18.09.2020

Das IHK-Ursprungszeugnis: Materielles Ursprungsrecht

In vielen Ländern ist die Einfuhr von Waren nur dann zulässig, wenn deren Ursprung durch eine öffentliche Urkunde – das Ursprungszeugnis – nachgewiesen wird.

1. Einführung

Die Feststellung des Warenursprungs ist notwendig für die Umsetzung von mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen (z. B. Kontingente, Zollaussetzungen etc.) im Bestimmungsland. Manche Importländer verlangen Ursprungszeugnisse nur für bestimmte Warengruppen, andere – wie die arabischen Staaten – schreiben sie generell vor. Die “Konsulats- und Mustervorschriften“ (kurz: K + M), herausgegeben von der Handelskammer Hamburg, geben Auskunft darüber, in welchen Ländern für welche Waren ein Ursprungszeugnis benötigt wird.

2. Arten des Warenursprungs

Bei der Abwicklung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs wird der Begriff des Warenursprungs häufig verwendet. Hierbei muss aber streng zwischen drei verschiedenen Arten des Warenursprungs unterschieden werden:
2.1 Präferenzieller Ursprung
Waren, die über einen präferenziellen Ursprung verfügen, erhalten bei der Zollabwicklung Vorteile: Sie können zu einem ermäßigten Zollsatz oder zollfrei eingeführt werden. Der präferenzielle Ursprung basiert auf ein- oder zweiseitigen Abkommen, die die EU mit einzelnen Staaten oder Staatengruppen abgeschlossen hat. Weitere Informationen zum Präferenzursprung finden Sie auf der Homepage der Zollverwaltung.
2.2 Warenmarkierungen / “Made in …”
Die Warenmarkierungen dienen dem Verbraucherschutz im Bestimmungsland. Basis für die Beurteilung bildet die Verkehrsauffassung in der jeweiligen Branche. Eine Beurteilung, was irreführend ist, kann nur durch die Gerichte erfolgen. 
2.3 Der nichtpräferenzielle Ursprung (handelspolitischer Ursprung)
Im Gegensatz zum präferenziellen Ursprung gilt der nichtpräferenzielle Ursprung für alle Waren und nicht nur für bestimmte Warenkreise. Jeder Ware kann auf Grund ihrer Entstehungsgeschichte ein handelspolitischer Ursprung zugewiesen werden.
Der nichtpräferenzielle Ursprung – und nur dieser – wird im IHK-Ursprungszeugnis bescheinigt.

3. Regeln des nichtpräferenziellen Ursprungs

Grundlage für die Ermittlung des nichtpräferenziellen Ursprungs ist das Zollrecht der Europäischen Union.
3.1 Vollständige Herstellung in einem Land
Eine Ware, die vollständig in einem Land gewonnen oder hergestellt wurde, hat ihren Ursprung in diesem Land, Art. 60 Abs. 1 UZK. In Artikel 31 UZK-DelVO werden spezielle Regeln für zum Beispiel mineralische Stoffe, pflanzliche Erzeugnisse, lebende Tiere, Abfälle und Altwaren etc. festgelegt.
3.2 Arbeitsteilige Herstellung in verschiedenen Ländern
Eine Ware, an deren Herstellung zwei oder mehrere Länder beteiligt waren, ist Ursprungsware des Landes, in dem sie
  • in einem dazu eingerichteten Unternehmen
  • einer letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung
  • zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses unterzogen wurde
  • und der Gesamtvorgang wirtschaftlich gerechtfertigt ist (Art. 60 Abs. 2 UZK).
Jedes einzelne Tatbestandsmerkmal kann tückische Problemfelder aufweisen. In der Praxis konzentriert sich jedoch die Beurteilung auf die “letzte wesentliche Be- oder Verarbeitung”. Als “Faustformel” kann man sich merken, dass eine Be- oder Verarbeitung in der Regel immer dann wesentlich ist, wenn sie über die nachfolgend aufgeführten Minimalbehandlungen (Art. 34 UZK-DelVO) hinaus geht.
Minimalbehandlungen sind:
  1. Behandlungen, die dazu bestimmt sind, die Ware während des Transports oder der Lagerung in ihrem Zustand zu erhalten (Lüften, Ausbreiten, Trocknen, Entfernen verdorbener Teile und ähnliche Behandlungen) oder Behandlungen, die die Versendung oder Beförderung erleichtern;
  2. einfaches Entstauben, Sieben, Aussondern, Einordnen, Sortieren, Waschen, Zerschneiden;
  3. Auswechseln von Umschließungen, Teilen oder Zusammenstellen von Packstücken, einfaches Abfüllen in Flaschen, Dosen, Fläschchen, Säcke, Etuis oder Schachteln, Befestigen auf Karten oder Brettchen sowie alle anderen einfachen Verpackungsvorgänge;
  4. Zusammenstellung von Waren in Sortimenten oder Kombinationen oder Aufmachung für den Verkauf;
  5. Anbringen von Warenmarken, Etiketten oder anderen ähnlichen Unterscheidungszeichen auf den Waren selbst oder auf ihren Verpackungen;
  6. einfaches Zusammenfügen von Teilen einer Ware zu einer vollständigen Ware;
  7. Zerlegen oder Änderung des Verwendungszwecks;
  8. Zusammentreffen von zwei oder mehr der unter den Buchstaben a) bis g) genannten Behandlungen.
Die obigen Minimalbehandlungen sind in der Regel selbsterklärend. Problematisch ist jedoch, inwieweit allein durch die Montage von Vormaterialien Ursprung begründet werden kann. Dafür hat die EU-Kommission eine Auffangregel beschlossen. Diese greift für die Bestimmung des nichtpräferenziellen Ursprungs in Fällen, in denen die Be- oder Verarbeitung wirtschaftlich nicht gerechtfertigt (Art. 33 UZK DA) war bzw. nicht über eine Minimalbehandlung (Art. 34 UZK-DA) hinaus geht.
Diese Auffangregel besagt, dass der Ursprung in solchen Fällen dem Land zugesprochen wird, in dem der größere Teil der verwendeten Vormaterialien seinen Ursprung hat. Als Kriterium gilt je nach Warenart entweder das Gewicht (HS-Kapitel 1 - 29 und 31 - 40) oder der Wert (HS-Kapitel 30 und 41 - 97) der Vormaterialien.
Bei Fragen oder Unklarheiten sollten die Fälle auf jeden Fall mit der IHK abgeklärt werden. Falls notwendig, sind die Produktionsabläufe im Herstellungsbetrieb zu demonstrieren.
3.3 Gleichzeitige (Mit-)Lieferung von Zubehör und Ersatzteilen
Gemäß Artikel 35 Abs. 1 UZK-DA können bei gleichzeitiger (Mit-)Lieferung abgesehen von Ersatzteilen auch Zubehör und Werkzeuge den Ursprung der Hauptware annehmen.

4. Ursprungsnachweise

Ergibt sich aus der Überprüfung des Warenursprungs, dass die Ware ihre letzte wesentliche Be- oder Verarbeitung in Ihrem Betrieb erhalten hat, so wird die IHK antragsgemäß den Warenursprung “Bundesrepublik Deutschland (Europäische Union)” bescheinigen. Nachweise sind nicht erforderlich, da die IHK in Zweifelsfällen die Produktionseinrichtung vor Ort besichtigen wird.

Wird keine ursprungsbegründende Be- oder Verarbeitung im eigenen Betrieb vorgenommen, muss der Ursprung der Ware durch geeignete Nachweise bewiesen werden.

5. Haftung

Ursprungszeugnisse sind öffentliche Urkunden (§ 415 ZPO), mit Beweiskraft für und gegen jedermann und genießen damit öffentlichen Glauben. Wer schuldhaft bewirkt, dass unrichtige Angaben in einem Ursprungszeugnis bescheinigt werden, kann sich einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen (§ 271 StGB). Diese Haftung bezieht sich auch auf die Prüfung des materiellen Ursprungs.