04.07.2022

Schweiz: Mitarbeiterentsendung und Dienstleistungserbringung

Seit dem 1. Juni 2004 können sich selbständig erwerbstätige Dienstleistungserbringer und entsandte Arbeitnehmer aus den EU-/EFTA-Staaten während 90 Arbeitstagen im Kalenderjahr ohne ausländerrechtliche Bewilligung in der Schweiz aufhalten. Obwohl bis zu 90 Tagen keine Arbeitsbewilligung benötigt wird, sind dennoch neben der Meldepflicht auch die Schweizerischen Lohn- und Arbeitsbedingungen einzuhalten.

1. Online-Meldung

Die Online-Meldung bietet sich vor allem für Arbeitgeber an, die regelmäßig Arbeitnehmer in die Schweiz entsenden, da dann alle relevanten Daten hinterlegt werden können, was künftige Bearbeitungen vereinfacht. Dabei muss das Unternehmen oder der selbstständige Dienstleistungserbringer einmalig ein Konto im Online-Meldeverfahren eröffnen.
Jeder Arbeitseinsatz in der Schweiz muss danach einzeln und mindestens acht Tage vor Beginn der Erwerbstätigkeit im Meldeverfahren registriert werden. Informationen für Dienstleistungserbringer stellen die Behörden zur Verfügung.

2. Ausnahmen

Acht Tage im Kalenderjahr bleiben grundsätzlich meldefrei. Dies jedoch nur dann, wenn das Unternehmen bislang noch nie eine Entsendemeldung in die Schweiz getätigt hat und wenn davon auszugehen ist, dass das Unternehmen auch für das restliche Kalenderjahr weniger als acht Einsatztage haben wird. Darüber hinausgehende Tätigkeiten in der Schweiz müssen gemeldet werden.
Vom ersten Tag meldepflichtig bleiben auch weiterhin alle selbstständigen Dienstleistungserbringer und entsandten Arbeitnehmer aus den EU-/EFTA-Staaten mit einer Erwerbstätigkeit im
  • Bauhaupt- und Baunebengewerbe (der Begriff des Baunebengewerbes wird jedoch relativ weit ausgelegt. Im Zweifelsfall kann bereits die Verwendung von einfachem Bauwerkzeug genügen)
  • Garten- und Landschaftsbau
  • Gastgewerbe (inkl. Hotelgewerbe)
  • Reinigungsgewerbe in Betrieben und Haushalten
  • Überwachungs- und Sicherheitsdienst
  • Reisendengewerbe (Ausnahme: Messen und Zirkusse)
  • Erotikgewerbe
Welche Tätigkeiten in der Schweiz tatsächlich meldepflichtig sind, ist zum Teil nicht eindeutig. Informationen dazu finden Sie auf den Seiten der Handelskammer Deutschland Schweiz (AHK Schweiz).
Die Kontaktdaten der kantonalen Migrations- und Arbeitsmarktbehörden finden Sie ebenfalls online.

3. Berechnung der meldefreien Tage (90 Arbeitstage)

Meldefreie Tage und maximale Tätigkeitsdauer von 90 Tagen beziehen sich sowohl auf das Entsendeunternehmen als auch auf die entsandten Arbeitnehmer. Die Anzahl der Arbeitnehmer, die während der Beschäftigungsdauer gleichzeitig entsandt werden, wirkt sich hingegen nicht auf die Gesamtzahl der berechneten Arbeitstage für das Unternehmen aus. 
Entsendet eine Firma an 5 Tagen jeweils 3 Mitarbeiter, so hat die Firma 5 Tage aufgebraucht. Für das Guthaben der Firma ist es unerheblich, wie viele Mitarbeiter sie an einem bestimmten Tag gleichzeitig entsendet.
Wurde ein Mitarbeiter bereits für 90 Tage von einem Unternehmen in die Schweiz entsandt, so kann ihn kein anderes Unternhemen für weitere Einsätze im selben Kalenderjahr in die Schweiz entsenden. Der Mitarbeiter hat sein Guthaben von 90 Tagen aufgebraucht.

4. Minimale Lohn- und Arbeitsbedingungen

Ausländische Arbeitgeber müssen die sogenannten flankierenden Maßnahmen berücksichtigen und dabei insbesondere auf die Einhaltung der minimalen schweizerischen Lohn- und Arbeitsbedingungen achten. Die minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen finden sich vornehmlich in allgemein verbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen (in Deutschland heißen die Gesamtarbeitsverträge Tarifverträge) und betreffen in der Praxis im Wesentlichen den Mindestlohn und die Arbeitszeitvorschriften. Viele Vorschriften sind kantonal.
Lohnvergleichsberechnungen können Sie mit dem Lohnrechner durchführen.

5. Lohnmeldungen

Ausländische Dienstleistungserbringer aus dem EU/EFTA-Raum sind bei einer Entsendung von Mitarbeitern in die Schweiz verpflichtet, den dort bezahlten Bruttostundenlohn für jeden einzelnen Mitarbeiter anzugeben. Hierdurch sollen die zuständigen Kontrollorgane (kantonale Arbeitsinspektionen) in die Lage versetzt werden, evtl. unzulässig niedrige Löhne und Scheinselbstständigkeit zu bekämpfen.

6. Subunternehmer und Solidarhaftung

Selbstständige Subunternehmer müssen ihre Einsätze selbst melden. Maßgeblich ist, dass eine meldepflichtige Tätigkeit in der Schweiz erbracht wird.
Zu beachten ist, dass für den Fall, dass Dienstleistungen in der Schweiz im Bereich des Bauhaupt- und Baunnebengewerbes durch Subunternehmer erbracht werden, diese vertraglich verpflichtet werden müssen, die Vorschriften des Schweizer Entsendegesetzes einzuhalten (Art. 5 Entsendegesetz). Andernfalls kann das auftraggebende Unternehmen sanktioniert werden (Stichwörter: Solidarhaftung und Musterdokumente). Informationen über Sanktionen hält das schweizerische Gesetz über flankierende Maßnahmen bereit.

7. Weitere Besonderheiten des Schweizer Entsendegesetz

Das Meldeverfahren sowie die Verpflichtung zur Einhaltung der minimalen Schweizer Lohn- und Arbeitsbedingungen sind in der Schweizer Entsendegesetzgebung geregelt. Seit dem 1. Januar 2013 sind wichtige Änderungen des Entsendegesetzes, die sowohl ausländische Dienstleistungserbringer als auch Unternehmen mit Sitz in der Schweiz betreffen, zu beachten.
Für ausländische selbständige Dienstleistungserbringer gelten Dokumentationspflichten. Dadurch soll die Scheinselbständigkeit bekämpft werden. Des Weiteren wurden die Sanktionsmöglichkeiten gegenüber ausländischen Dienstleistungserbingern und Unternehmen mit Sitz in der Schweiz erweitert. Bei Kontrollen müssen auf Verlangen der Kontrollorgane folgende Unterlagen vor Ort nachgewiesen werden:
  • Kopie der Meldebestätigung oder Kopie der erteilten Bewilligungen
  • Bescheinigung nach Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009, Formular A1, Informationen dazu finden Sie bei der DVKA 
  • Kopie des Vertrages mit dem Auftraggeber bzw. dem Besteller. Wenn kein schriftlicher Vertrag vorliegt, eine schriftliche Bestätigung des Auftraggebers bzw. des Bestellers für den in der Schweiz auszuführenden Auftrag oder Werkvertrag.

8. Kautionspflichten

Unternehmen, die in der Schweiz Aufträge durchführen, müssen außerdem prüfen, ob unter Umständen eine Kautionspflicht besteht. Betroffen sind insbesondere Unternehmen der Bau- und Baunebenbranche. Ob Kautionspflicht besteht und wie eine entsprechende Verpflichtung erfüllt werden kann, können Unternehmen auf der Website der Zentralen Kautions-Verwaltungsstelle Schweiz (ZKVS) prüfen.