssten vielfach an die Verbraucher weitergegeben werden, was zu höheren Preisen für Produkte und Dienstleistungen führt. Dies könnte Kaufkraftverluste bei Gastronomie und Handel nach sich ziehen und den angestrebten Belebungen der Innenstädte entgegenwirken.
Zudem drohen Wettbewerbsverzerrungen durch regional unterschiedliche Regelungen: Unternehmen mit Filialen in mehreren Kommunen müssten abweichende Kassensysteme einführen und Personal unterschiedlich schulen – ein hoher organisatorischer Aufwand.
Viele Betriebe unternehmen bereits freiwillig große Anstrengungen, um nachhaltige Verpackungslösungen zu etablieren. Eine pauschale Steuer trifft jedoch auch jene Unternehmen, die bereits in Mehrweglösungen investieren. Bereits heute sind Betriebe verpflichtet, im Rahmen der Mehrwegangebotspflicht entsprechende Alternativen anzubieten. Diese Systeme funktionieren bereits vielerorts gut.
Zudem erhalten Kommunen seit 2024 Mittel aus dem Einwegkunststofffonds, um die Reinigung öffentlicher Flächen zu finanzieren – finanziert durch die Hersteller entsprechender Einwegprodukte.
Beschlussempfehlung:
Diese Steuermaßnahmen führen zu einer zunehmenden Belastung der Wirtschaft. Die finanziellen Herausforderungen der Kommunendürfen nicht auf dem Rücken der Unternehmen ausgetragen werden, da diese selbst unter steigenden Kosten und Unsicherheit leiden.
Die IHK Kassel-Marburg fordert daher:
  1. Einhaltung der Aufkommensneutralität bei der Grundsteuerreform: Kommunen sollten die empfohlenen Hebesätze des Landes Hessen übernehmen, um zusätzliche Belastungen für Eigentümer und Unternehmen zu vermeiden.
  2. Überprüfung des kommunalen Finanzausgleichs: Die Mechanismen des Finanzausgleichs sollten so angepasst werden, dass Kommunen nicht benachteiligt werden, wenn sie wirtschaftsfreundliche Hebesätze festlegen. Die vom Land Hessen geplante Anhebung des Nivellierungssatzes wird abgelehnt.
  3. Verzicht auf zusätzliche kommunale Abgaben: Neue Steuern wie die Bettensteuer oder eine kommunale Verpackungssteuer sollten nicht eingeführt werden, da sie die Wirtschaft zusätzlich belasten und den Bürokratieaufwand erhöhen. Anstelle der Einführung von für Kommunen und Betriebe gleichermaßen bürokratischer Steuern, die nur sehr begrenzte Lenkungswirkung entfalten, sollten kooperative Initiativen zwischen Verwaltung und Wirtschaft gesucht werden
  4. Stärkung des Konnexitätsprinzips: Das Land Hessen und der Bund müssen sicherstellen, dass neue Aufgaben, die den Kommunen übertragen werden, auch mit ausreichender finanzieller Ausstattung versehen sind.
Die IHK Kassel-Marburg steht bereit, gemeinsam mit den Kommunen und dem Land Hessen an Lösungen zu arbeiten, die sowohl die finanzielle Stabilität der öffentlichen Hand als auch die Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Wirtschaft sichern.