Digitale Transformation
Nahezu täglich erscheinen neue Studien und Berichte rund um die Digitalisierung von Unternehmen, dem Wandel der Arbeitswelt und zu neuen Geschäftsmodellen. In diesem Leitfaden finden Sie konkrete Methoden, Tipps und Beispiele für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle im Kontext der Digitalisierung.
1. Nutzen, Chancen und Risiken
Der Nutzen der Digitalisierung lässt sich auf einen einfachen Nenner bringen: Die Steigerung von Effizienz, Prozessqualität, Umsatz und weiteren Faktoren sowie die Senkung von Kosten, Fehlerquoten und weiteren Faktoren.
Bei genauerer Betrachtung finden sich jedoch differenzierte Gründe für Digitalisierungsstrategien: Je nach Branche und Ausrichtung wird beispielsweise die Erschließung neuer Märkte angestrebt oder es sollen innovative Services für bestehende Kunden angeboten werden. Ebenso wird häufig die Entwicklung vollkommen neuer Geschäftsmodelle angestrebt. Als zentrale Hürden für die Umsetzung konkreter Maßnahmen werden typischerweise eine unzureichende Breitbandversorgung, ein Mangel an Ressourcen oder Know-how oder Unsicherheiten hinsichtlich rechtlicher Vorgaben genannt.
Diese Beispiele zeigen jedoch bereits einen wichtigen Aspekt der Digitalisierung auf: Wie jeder Innovationsschritt bedarf auch die Digitalisierung von Geschäftsprozessen und -modellen einer fundierten Vorbereitung von der ersten Potenzialanalyse bis hin zur praktischen Umsetzung und fortlaufenden Weiterentwicklung. Die Handlungsfelder reichen von der Einbeziehung entsprechender Berater über die Auswahl oder Entwicklung von Software bis hin zu Fragen der Weiterbildung und Qualifizierung oder der IT-Sicherheit.
In den folgenden Abschnitten finden Sie eine Reihe von Anregungen für den Einstieg in den digitalen Wandel.
In den folgenden Abschnitten finden Sie eine Reihe von Anregungen für den Einstieg in den digitalen Wandel.
2. Fokus Kunde: Geschäftsmodelle
Bereits mit dem Begriff fangen die Herausforderungen an: Zwar besteht in der Literatur breiter Konsens, dass die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle von grundlegender Bedeutung für eine erfolgreiche Positionierung im Zuge der digitalen Transformation ist. Allerdings gehen die Definitionen, welche Bestandteile ein Geschäftsmodell konkret ausmachen, stark auseinander. Dennoch lassen sich einige Grundgedanken zusammenfassen: Im Kern wird ein Geschäftsmodell anhand von Unternehmensstrategie und Geschäftsidee abgeleitet und umfasst eine Reihe verschiedener Elemente sowie eine entsprechende Architektur, auf deren Grundlage schließlich Geld verdient wird. Typische Elemente sind hierbei unter anderem Kundensegmente, die Kostenstruktur, Vertriebskanäle, erforderliche Ressourcen und so weiter.
An diesen Elementen zeigen sich mögliche Ansatzpunkte zur Entwicklung neuer Geschäftsideen im Zuge der Digitalisierung. Während der Vertriebskanal "Onlineshop" offensichtlich ist, kann beispielsweise eine Segmentierung möglicher Zielgruppen und Märkte ganz neue Ideen bringen - sei es eine "digitale" Zusatzfunktion bei einem Produkt für pflegebedürftige Personen oder bei einer Maschine oder eine für sich genommen nicht umsatzwirksame App zur Bindung bestimmter Kundengruppen. Ein weiteres Beispiel wäre die Verknüpfung verschiedenster Daten (zum Beispiel Kunden, Bestände, Wetter, Verkehr, Produktinformationen) zwecks neuartiger Gestaltung von Service-Prozessen.
Folgende Tabelle zeigt eine komprimierte Auswahl möglicher "Suchfelder" in Zusammenhang mit der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle:
Suchfelder | Beispiele |
---|---|
Kundensegmente | Zum Beispiel räumlich, Einkommen, Alter, Kultur, ... |
Kanäle | Zum Beispiel hinsichtlich Marketing, Vertrieb, Kundenbindung, After-Sales-Betreuung, ... |
Ressourcen | Zum Beispiel Personal, Kapital, Technologien, Wissen, Partner, ... |
Aktivitäten | Zum Beispiel Produktion, Beratung, Plattform-Bereitstellung, ... |
Umsatzgenerierung | Zum Beispiel einmaliger Verkauf, Zubehör, Dienstleistungen, Wartung, Vermietung, Abo, ... |
Von entscheidender Bedeutung ist hierbei das Verständnis, dass "das eine" digitale Geschäftsmodell nicht existiert, sondern Geschäftsmodelle (unabhängig von der Digitalisierung) fortlaufend und unternehmensspezifisch mit Hilfe unterschiedlichster Methoden entweder neu entwickelt oder auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls differenziert beziehungsweise weiterentwickelt werden müssen.
Gleichzeitig ist es sinnvoll, vorhandene Geschäftsmodelle Dritter zu betrachten und die Übertragung verschiedener Elemente auf das eigene Konzept zu diskutieren. Hieran zeigt sich eine wesentliche Herausforderung der Geschäftsmodell-Entwicklung: Würde sich diese auf das Übernehmen offensichtlicher Technologien oder Software-Produkte oder auf das Kopieren bestimmter Ideen beschränken, wären in kürzester Zeit alle Mitbewerber einer Branche auf demselben Stand. Anspruch und Potenzial der Geschäftsmodell-Entwicklung liegen daher gerade darin, diejenigen Ansätze und Kundenbedarfe zu erkennen, für die noch keine technischen Lösungen oder Geschäftsprozesse erdacht wurden.
Im Folgenden finden Sie eine Auswahl typischer Methoden in Zusammenhang mit der Geschäftsmodell-Entwicklung.
3. Beispiele: Design Thinking und Business Model Canvas
Wenngleich unzählige weitere Methoden existieren, finden Elemente des Design Thinking sowie das Business Model Canvas häufig bei der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle Anwendung. Diese werden im Folgenden am Beispiel eines Augmented Reality Konfigurators für die Beratungs- und Vertriebsunterstützung grob skizziert.
Design Thinking
Das Design Thinking gliedert sich typischerweise in sieben Phasen:
- Identifikation relevanter Themenfelder.
Beispiel: Effizienzsteigerung in Kundenberatung und Vertrieb, Digitalisierung von Abläufen. - Verstehen der Aufgabenstellung durch Beobachtung von Kunden beziehungsweise Zielgruppen.
Beispiel: Der Verkäufer präsentiert dem Kunden die Produkte auf einem Tablet. Auftragsparameter werden in einem Vordruck händisch erfasst. Anschließend werden mögliche Konfigurationen im Büro des Verkäufers mittels Planungs-Software am PC-Arbeitsplatz erarbeitet und dem Kunden per E-Mail zugeschickt. - Nutzerprofile erstellen und Kundenbedarfe ableiten (Customer Empathy Map und Customer Journey Map).
Beispiel: Der Verkäufer ist durch die Planung im Nachgang meist zeitlich überlastet. Der Kunde würde die Produkte gerne in der Einsatzumgebung betrachten. - Ideen gewinnen und bewerten.
Beispiel: 3D-Konfigurator-App. Augmented Reality Brille für den Einsatz beim Kunden. Holographische Darstellung der Objekte beim Kunden. Sprachbasierte Erfassung der Angebotsparameter im Dienstwagen des Verkäufers während der Rückreise. - Prototyp entwickeln.
Beispiel: Ein Mitarbeiter aus Forschung und Entwicklung spielt die sprachbasierte Erfassung während der Fahrt durch. Ergebnis: Nicht umsetzbar, da Kundentelefonate gestört werden. Nächster Schritt: Rudimentäre App, welche die Erfassung der Umgebungsbedingungen sowie die Darstellung der Produkte in einer virtuellen Umgebung ermöglicht. Kunden-Feedback: Darstellung zu abstrakt. Daher Umsetzung einer einfachen Augmented Reality Anwendung, welche dem Kunden die Produkte in der realen Umgebung darstellt. Ergebnis: Vielversprechend. - Prototyp testen.
Beispiel: Entwicklung eines anspruchsvolleren Augmented Reality Prototyps, anhand dessen erste Testkunden beraten werden. Ergebnis: Lösung geeignet. Während der Tests fragt ein Kunde, ob ihm hierbei auch Zubehörteile eingeblendet werden können. Hieraus entsteht die Idee, die Beratungsvorgänge mittels der Anwendung zu erfassen und durch Abgleich mit Auftragsparametern einen Empfehlungs-Algorithmus abzuleiten, welcher den Kunden sowohl im Online-Shop als auch in der Augmented Reality App Zubehörteile sowie häufig gewählte Alternativ-Produkte anzeigt. Für diesen Teilbereich erfolgt ein Einstieg in der oben genannten Phase Nummer 2. - Festlegung eines Geschäftsmodells beziehungsweise Integration in ein Geschäftsmodell (siehe unten).
Die obigen Darstellungen sind deutlich vereinfacht und klammern insbesondere auch soziale und kreative Aspekte der Methoden aus. Für einen tiefergehenden Einstieg empfehlen wir die zahlreich verfügbare Literatur oder die Einbeziehung entsprechend spezialisierter Dienstleister.
Business Model Canvas
Beim Business Model Canvas (Quelle: Strategyzer.com) handelt es sich um ein Instrument, anhand dessen die Bausteine eines Geschäftsmodells strukturiert und visualisiert werden. Entsprechende Arbeitsvorlagen sind in verschiedensten Onlinequellen verfügbar.
Die Methodik eignet sich gleichermaßen zur Skizzierung eines neuen Geschäftsmodells wie auch für die Analyse bestehender Geschäftsmodelle. Anhand des obigen Beispiels werden - wiederum vereinfacht - die typischen Elemente skizziert:
- Partner (zum Beispiel Entwickler der Augmented Reality Anwendung, Lieferant Datenbrillen, Schulungsanbieter, Entwickler Empfehlungs-Algorithmus und so weiter)
- Aktivitäten (Direktvertrieb der Produkte im B2B-Bereich, Online-Shop für den B2C-Bereich)
- Ressourcen (Schutzrechte, IT-Infrastruktur)
- Nutzen (Automatische Erzeugung des Angebots, Kunde erhält Angebot schneller, Umsatzsteigerung durch Cross-Selling, Wahrnehmung als innovativer Anbieter)
- Kundenbeziehung (besserer persönlicher Kontakt da Augmented Reality Erlebnis anstelle manueller Datenerfassung durch Verkäufer, Online-Einkauf)
- Kanäle (Newsletter, TV-Werbung, Call Center, Direktvertrieb)
- Kundenarten (Geschäftskunden klein/mittel/groß/IT-affin/IT-fern, Privatkunden Hausbesitzer/Mieter)
- Einnahmequellen (Verkauf der Produkte, After Sales Leistungen)
- Kosten (200.000 Euro FuE-Budget, Anschaffung Datenbrillen, Schulung Mitarbeiter, Marketing, Schnittstelle ERP-System)
Diese Darstellung ist deutlich vereinfacht und entspricht nicht annähernd einer vollständigen Erfassung eines Geschäftsmodells. Hieran lassen sich jedoch verschiedene weitergehende Ansätze darstellen.
Wie bereits angedeutet hätte man von vornherein die technischen Möglichkeiten screenen und sich möglicherweise auch auf die Augmented Reality Lösung festlegen können. Der oben skizzierte Prozess hat jedoch dazu geführt, dass unterschiedlichste Akteure sich intensiv mit Kundenbedarf sowie Lösungsmöglichkeiten befasst und typische Fragen oder Missverständnisse direkt in der gemeinsamen Findungsphase diskutiert haben. Aus anfänglichen Fehlern wurde gelernt und es wurden verschiedene Impulse für Verbesserungen sowie Ergänzungen abgeleitet. Bereits während der Testphase ist eine Idee für die Zusatz-Lösung Cross-Selling entstanden.
Nachdem hieraus mittels Business Model Canvas ein mögliches Geschäftsmodell skizziert wurde, kann für jeden erfassten Baustein hinterfragt werden, ob dieser beispielsweise
- weitergehende Digitalisierungs-Ansätze bietet.
- durch Digitalisierung skalierbar ist.
- durch Wettbewerber oder andere Lösungen angreifbar ist.
- und so weiter.
Für diesen Abgleich bieten sich verschiedene online verfügbare digitale Reifegradmodelle an. Vereinfacht zusammengefasst werden hierbei typischerweise verschiedene Ebenen betrachtet wie zum Beispiel
- Konnektivität von Produkten
- Informations- und Datenaustausch
- Integration von Sensoren
- Monitoring
- Services / After-Sales
- Art der Umsatzgenerierung
Auf jeder Ebene wird dann der angestrebte oder mögliche Digitalisierungsgrad beleuchtet, beispielsweise für das Thema Monitoring:
- Kein Monitoring
- Erkennung von Fehlern oder Ausfällen
- Möglichkeit der Eigendiagnose
- Fähigkeit zur Prognose
- Fähigkeit zur Reaktion auf Basis von Diagnose und / oder Prognose
Hierzu einige Beispiele: In einer vereinfachten Herangehensweise könnten nun die im Kapitel Digitalisierung von Prozessen skizzierten Lösungen beziehungsweise Technologien mit allen im Canvas erfassten Bausteinen abgeglichen werden. Bei der Analyse der Kanäle kommt hinsichtlich des Newsletters die Frage auf, ob Marketing Automation hier nicht Potenziale bietet. Es wird festgelegt, zu analysieren, inwieweit anhand der aus dem geplanten Cross-Selling-Algorithmus erhaltenen Daten auch eine automatisierte Erstellung zielgruppenspezifischerer Newsletter möglich ist. Während der Analyse der Einnahmequellen kommt darüber hinaus die Idee auf, die Lösung auch auf andere Branchen zu übertragen und hierüber Lizenzeinnahmen zu generieren.
Aufgrund der Vielzahl an Methoden und unterschiedlichen Geschäftsmodellen kann dieses Beispiel naturgemäß nur ein erster Impuls für eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Thematik sein. Beziehen Sie im Rahmen einer tatsächlichen Umsetzung daher unbedingt weitere Informationsquellen, Methoden und bei Bedarf auch entsprechend spezialisierte Berater und Dienstleister ein.