Neun Fragen an Dr. Rolf Dobelli


1 Am Neujahrsempfang der IHK nehmen rund 1100 Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft teil. Wie groß ist die Gefahr, dass man sich gegenseitig im Pessimismus der Wirtschaftskrise ansteckt? Und was ist notwendig, damit die meisten positiv gestimmt starten?
Dobelli: Wenn eine negative Stimmung im Raum ist, lassen sich selbst die Positiven davon anstecken. Das ist Social Proof, ein Herdenverhalten. Eine negative Grundstimmung bekommt man fast nicht weg. Außer es passiert in der Realität etwas sehr Positives. Das sehe ich im Moment in Deutschland aber nicht.
2. Können wir selbst etwas für die Stimmung tun, oder sind wir darauf angewiesen, dass die Politik etwas macht?
Dobelli: Auf die Politik zu warten, wäre falsch. In den letzten Jahrzehnten hat die Politik keine gute Rolle gespielt. Das Unternehmertum muss selbst kommen. Da sind andere Staaten schneller als Deutschland, innovativer, kreativer und crazyer. Wenn man die USA anschaut, das ist ein ganz anderer Dynamo. Selbst die Schweiz hat mehr Energie im System. Das ist jetzt eine Malaise-Stimmung in Deutschland.
3. Brauchen wir mehr Leitwölfe?
Dobelli: Selbst die Leitwölfe sind im Rudel drin und Teil der negativen Grundstimmung. Das unabhängige Denken ist wichtig. Nicht sagen: Wie blöd ist die Regierung oder wie blöd ist der Bürgermeister. Das alles ausblenden, besser auf das eigene Geschäft konzentrieren. Ich nenne das den Kreis der Kompetenz. Wo man überdurchschnittlich gut ist und sich darauf fokussieren. Selbst immer besser machen, in dem, was man tut. Das ist der einzige Weg.
4. Welche Empfehlungen haben Sie für junge Menschen, die jetzt zum Beispiel ein Start-up gründen wollen. Auf was sollten die achten?
Dobelli: Auch hier gilt: Sie sollen sich überlegen, worin sie nachweislich überdurchschnittlich gut sind. Und nicht, wovon sie das nur glauben. An der Spezialisierung muss man arbeiten. Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Nicht links oder rechts schauen: Was macht die Politik? An seinen Fähigkeiten und an seiner Firma arbeiten.
5. Sie haben Ihr Leben selbst korrigiert und festgestellt, dass Ihr BWL-Studium nichts für Sie war, oder auch dass Sie keine Romane mehr schreiben. Wie lange kann man sich im Leben korrigieren und etwas Neues entwickeln?
Dobelli: Etwas Neues kommt automatisch, wenn Sie in etwas überdurchschnittlich gut sind, Nicht schauen, was andere machen. Das geht nur über trial and error, über Versuch und Irrtum. Immer weitermachen und besser werden. Aber nicht, da mal was machen und ausprobieren und da mal, sondern in seinem Kreis der Kompetenz.
6. Sie sagen, man kann keinen anderen Menschen verändern. Was mache ich, wenn in meinem Team jemand ist, mit dem ich nicht zufrieden bin. Kann ich denjenigen zu einem Coaching schicken? Habe ich eine Chance?
Dobelli: Das hält eine Woche. Das ist lustig, wenn man auf dem Seminar ist. Aber zwei Tage danach ist der Alltag wieder da, und die ganze Energie verpufft.
7. Was heißt das? Trennung, also Kündigung?
Dobelli: Ja! Oder die Arbeit anders aufteilen, dass man weniger miteinander zu tun hat. Sie können es auch aushalten, aber das bedeutet chronischen Stress. Für die Lebensqualität ist das mühsam. Auch für den Körper. Da geht das Immunsystem runter.
8. Ihre Bücher sind voller Beobachtungen und Analysen, auch aus Ihrem Umfeld. Wie anstrengend ist das? Können Sie relaxen?
Dobelli: Ich habe keine Checkliste ständig dabei. Ich kann relaxen. Aber ich muss es mir vornehmen und sagen: Heute mache ich mal gar nichts. Nicht mal lesen. Das ist schön. Was ich nicht kann: halb relaxen, halb arbeiten. Das geht bei niemandem. Man braucht die Zeitabschnitte, die man für sich reserviert, voll und ganz. An anderen Tagen schreibe ich meine Notizen auf und vielleicht entsteht daraus ein Buch.
9. Hatten Sie schon einen Karlsruhe Moment? Etwas was Ihnen hier aufgefallen ist?
Dobelli (lacht): Noch nicht, aber vielleicht kommt das noch …
Rolf Dobelli
Jahrgang 1966, verheiratet mit der Schriftstellerin Clara Maria Bagus, wohnt mit seiner Familie in Bern, Schweiz. Studierte Wirtschaft und promovierte in Philosophie an der Universität St. Gallen. Er war als Manager und Unternehmer tätig, als Kolumnist (u.a. Die Zeit, FAZ, Financial Times, NZZ), und als Buchautor, z.B. „Die Not-To-Do-Liste“ oder „Die Kunst des klaren Denkens“. Seine Bücher wurden in über 40 Sprachen übersetzt. Er selbst liest keine Zeitungen, aber Wissenschaftsmagazine und Bücher.