Natur und Boden: EU-Renaturierungsgesetz wird überraschend von Sitzungsagenda des EU-Rates genommen

Das vor allem von EVP-Seite scharf kritisierte Gesetz zur Renaturierung (Nature Restoration Law) hat am 27. Februar 2024 eine wichtige Hürde genommen. Das Parlament hat den Kompromisstext mit dem Rat mit 329 Stimmen zu 275 und 28 Enthaltungen angenommen.
Trotz der Erwartung, dass die Annahme des Gesetzes zur Renaturierung bei dem Treffen der europäischen Umweltminister am vergangenen Montag (25.03.2024) lediglich eine Formalität sein würde, hat Belgien – derzeit Vorsitzender des EU-Rates – den Punkt überraschend von der Agenda genommen.

Hintergrund

Vertreter der europäischen Institutionen haben sich nach schwierigen Verhandlungen auf einen Kompromiss beim Renaturierungsgesetz verständigt. Das Gesetz ist eines der Herzstücke des Green Deals. Der Vorschlag der Kommission war jedoch im Parlament auf starke Kritik der EVP gestoßen. Mit dem Gesetz verfolgt die Kommission das Ziel, den Prozentsatz der natürlichen Lebensräume zu minimieren, die sich aktuell in einem schlechten Zustand befinden. Laut Studien sind das aktuell etwa 80 Prozent.

Informationen zum Inhalt des Gesetzes

Der finale Kompromiss beinhaltet nun eine Verpflichtung zur Einleitung von Renaturierungsmaßnahmen – bis 2030 auf mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresflächen und bis 2050 in allen zu renaturierenden Ökosystemen. Zur Erreichung dieses Ziels sollen die EU-Mitgliedstaaten bis 2030 mindestens 30 Prozent der Habitate, die das neue Gesetz erfasst, in einen guten Zustand versetzen, bis 2040 60 Prozent und bis 2050 90 Prozent.
Umstritten war das Gesetz v. a. wegen der geplanten Renaturierung von Agrarflächen. Dieses Vorhaben ist jetzt auch im finalen Kompromiss enthalten, allerdings ohne strikte Zielvorgaben. Das Gesetz sieht auch eine Wiedervernässung von trockengelegten und landwirtschaftlich genutzten Mooren vor. Allerdings soll dies für Landwirte und private Grundbesitzer freiwillig bleiben. Es ist außerdem vorgesehen, dass bereits geschützte Natura 2000 Gebiete priorisiert werden, aber sie sollen nicht alleiniges Ziel des Gesetzes sein.
Der finale Text enthält jetzt auch eine Notbremse im Falle von Lebensmittelknappheit, die von der Europäischen Kommission aktiviert werden kann. Sie würde es Mitgliedsländern erlauben, die Umsetzung des Gesetzes für ein Jahr auszusetzen.

Nächste Schritte

Die Meinungen zum Gesetz gehen teils sehr weit auseinander. Unklar ist zum Beispiel, ob sich das Gesetz auf die für den Ausbau der erneuerbaren Energien zur Verfügung stehenden Flächen auswirken könnte. Es lässt sich vermuten, dass sich an diesem Gesetz beispielhaft zeigt, wie sich Debatten um Umweltgesetzgebung noch weiter verschärfen könnten.
Die finale Annahme durch den Rat wurde für Ende März erwartet. Das Gesetz wurde allerdings als Tagesordnungspunkt von der Agenda genommen. 
Grund hierfür ist eine Sperrminorität von acht Mitgliedstaaten gegen den Gesetzestext. Denn um in Kraft treten zu können, muss der Vorschlag von mindestens 55 % der EU-Länder unterstützt werden, die 65 % der Bevölkerung des Blocks repräsentieren. Nach der Entscheidung Ungarns, die Unterstützung für den Vorschlag zurückzuziehen, war diese Bedingung nicht mehr erfüllt. Außerdem sprachen sich die Niederlande, Italien, Schweden und Polen ebenfalls gegen den Vorschlag aus, und Österreich, Finnland und Belgien deuteten eine Enthaltung an. Belgien, das derzeit die Ratspräsidentschaft innehat, wird versuchen einen Konsens zwischen den Mitgliedstaaten zu finden. Davon hängt ab, ob der Vorschlag verabschiedet oder verworfen wird. 
Ein so spätes Scheitern im Gesetzgebungsverfahren ist sehr ungewöhnlich und zeigt die Kollision unterschiedlicher Visionen für die Umweltgesetzgebung.  Angesichts der bevorstehenden EU-Wahlen bleibt ungewiss, ob eine Einigung noch vor dem Ende der Sitzungsperiode erreicht werden kann. 

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Quelle: DIHK (angepasst)