08.09.2020

Nachteilsausgleich bei Zwischen-, Abschluss- und Umschulungsprüfungen

Das Berufsbildungsgesetz sieht nach § 65 eine Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse behinderter Menschen in der Ausbildung und bei Prüfungen vor.
Ziel der Vorschriften ist, im Sinne von Teilhabe und Inklusion, die Einbeziehung behinderter Menschen in das bisherige System der Berufsbildung zu fördern und dem verfassungsrechtlichen Teilhabegebot Genüge zu tun.

1. Wer kann einen Antrag auf Nachteilsausgleich bei der Prüfung stellen?

Nachteilsausgleichsberechtigt sind behinderte Prüflinge, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate, von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, beeinträchtigt ist. Ein Nachteilsausgleich aufgrund einer vorübergehenden Erkrankung ist nicht möglich.

2. Wie kann der Nachteilsausgleich in Prüfungen aussehen?

Nach den Empfehlungen des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung können die Belange Behinderter durch besondere Organisation und Gestaltung der Prüfung, sowie Zulassung spezieller Hilfen, berücksichtigt werden.  
  • Eine besondere Organisation der Prüfung kann dadurch erfolgen, dass die Prüfung ganz oder teilweise am eigenen Ausbildungsplatz stattfindet.
  • Eine besondere Gestaltung der Prüfung kann durch Zeitverlängerung, angemessene Pausen, Änderung der Prüfungsformen oder zusätzliche Erläuterung der Prüfungsaufgaben erfolgen.
  • Unter Zulassung spezieller Hilfen wird beispielsweise die Verwendung größerer Schriftbilder, die Anwesenheit einer Vertrauensperson, die Zulassung besonders konstruierter Apparaturen oder die Einschaltung eines Gebärdensprachdolmetschers verstanden.
  • Ein Verzicht auf Pausenzeiten zwischen Prüfungsarbeiten ist nicht möglich.

3. Wie und wann ist der Antrag auf Nachteilsausgleich zu stellen?

Der Antrag auf Nachteilsausgleich bei Prüfungen ist mit dem Antrag auf Zulassung (Anmeldung) zur betroffenen Prüfung durch Ankreuzen auf der Prüfungsanmeldung zu stellen.

4. Welche Unterlagen müssen zusammen mit dem Antrag eingereicht werden?

Die Industrie- und Handelskammer Heilbronn-Franken muss als zuständige Stelle feststellen, ob und wie ein Nachteilsausgleich durchzuführen ist.
  • Erforderlich ist dazu grundsätzlich eine konkrete fachärztliche/psychologische Bescheinigung, aus der sich Art und Schwere der Behinderung ergeben. Hausärztliche Atteste genügen als Nachweis grundsätzlich nicht. Ausnahmsweise werden die Stellungnahmen anderer fachkundiger Stellen (z.B. sonderpädagogische Institute) berücksichtigt. Die Bescheinigung soll in allgemein verständlicher Form abgefasst sein und neben der Beschreibung der Behinderung aufzeigen, wie der Nachteilsausgleich erfolgen soll. Zum Beispiel bei einer erforderlichen Zeitverlängerung, die Angabe wie viel „%“ mehr Zeit in Bezug auf die entsprechende Prüfung benötigt wird.
  • Daneben ist die Stellungnahme von (Ausbildungs-) Betrieb, Berufsschule oder Bildungsträger beizufügen. Die Stellungnahme soll eine Begründung für geeignete Nachteilsausgleichsmaßnahmen enthalten, wobei die während der Ausbildung oder beruflichen Tätigkeit gesammelten Erfahrungen einfließen sollen. Die Nachteilsausgleichmaßnahmen sind entsprechend der jeweiligen Prüfungsanforderung zu beschreiben und möglichst je Prüfungsfach zu quantifizieren.
  • Wenn vorhanden, ist eine Kopie des Schwerbehindertenausweises beizufügen.

5. Wie wird der Antrag auf Nachteilsausgleich bei der IHK bearbeitet?

Bei der Beurteilung des erforderlichen Nachteilsausgleichs werden durch die IHK alle Umstände des Einzelfalles gewürdigt. Es werden nur Maßnahmen zugelassen, die behinderungsbedingte Benachteiligungen ausgleichen, nicht jedoch solche, die die Prüfung qualitativ verändern. Gegebenenfalls berücksichtigt die IHK die fachliche Stellungnahme des Prüfungsausschusses.