20.03.2023

Zoll und Warenverkehr mit dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit

1. Zollgrenze EU-GB

Seit 1. Januar 2021 besteht eine normale Zollgrenze zwischen dem Vereinigten Königreich (GB) und der Europäischen Union.

Zollanmeldungen für Großbritannien, keine Änderung für Nordirland

Unabhängig vom geltenden Freihandelsabkommen gibt es eine Zollabfertigung für den Warenverkehr zwischen der EU und Großbritannien (England, Schottland, Wales). Lieferungen nach Nordirland werden weiterhin als innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt.
Das bedeutet für Lieferungen zwischen der EU und Nordirland
  • keine Zollanmeldungen
  • normale umsatzsteuerliche Handhabung (u.a. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer)
  • Intrastatmeldungen (Code XI)
In einem Zoll-Leitfaden informiert die Generaldirektion Zoll und Steuern Unternehmen über die Auswirkungen der Grenze für den Warenverkehr.

Lieferbedingungen überprüfen

Im Binnenmarkt ist das Risiko einer Lieferbedingung „frei Haus” oder DDP überschaubar. Im Warenverkehr mit einem Drittland bedeutet es, dass der Lieferant Kosten und Risiko der Zollabfertigung trägt und sich in der Regel im Empfängerland steuerlich registrieren lassen muss. Die Kosten sind mit dem vereinbarten „frei Haus”-Preis abgegolten. Dies sollte bei Vereinbarungen mit britischen Unternehmen berücksichtigt werden.

Alle Warenverkehre betroffen

Seit GB ein Drittland ist, sind alle Warenverkehre davon betroffen, nicht nur endgültige Ausfuhren oder Einfuhren. Zollabfertigung auf beiden Seiten des Ärmelkanals und auf der irischen Insel gibt es für:
  • Reparaturen
  • Berufsausrüstung
  • Messegüter
  • Lagerbewegungen
Beispiel: Falls Wartungsarbeiten an einer Maschine in GB durchgeführt werden sollen, muss die mitgeführte Berufsausrüstung vier Mal zollrechtlich abgefertigt werden: Ausfuhr EU, Einfuhr GB, Wiederausfuhr GB, Wiedereinfuhr EU. Es gibt verschiedene Möglichkeiten der zollrechtlichen Abfertigung mit Carnet ATA oder auch ohne. GB ist seit 2021 nach der Schweiz das zweithäufigste Carnet-Zielland aus Deutschland.

Rückwaren

Im Warenverkehr zwischen GB und der EU gilt jetzt die übliche Rückwarenregelung (kein Zoll, keine Steuer bei der nachweislichen Wiedereinfuhr). Für Waren, die vor dem 1. Januar 2020 aus der EU nach GB geliefert wurden, gilt: Wenn solche Waren aus GB in die EU27 zurückkommen, ist eine analoge Anwendung der Rückwarenregelung möglich. Als Nachweis der Lieferung nach GB dient beispielsweise ein Lieferschein oder eine Gelangensbestätigung.

2. GB: Einfuhrbestimmungen, Zollabgaben, Zollverfahren

Britische Regierung verschiebt erneut Start weiterer Einfuhrkontrollen

Die britische Regierung setzt Zollformalitäten und Grenzkontrollen für Importware schrittweise um. Die bereits mehrfach verschobenen Fristen sollen nach einer Ankündigung der britischen Regierung vom 28. April 2022 erneut verlängert werden. Für deutsche Exporteure bedeutet das: Anders als geplant hat es zum 1. Juli 2022 keine Änderungen im Vergleich zur heutigen Einfuhrpraxis gegeben!

Welche Regelungen sind betroffen?

  • Die Pflicht zur Voranmeldung von Waren, die veterinär- oder pflanzenschutzrechtlichen Bestimmungen unterliegen (SPS-Waren) wurde verschoben von 1. Januar 2022 auf Ende 2023.
  • Die Pflicht zur Vorlage von Veterinärbescheinigungen (Export Health Certificates) wurde verschoben von 1. Juli 2022 auf Ende 2023.
  • Die Pflicht zur Vorlage von Pflanzengesundheitszeugnissen und physische Kontrollen von SPS-Waren an Grenzkontrollstellen wurden verschoben von 1. Juli 2022 auf Ende 2023.
  • Sicherheitserklärungen für Einfuhren werden statt ab 1. Juli 2022 erst Ende 2023 erforderlich sein.
Die für GB geltenden Zollsätze und Einfuhrbestimmungen lassen sich in der EU-Datenbank Access2Markets recherchieren. 

Zolldienstleister

Die britische Verwaltung hält im Internet eine Liste mit Zolldienstleistern vor. Die List of customs agents and fast parcel operators soll helfen, geeignete Zolldienstleister und spezialisierte Zollagenten im VK zu finden. EU-Exporteure sollten rechtzeitig klären, wer im VK die Verzollung übernimmt.

Zolltarif – Wie hoch sind die Zölle?

Der Zolltarif des Vereinigten Königreichs entspricht in weiten Teilen dem EU-Zolltarif, sieht jedoch Vereinfachungen sowie Zollreduzierungen für einige Waren vor.
Aufgrund des Handelsabkommens gilt für Waren mit präferentiellem Ursprung “EU” Zollfreiheit bei der Einfuhr in das Vereinigte Königreich. Umgekehrt sind präferentielle Ursprungswaren “GB” bei der Einfuhr in die Europäische Union zollfrei. 

Zollformalitäten, Einfuhrbestimmungen – Wie funktioniert die Verzollung in GB?

Das von der britischen Regierung veröffentlichte Dokument “The Border with the European Union. Importing and Exporting Goods” geht detailliert auf Import- und Exportvorgänge ein, beschreibt Zollformalitäten, Zollverfahren und Abgabenerhebung in GB und weist auf die Regularien und Einfuhrbestimmungen besonderer Warengruppen hin.

Zollsystem CDS ersetzt CHIEF

Das alte Abfertigungssystem CHIEF (die deutsche Entsprechung ist ATLAS) wird durch CDS ersetzt, für die Einfuhrabfertigung in GB seit Oktober 2022, für Ausfuhren aus GB ab April 2023. CHIEF basiert auf dem EG-Zollkodex. CDS basiert, trotz Brexit, auf dem EU-Unionszollkodex. Daher sind der Aufbau der Anmeldungen und die Datenanforderungen in CDS weitgehend identisch mit denen in der EU bzw. in ATLAS. Beispielsweise gibt es die Unterlagencodierung Y901. Die Anforderung, den Ursprung beim Import anzugeben, resultiert aus dieser Datengleichheit: Beim Import in die EU muss der nichtpräferentielle Ursprung ebenfalls angegeben werden. Wenn dieser unbekannt ist, kann in der EU der Sitz des Lieferanten verwendet werden.

Border Target Operating Model

Die Einführung der vollständigen Zollkontrollen für Waren aus der EU ist bereits mehrmals verschoben worden. Die britische Regierung hat im Frühjahr 2023 einen Plan vorgelegt, der die Einführung von Neuerungen in drei Stufen vorsieht. 

3. Präferentieller Ursprung und Lieferantenerklärungen

Der Brexit hat auch Konsequenzen für präferentielle Ursprungsregelungen. Bei diesem Thema wird – im Gegensatz zu Zollverfahren und Exportkontrolle – nicht zwischen GB und Nordirland unterschieden. Es gibt nur einen gemeinsamen Ursprung für das Vereinigte Königreich (= GB und Nordirland), die Kennung ist GB.
Seit 1. Januar 2021 sind GB-Waren keine EU-Waren mehr und folglich nicht mehr präferenzberechtigt. Das gilt nach Ansicht der EU auch für GB-Waren, die sich bereits vor dem Brexit im Gebiet der EU27 befunden haben. Das hat Auswirkungen auf die Präferenzkalkulation. Vormaterialien aus GB gelten damit als Vormaterialien ohne Ursprung. Die Aufhebung des präferentiellen Ursprungs führt dazu, dass in der EU27 Lagerware und verbaute Altware ihren präferentiellen Ursprung verliert. Gegebenenfalls hätte die Präferenzkalkulation neu durchgeführt werden müssen. 

Lieferantenerklärungen bis 2020

Lieferantenerklärungen aus GB (hier einschließlich Nordirland) sind nach dem Brexit und dem Ablauf der Übergangsfrist grundsätzlich ungültig, es sei denn, der Lieferant aus GB versichert, dass es sich bei der Ware um EU27-Ware gehandelt hat. Dies ist eher eine theoretische Möglichkeit.  
Lieferantenerklärungen aus der EU27 gelten normal weiter. Sollte in der Erklärung allerdings neben dem präferentiellen Ursprung „Europäische Union” auch ein Hinweis auf den nationalen/nicht-präferentiellen Urspung GB enthalten sein, hätte der Empfänger der Lieferantenerklärung Kenntnis über den „GB-Ursprung”.  Folge: Diese Ware verliert ihre Präferenzeigenschaft. Falls eine Lieferantenerklärung aus der EU27 nur die Ursprungsangabe Europäische Union enthält, gibt es keinen Anlass nachzuforschen, ob es sich vielleicht um GB-Ware handeln könnte. Der Lieferant wäre in der Pflicht, darüber gegebenenfalls zu informieren.

Seit 2021: Handelsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich

Es handelt sich um ein bilaterales Abkommen. EU-Ursprungsware ist im Vereinigten Königreich zollfrei, GB-Ware in der EU. Eine zollfreie Weiterlieferung der GB-Ware beispielsweise in die Schweiz ist nicht möglich. Als grenzüberschreitender Nachweis dient die Ursprungserklärung auf einem Handelspapier. Bei Warenwerten über 6.000 Euro muss der Nachweis aus der EU in Richtung GB eine REX-Nummer enthalten. Bei Nachweisen aus GB muss hingegen die GB-EORI des Lieferanten angegeben sein. 

Handelsabkommen von Großbritannien mit anderen Staaten

Die britische Regierung hat eine Übersicht über die Handelsabkommen veröffentlicht, die GB verhandelt hat. Insbesondere für deutsche Unternehmen mit Produktionsstätten in GB ist es wichtig zu wissen, ob und welche Zollvorteile aus Handelsabkommen seit dem Brexit genutzt werden können. Faktisch wurden die bestehenden Abkommen der EU mit diesen Staaten einfach kopiert. EU-Ursprungsware kann in diesen Abkommen kumuliert, also angerechnet werden. 
Beispiel Abkommen GB-Schweiz
Im Abkommen GB-Schweiz kann EU-Ware als präferenzberechtigt angerechnet werden. Damit kann beispielsweise EU-Vormaterial in GB verbaut und auf die Ursprungsregel angerechnet werden, wenn diese Ware in die Schweiz geliefert wird. Andersherum gilt dies ebenso.
Quelle: Schweizer Zirkular No. 071-13-GB-001 BREXIT 06

4. CE-Kennzeichnung

Die CE-Kennzeichnung wird in GB durch UKCA ersetzt. In Nordirland ändert sich hingegen nichts, weil Nordirland Teil des Binnenmarktes bleibt.

Einfuhr von GB-zertifizierten Produkten in die EU 

Zertifikate von britischen Zertifizierern haben ihr Gültigkeit in den 27 übrigen EU-Mitgliedsstaaten verloren. Demnach können betroffene Produkte nicht mehr in der EU in Verkehr gebracht werden. In folgender Liste finden Sie die betroffenen Produktkategorien.
Laut Germany Trade and Invest (GTAI) haben Unternehmen mit im VK zertifizierten Produkten nun zwei Optionen:
  • Sie können zum einen eine neue Konformitätsbewertung bei einem Zertifizierungsinstitut, einer „benannten Stelle”, in einem der verbleibenden Mitgliedstaaten beantragen. „Benannte Stelle” meint, dass die Prüfstellen ihren Sitz in einem Mitgliedstaat haben und von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats benannt wurden.
  • Zum anderen gibt es die Option, das bestehende Dossier in einen anderen EU-Mitgliedstaat übertragen zu lassen. Hierzu ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Unternehmen, der britischen sowie der neuen „benannten Stelle” notwendig.

Einfuhr von CE-gekennzeichneten Produkten nach GB

Das britische Ministerium für Wirtschaft und Handel (DBT) hat in einer Pressemitteilung vom 1. August 2023 bekannt gegeben, dass das Vereinigte Königreich die CE-Kennzeichnung weiterhin anerkennen wird. Damit rückt die britische Regierung von ihrem ursprünglichen Plan ab, die Produktkennzeichnung verpflichtend auf das neue UKCA-Label umzustellen. Die Frist hierfür wurde seit dem Austritt aus der Europäischen Union mehrmals verlängert, zuletzt galt eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2024.
  • Ausnahmen und teilweise längere Fristen gelten für definierte Produktgruppen, zum Beispiel Medizinprodukte. 
  • Bis zum 31. Dezember 2025 gilt eine Erleichterung für das Anbringen der Markierung: Anstelle der Markierung des Produkts selbst kann ein Etikett oder ein Begleitdokument, das den Endverbraucher erreicht, verwendet werden.  
Weitere Informationen dazu finden Sie in einem Merkblatt des gtai.

5. Exportkontrolle

Lieferungen nach Großbritannien (England, Schottland, Wales) werden als Ausfuhren betrachtet und unterliegen den entsprechenden exportkontrollrechtlichen Bestimmungen. Gelistete Güter dürfen nur mit Ausfuhrgenehmigung exportiert werden. Für Lieferungen nach Nordirland, die als innergemeinschaftliche Lieferungen gelten, ist unter Umständen eine Verbringungsgenehmigung erforderlich, wie vor dem Brexit auch. Als Verfahrenserleichterung wurde die Allgemeine Genehmigung EU001 um das Bestimmungsland Vereinigtes Königreich erweitert. Außerdem greift eine nationale Allgemeine Genehmigung, die AGG Nr. 15, für bestimmte Geschäfte mit Großbritannien.
Das BAFA informiert ausführlich auf seiner Website zum Thema Brexit.