Urlaubsansprüche trotz Verzicht im Vergleich? – Neues BAG-Urteil schafft Klarheit
Am 3. Juni 2025 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) ein wichtiges Signal zur Unverzichtbarkeit des gesetzlichen Mindesturlaubs gesetzt.
Im zugrunde liegenden Fall war ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt von Januar bis Ende April 2023 durchgehend arbeitsunfähig und konnte seinen Jahresurlaub daher nicht nehmen. Im März 2023 einigten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2023. Der Arbeitnehmer erhielt eine Abfindung in Höhe von 10.000 Euro, im Vergleich war zudem festgehalten, „Urlaubsansprüche sind in natura gewährt“ .
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte der Arbeitnehmer jedoch die finanzielle Abgeltung von sieben Urlaubstagen – rund 1.600 Euro. Der Arbeitgeber lehnte dies ab und verwies auf die Regelung im Vergleich.
Das Bundesarbeitsgericht stellte nun klar: Der Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG bleibt bestehen, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden kann. Die im Vergleich enthaltene Klausel, wonach der Urlaub „in natura gewährt“ worden sei, sei in diesem Zusammenhang unwirksam – sie verstößt gegen § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG, der Abweichungen vom gesetzlichen Mindesturlaub zum Nachteil der Arbeitnehmer untersagt.
Zudem verneinte das BAG, dass es sich bei der Regelung im Vergleich um einen sogenannten Tatsachenvergleich handelte. Ein solcher wäre nur dann zulässig, wenn zwischen den Parteien Unsicherheit über das Bestehen eines Anspruchs bestanden hätte. Im konkreten Fall sei jedoch unstrittig gewesen, dass der Urlaub krankheitsbedingt nicht genommen worden war. Auch der Versuch des Arbeitgebers, sich auf Treu und Glauben zu berufen – mit dem Argument, man habe sich auf die Wirksamkeit der Klausel verlassen – wurde vom BAG abgelehnt. Arbeitgeber könnten sich nicht auf den Bestand offensichtlich rechtswidriger Regelungen berufen.
Für die Praxis bedeutet das: Arbeitgeber können sich bei der Formulierung von Vergleichen und Aufhebungsverträgen nicht darauf verlassen, dass allgemeine Klauseln zum Urlaubsverzicht wirksam sind. Offene Urlaubstage müssen klar benannt und – wenn sie nicht genommen werden konnten – finanziell abgegolten werden. Für Arbeitnehmer ist das Urteil eine Stärkung ihrer Rechte: Auch bei einem Vergleich dürfen sie auf die Auszahlung ihres nicht genommenen gesetzlichen Urlaubs bestehen, sofern dieser wegen Krankheit oder Beendigung nicht mehr in Anspruch genommen werden konnte.
BAG Urteil vom 3. Juni 2025, Az. 9 AZR 104/24
BAG Urteil vom 3. Juni 2025, Az. 9 AZR 104/24