Factoring
Die sich verändernden Rahmenbedingungen der Unternehmensfinanzierung durch internationale Regulierungsmaßnahmen und bankinterne Ratingverfahren haben Auswirkungen auf die Kreditvergabe bzw. die Kreditversorgung der Unternehmen. Dadurch gewinnen Alternativen zur Fremdkapitalversorgung an Bedeutung. Hierzu gehört das Factoring. Das vorliegende Merkblatt gibt eine Übersicht zu dieser Finanzierungsalternative.
- 1. Was ist Factoring?
- 2. Wie funktioniert Factoring?
- 3. Welche Factoring-Varianten gibt es?
- 4. Für wen und wann ist Factoring geeignet?
- 5. Vorteile des Factoring
- 6. Nachteile und Risiken des Factoring
- 7. Welche Unterlagen benötigt die Factoring-Gesellschaft?
- 8. Wo gibt es weitere Informationen zum Factoring?
1. Was ist Factoring?
Factoring ist der laufende Verkauf von kurzfristigen Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen an eine Factoring-Gesellschaft (Factor) gegen sofortige Zahlung des Kaufpreises. Das Unternehmen erhält damit sofort Liquidität aus seinen Außenständen. Die Forderungen sind dadurch entstanden, dass das Unternehmen seinen Kunden ein Zahlungsziel und somit einen Lieferantenkredit gewährt hat. Die Geschäftsbeziehung basiert auf einem Factoring-Vertrag zwischen dem Factor und dem Kunden. Der Factor prüft vor Vertragsabschluss und fortlaufend die Bonität der Abnehmer und übernimmt innerhalb des vereinbarten Limits das volle Ausfallrisiko. Factoring erfüllt im Wesentlichen drei Funktionen:
Finanzierungsfunktion (Bereitstellung von Liquidität)
Bei einem Verkauf der Forderung bietet die Factoring-Gesellschaft die sofortige Bezahlung von in der Regel 80 bis 90 Prozent der an ihn abgetretenen Forderungen an. Die Bereitstellung des Betrags innerhalb von wenigen Tagen verbessert die Liquidität des Unternehmens. Die Differenz zum vollen Rechnungsbetrag behält der Factor als Sicherheitsabschlag für Forderungsausfälle zurück. Der Restbetrag wird dann bezahlt, wenn der Kunde seine Verbindlichkeiten beglichen hat, spätestens jedoch 150 Tage nach Fälligkeit der Rechnung - unabhängig davon, ob der Kunde zahlt oder nicht.
Delkrederefunktion (Ausfallschutz)
Zum Factoring gehört neben dem Kauf der Forderung häufig die Übernahme eines möglichen Forderungsausfalles. Die Factoring-Gesellschaft befreit den Kunden von seinem Ausfallrisiko und verzichtet auf Regressansprüche. Damit geht das Ausfallrisiko für die verkauften Forderungen auf den Factor über. Der Forderungsverkäufer ist vor Forderungsausfällen gesichert. Der Kunde hat gegenüber dem Factor nur eine Rechtsbestandshaftung, d. h. die Forderung muss in der angegebenen Höhe einredefrei bestehen.
Dienstleistungsfunktion (Servicefunktion)
Die Factoring-Gesellschaften übernehmen häufig auch die Debitorenbuchhaltung, das Mahnwesen und das Inkasso; mitunter reicht der Service bis hin zur Bonitätsprüfung und Rechnungserstellung. So kann ein Unternehmen mit dem Verkauf seiner Forderungen nicht nur das Forderungsausfallrisiko, sondern auch sämtliche Debitorenmanagementfunktionen auf den Factor übertragen. Dies bedeutet aber nicht unbedingt den Verlust des Mitspracherechts für das Unternehmen. In der Regel legen Factor und Unternehmen vorab fest, wie bei einer notwendigen Beitreibung offener Forderungen vorzugehen ist.
2. Wie funktioniert Factoring?
Die Factoring-Gesellschaft prüft zunächst gemeinsam mit dem potenziellen Kunden, ob diese Finanzierungsmethode als Baustein der gesamten Finanzierung dazu beiträgt, die Liquidität zu verbessern. Danach wird ein Factoring-Vertrag abgeschlossen, worüber die Debitoren gemeinsam informiert werden. Für diese werden dann sukzessive so genannte Kreditlimits in Höhe der zu erwartenden Außenstände vergeben, die Forderungen bis zu diesem Betrag angekauft. Im Unterschied zu einem Bankkredit sind für die Einräumung eines Factoring-Rahmens in der Regel keine banküblichen Sicherheiten erforderlich.
Die Factoring-Gesellschaft erhält die Ausgangsrechnungen (im Original, per Kopie oder per E-Mail) und führt hierauf aufbauend eine Debitorenbuchhaltung. Mit Bezahlung des Debitors an die Factoring-Gesellschaft erfolgt die Auszahlung des aus Sicherheitsgründen einbehaltenen Restbetrages (in der Regel zehn Prozent der Rechnungssumme). Kann der Debitor nicht bezahlen, macht der Factor einen Versicherungsfall geltend.
Die Factoring-Kosten sind abhängig vom jeweiligen Finanzierungsvolumen, von der Factoringart und von der Bonität der Schuldner. Die Kosten bestehen zum einen aus der Factoring-Gebühr für die Risikoübernahme, zum anderen aus der Übernahme des Debitorenmanagements durch den Factor. Die Höhe der Gebühr liegt in Abhängigkeit von Branche, Umsatz und Debitorenbestand in der Regel zwischen einem bis drei Prozent des Forderungsbestands (Rechnungsbetrag). Für den in Anspruch genommenen Betrag sind zusätzlich an den Factor bankübliche Kontokorrentzinsen für die Vorausfinanzierung der Forderungen zu bezahlen. Diesem Aufwand stehen aber Ersparnisse gegenüber, insbesondere durch den Wegfall von Forderungsausfällen und die Verbesserung der Liquidität.
Tipp: Bei der Auswahl der Angebote lohnt sich nicht nur der Blick auf die Kosten. Entscheidend ist auch der Service. Hierzu gehört, wie schnell der einzelne Anbieter die von ihm gewährten Limits mitteilt, denn nicht immer werden alle angebotenen Rechnungen auch angekauft. Wichtig ist darüber hinaus, ob der Datentransfer den Bedürfnissen des Unternehmens entspricht, wie schnell die Factoring-Gesellschaft nach Einreichung der Rechnung zahlt und welche Dienstleistungsfunktionen sie beim Forderungsmanagement übernimmt.
3. Welche Factoring-Varianten gibt es?
Factoring-Gesellschaften bieten zumeist mehrere Factoring-Varianten an. Dadurch kann das Factoring an die individuellen Bedürfnisse angepasst werden. Neben dem fortlaufenden Ankauf aller Forderungen gibt es bspw. auch das selektive Factoring, bei dem nur Forderungen ausgewählter Kunden an den Factor weitergereicht werden. Darüber hinaus gibt es das Einzel-Factoring als fallweisen Verkauf einzelner Forderungen. Die wichtigsten Varianten sind:
Full-Service-Factoring
Dies ist das Standardverfahren, bei dem die Vorteile des Factoring voll zur Geltung kommen. Die Factoring-Gesellschaft übernimmt dabei neben der umsatzkongruenten Finanzierung und der vollständigen Risikoabsicherung die laufende Bonitätsbeurteilung der Kunden sowie das komplette Debitorenmanagement und Mahnwesen, ggf. incl. Inkasso.
Inhouse-Factoring
Hier führt das Unternehmen wie gewohnt die Debitorenbuchhaltung und das Mahnwesen selbst durch, nutzt aber die Finanzierung und Risikoabsicherung durch den Factor. Dieses Verfahren kommt für solche Factoring-Kunden in Betracht, die über ein zuverlässiges Debitorenmanagement verfügen.
Fälligkeits-Factoring
Bei dieser Variante nutzt der Factoring-Kunde die Vorteile der vollständigen Risikoabsicherung und der Entlastung beim Debitorenmanagement, verzichtet vorübergehend aber auf eine sofortige Regulierung des Kaufpreises, also den Finanzierungseffekt des Factorings. Fälligkeits-Factoring erleichtert die Finanzplanung des Kunden, da mit dem Factoring bestimmte Zahlungstermine vereinbart werden können, unabhängig von Zahlungen der Debitoren.
4. Für wen und wann ist Factoring geeignet?
Factoring eignet sich für die meisten Handels-, Industrie- und Dienstleistungsbetriebe bzw. -branchen, soweit Forderungen an gewerbliche Abnehmer bestehen. Weniger geeignet sind das Baugewerbe, die Gastronomie, die Immobilienwirtschaft, der Einzelhandel sowie Unternehmen, die ihre Leistungen in mehreren Abschnitten erbringen und dafür Abschlagszahlungen erhalten. Besonders geeignet ist Factoring wenn
- es sich bei den Abnehmern um gewerbliche Kunden handelt;
- der Debitorenbestand breit gestreut ist;
- die Zahlungsfristen maximal 90 Tage betragen;
- die der Forderung gegenüberstehende Leistung vollständig erbracht worden ist;
- keine Gegenforderungen existieren;
- keine Forderungsabtretung (Zession) oder andere Rechte Dritter bestehen.
Aus Rentabilitätsgründen sollten Factoring-Kunden einen Jahresumsatz von in der Regel mehr als eine Million Euro aufweisen. Bei kleinen Rechnungsbeträgen (unter 250 Euro bis 500 Euro) ist Factoring auf Grund der anfallenden Provisionsgebühren kaum sinnvoll. Unternehmen, die die Dienste einer Factoring-Gesellschaft in Anspruch nehmen wollen, sollten darauf achten, dass ihr Debitorenbestand möglichst breit gestreut und stabil ist. Je höher der Anteil gewerblicher Kunden mit guter Bonität ist, desto besser sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Factoring-Gesellschaft.
5. Vorteile des Factoring
- Wesentlicher Vorteil ist die Bereitstellung bzw. Erhöhung der Liquidität durch den Verkauf der Außenstände und der sofortigen Bezahlung durch die Factoring-Gesellschaft. Dies erweitert den finanziellen Spielraum eines Unternehmens. Der Forderungsbestand sinkt, gleichzeitig steigt die finanzielle Flexibilität.
- Factoring ist ein zuverlässiger Schutz vor Forderungsausfällen, denn mit dem Kauf der Forderung übernimmt die Factoring-Gesellschaft auch das Ausfallrisiko. Ein Wertberichtigungsbedarf von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen tritt nach Eingehung eines Factoring-Engagements innerhalb des Ankauflimits nicht mehr auf.
- Die Übernahme der Debitorenbuchhaltung und des Mahnwesens durch die Factoring-Gesellschaft ermöglicht die Einsparung von Personal- und Sachkosten.
- Die aus dem Forderungsverkauf resultierende Liquidität kann zum Abbau von Verbindlichkeiten genutzt werden. Dies führt zu einer geringeren Bilanzsumme. Es ergibt sich eine höhere Eigenkapitalquote bzw. eine günstigere Bilanzstruktur. Dies trägt dazu bei, das Rating bei der Hausbank zu verbessern. Des Weiteren können Sicherheiten für die Inanspruchnahme von bisherigen Kontokorrentkrediten freigesetzt werden.
6. Nachteile und Risiken des Factoring
- Bedacht muss werden, dass die Factoring-Gesellschaft das Inkasso- und Mahnwesen übernimmt. Dies erfolgt in der Regel in einem Standardverfahren ohne kundenspezifische Steuerung. Persönliche Beziehungen des Unternehmers zu wichtigen Kunden - die oft Grundlage für eine langfristige und vertrauensvolle Zusammenarbeit sind - können dadurch unter Umständen beeinträchtigt werden.
- Die Zahlung der Forderung an eine Factoring-Gesellschaft kann mit einem gewissen Negativsignal verbunden sein. Die Befürchtung, dass ein Unternehmen, das seine Forderungen verkauft, in finanziellen Schwierigkeiten steckt, ist aber zumeist unbegründet, da nur gesunde Unternehmen Factoring überhaupt nutzen können.
- Bei einer betrieblichen Schieflage kann auch Factoring nicht mehr helfen; es ist kein Sanierungsprodukt. Factoring-Gesellschaften prüfen vor Vertragsschluss intensiv die wirtschaftliche Situation des Unternehmens. Ein Ankauf von Forderungen ist nur innerhalb des mit der Factoring-Gesellschaft vereinbarten Limits möglich.
7. Welche Unterlagen benötigt die Factoring-Gesellschaft?
Voranfrage mittels Analyse-Bogen
Bonitätsunterlagen
- Jahresabschluss der letzten beiden Geschäftsjahre
- Aktuelle betriebswirtschaftliche Auswertung
- Organigramm, ggf. Handelsregisterauszug und Gesellschaftsvertrag
- Planzahlen und ggf. Angaben zum Auftragsbestand
Unterlagen zu den Debitoren/Kreditoren
- Offene Postenliste Debitoren/Kreditoren, Summen- und Saldenliste
- Rechnungsformular mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und zugrunde liegende Lieferbedingungen.
8. Wo gibt es weitere Informationen zum Factoring?
Informationen zum Factoring und zu Factoring-Gesellschaften gibt es u. a. beim Deutschen Factoring-Verband e. V. und beim BFM Bundesverband Factoring für den Mittelstand e. V. Neben den Mitgliedern dieser Verbände gibt es noch weitere Factoring-Gesellschaften und Spezialbanken mit Factoring-Angebot.