Nachhaltigkeit im Unternehmen

Fragen und Antworten zum Lieferkettengesetz

Direkt wie indirekt in den Anwendungsbereich des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) fallende Unternehmen sehen sich nach wie vor mit einer Vielzahl von Fragestellungen zum Gesetz und dessen einzelnen Normen konfrontiert. In nachfolgendem FAQ möchten wir Ihrem Unternehmen daher hierzu eine Orientierung bieten und Antworten bereitstellen.

Grundsätzliches zum Lieferkettengesetz

In welchem Zusammenhang stehen der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz?

Im Dezember 2016 hat die Bundesregierung den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) beschlossen, um gemeinsam mit Unternehmen einen Beitrag dazu zu leisten, die weltweite Menschenrechtslage zu verbessern und die Globalisierung mit Blick auf die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sozial zu gestalten. Der NAP basiert auf den Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen. Neben staatlichem Schutz und gerichtlicher sowie außergerichtlicher Abhilfe steht dabei die Unternehmensverantwortung im Zentrum. Die Bundesregierung hat im Aktionsplan ihre Erwartung an alle in Deutschland ansässigen Unternehmen formuliert, dass sie die Kernelemente menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht in einer ihrer Größe, Branche und Position in der Liefer- und Wertschöpfungskette angemessenen Weise einhalten und Menschenrechte entlang ihrer Liefer- und Wertschöpfungsketten achten.
Eine repräsentative Unternehmensbefragung der Bundesregierung im Jahr 2020, das NAP-Monitoring, hat aber gezeigt: Weniger als ein Fünftel der in Deutschland ansässigen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten kamen ihren Sorgfaltspflichten entlang ihrer Lieferketten ausreichend nach. Freiwillige Selbstverpflichtung reicht also nicht aus. Im Koalitionsvertrag hat die damals amtierende Bundesregierung für diesen Fall vereinbart, national gesetzlich tätig zu werden und sich gleichzeitig auf europäischer Ebene für verbindliche Regeln einzusetzen. Am 22. Juli 2021 wurde das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) im Bundesgesetzblatt verkündet.

Was regelt das Gesetz?

Das Gesetz verpflichtet die unter den Anwendungsbereich fallenden Unternehmen, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Die Pflichten, die ein Unternehmen zu erfüllen hat, sind nach seinen Einflussmöglichkeiten abgestuft, konkret bezogen auf
  • einen eigenen Geschäftsbereich,
  • das Handeln eines Vertragspartners und
  • das Handeln weiterer (mittelbarer) Zulieferer.

Ab wann und für wen gilt das Gesetz?

Das Gesetz gilt ab 2023 für Unternehmen mit Hauptverwaltung, Hauptniederlassung, Verwaltungssitz, satzungsmäßigem Sitz oder Zweigniederlassung sowie 3.000 Arbeitnehmer*innen im Inland, ab 2024 dann auch für Unternehmen ab 1.000 Arbeitnehmer*innen im Inland.
Dennoch ist das Gesetz ebenso für Unternehmen von Bedeutung, die nicht in den direkten Anwendungsbereich fallen. Denn diese können mittelbar betroffen sein, etwa als Zulieferer eines in der gesetzlichen Verantwortung stehenden Unternehmens. Unternehmen außerhalb des Anwendungsbereiches sind jedoch nicht Adressaten von Bußgeldern oder gesetzlichen Verpflichtungen.

Der Begriff der Lieferkette

Was genau bedeutet „Lieferkette“?

Die Lieferkette im Sinne des Gesetzes bezieht sich auf alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens. Sie umfasst alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind, angefangen bei der Gewinnung der Rohstoffe bis hin zu der Lieferung an den Endkunden, und erfasst
  • das Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich,
  • das Handeln eines unmittelbaren Zulieferers und
  • das Handeln eines mittelbaren Zulieferers
Dazu gehört auch die Inanspruchnahme von notwendigen Dienstleistungen, wie zum Beispiel der Transport oder die Zwischenlagerung von Waren.

Gilt das Gesetz entlang der gesamten Lieferkette?

Ja, neben dem eigenen Geschäftsbereich müssen auch Geschäftsbeziehungen und Produktionsweisen der unmittelbaren Zulieferer in den Blick genommen werden. Liegen einem Unternehmen tatsächliche Anhaltspunkte vor, die eine Verletzung einer menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflicht bei mittelbaren Zulieferern möglich erscheinen lassen, so hat es anlassbezogen auch dort tätig zu werden.
Dabei gilt das Prinzip der Angemessenheit: Von Unternehmen wird nur verlangt, was ihnen angesichts ihres individuellen Kontextes − etwa ihrer Größe, der Art ihrer Geschäftstätigkeit oder ihrer Nähe zum Zulieferer − möglich ist. Es wird von Unternehmen nicht verlangt, alle identifizierten menschenrechtlichen Herausforderungen gleichzeitig anzugehen, sondern dass sie sich zunächst auf die wesentlichen Risiken konzentrieren. Sollte es trotz aller (angemessenen) Bemühungen doch zu einer Menschenrechtsverletzung in der Lieferkette kommen, kann das Unternehmen nicht belangt werden.

Die Lieferkette erfasst alle Handlungen, die „erforderlich“ zur Herstellung von Produkten und zur Erbringung von Dienstleistungen sind. Wie ist der Begriff „erforderlich“ in diesem Zusammenhang zu verstehen?

Der Begriff „erforderlich“ ist weit aufzufassen. Erfasst wird zum Beispiel auch der Bürobedarf eines Industrieunternehmens. Diese weite Definition ist zu unterscheiden von der Frage, welche Lieferketten und Risiken ein Unternehmen im Rahmen seines Risikomanagements zuerst angehen muss. Hier geht es darum, Risiken zu bewerten, zu priorisieren und ihnen angemessen zu begegnen. Ein wesentlicher Aspekt bei der Priorisierung ist dabei auch die Einflussmöglichkeit eines Unternehmens (vgl. § 3 Abs. 2 LkSG). Nicht prioritäre Risiken können zurückgestellt werden.

Fallen unter den Begriff des Zulieferers auch Subunternehmer, die im Rahmen einer „Dienstleistungskette“ Dienstleistungen (z. B. Reinigungsleistungen) für das in den Anwendungsbereich des LkSG fallende Unternehmen erbringen? Sind alle Beschaffungskategorien – wie die Gebäudereinigung, der Kantinenbetrieb und das Büromaterial – Teil der Lieferkette?

Ja, der Begriff „Lieferkette“ ist weit definiert. Risiken bei den für Hilfsschritte (z. B. Gebäudereinigung oder Kantinenbetrieb) zuständigen Zulieferern können aber häufig ganz vernachlässigt oder mit geringen Bemühungen bearbeitet werden, entweder weil ein Verursachungsbeitrag (vgl. § 4 Abs. 2 LkSG) fehlt, oder weil der Verursachungsbeitrag gering ist (vgl. § 5 Abs. 2 LkSG).

Der Anwendungsbereich des Gesetzes

Das Gesetz verpflichtet Unternehmen mit mindestens 3.000 (ab 2023) bzw. 1.000 Arbeitnehmer*innen (ab 2024). Wie genau ermittelt man, ob ein Unternehmen diese Arbeitnehmerschwellen erreicht? Gilt hier das Pro-Kopf-Prinzip?

Ja, die allgemeine Arbeitnehmerdefinition des § 611a BGB ist anzuwenden. Diese unterscheidet nicht zwischen teilzeitbeschäftigten und vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer*innen.

Welche Arten von Arbeitnehmer*innen sind hier mitzuzählen?

Auch hier sind die allgemeine Arbeitnehmerdefinition des § 611a BGB sowie die Rechtsprechung anzuwenden. Zudem ist zu berücksichtigen, ob der bzw. die jeweilige Arbeitnehmer*in kennzeichnend für die maßgebliche Größe des Unternehmens ist. Das ist gegeben, wenn die Beschäftigungsdauer mindestens sechs Monate beträgt.
Demnach werden neben regulären Vollzeit- und Teilzeitarbeitnehmer*innen voll (pro Kopf) berücksichtigt:
  • ins Ausland entsandte Arbeitnehmer*innen,
  • Leiharbeitnehmer*innen, wenn die Einsatzdauer beim Entleihunternehmen sechs Monate übersteigt (vgl. Regierungsbegründung, S.14),
  • leitende Angestellte,
  • folgende besondere Gruppen von Arbeitnehmer*innen:
    • Arbeitnehmer*innen in Probezeit,
    • Heimarbeiter*innen,
    • unselbstständige Handelsvertreter*innen,
    • Arbeitnehmer*innen in Kurzarbeit oder
    • wegen Mutterschaftsurlaub Abwesende.  
Nicht zu berücksichtigen sind:
  • Leiharbeitnehmer*innen, wenn die Einsatzdauer beim Entleihunternehmen sechs Monate nicht übersteigt,
  • Freie Mitarbeiter*innen und Selbstständige,
  • Organmitglieder juristischer Personen,
  • in aller Regel Gesellschafter*innen juristischer Personen (Ausnahme: die Person ist als nicht geschäftsführende*r Gesellschafter*in zugleich Arbeitnehmer*in in dem Unternehmen),
  • Personen, bei denen die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis im Geschäftsjahr mehr als sechs Monate ruhen (z. B. ausgeschiedene Vorruheständler*innen, Personen in der passiven Phase der Altersteilzeit, Arbeitnehmer*innen in Elternzeit),
  • Beamt*innen sowie Soldat*innen (hier liegt ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis vor),
  • Auszubildende, Umschüler*innen gemäß Berufsbildungsgesetz, Praktikant*innen und Volontär*innen.

Was bedeutet im Zusammenhang mit der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl eines Unternehmens „in der Regel … beschäftigt“?

Es zählen gem. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LkSG nur die „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmer*innen. Die Berechnung der „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmer*innen hat gemäß Regierungsbegründung, S. 13 mittels einer rückblickenden Betrachtung sowie einer Prognose hinsichtlich der zukünftigen Personalentwicklung zu erfolgen. Die Voraussetzungen entsprechen denen, die vom Bundesarbeitsgericht im Rahmen der Mitbestimmung entwickelt wurden.

Fallen juristische Personen des öffentlichen Rechts (JPöR) in den Anwendungsbereich?

Juristische Personen des öffentlichen Rechts (JPöR), d.h. Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, fallen nur unter das Gesetz, soweit sie unternehmerisch am Markt tätig sind. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des LkSG auf juristische Personen des öffentlichen Rechts ist dabei, dass der unternehmerisch tätige Teil der juristischen Person die Voraussetzungen des § 1 LkSG (eigenständig) erfüllt. Das heißt umgekehrt, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts, die überhaupt nicht unternehmerisch am Markt tätig sind, oder deren unternehmerische Tätigkeit nicht die Schwellenwerte des § 1 LkSG erreicht, keine Verpflichtungen aus dem LkSG treffen.
Eine unternehmerische Tätigkeit am Markt liegt vor, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts Dritten (natürlichen Personen, Unternehmen, anderen JPöR) gegenüber eine Dienstleistung oder ein Produkt (auch unentgeltlich) anbietet und dabei das Anbieten der Dienstleistung oder des Produktes in Konkurrenz zu anderen Marktteilnehmenden (anderen Unternehmen und/oder anderen JPöR) geschieht. Eine solche Konkurrenzsituation liegt immer dann vor, wenn die Dienstleistung bzw. das Produkt auch von anderen Marktteilnehmenden angeboten werden kann.

Erfasst das Gesetz auch den Einkauf von Leistungen durch juristische Personen des öffentlichen Rechts?

Der Einkauf von Leistungen ist nur insoweit Bestandteil der unternehmerischen Tätigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts i. S. d. LkSG, als er zum Zwecke der o.g. Marktbetätigung erfolgt.

Wie ist es zu verstehen, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts (JPöR) nur in den Anwendungsbereich fallen, „soweit“ sie unternehmerisch am Markt tätig sind?

Entsprechend ihrer eingeschränkten Erfassung durch das LkSG werden nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gezählt, die organisatorisch dem unternehmerisch tätigen Teil der juristischen Person des öffentlichen Rechts zuzuordnen sind. Anhand dieser Zählweise ist zu bestimmen, ob die Schwelle der 3000 (ab 2023) bzw. 1000 (ab 2024) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des § 1 LkSG erreicht ist. Beamte und Beamtinnen werden dabei nicht mitgezählt. Zugleich obliegen die Pflichten des LkSG der JPöR nur in dem unternehmerisch tätigen Bereich.

Fallen juristische Personen des Privatrechts in öffentlicher Hand in den Anwendungsbereich?

Für juristische Personen des Privatrechts in öffentlicher Hand gelten keine Besonderheiten. Sie fallen unter den Anwendungsbereich, wenn die Voraussetzungen des § 1 LkSG erfüllt sind.

Können Gebietskörperschaften (Bund/Länder/Landkreise/Kommunen) Obergesellschaften i.S.d. LkSG für unternehmerisch tätige juristische Personen sein, an denen sie beteiligt sind?

Nein, die Gebietskörperschaften fungieren nicht als Obergesellschaften.

Verbundene Unternehmen

Wann ist ein Unternehmen „konzernangehörig“ im Sinne des § 1 Abs. 3 LkSG?

„Konzernangehörig“ ist ein untechnischer Sammelbegriff und beschränkt sich nicht auf Unternehmen gem. § 18 AktG. Es sind alle Formen verbundener Unternehmen im Sinne des § 15 AktG erfasst.

Muss die Mutter der Arbeitnehmer*innen der Töchter der Töchter usw. mitzählen?

Ja, wenn es sich bei Müttern, Töchtern und Enkelinnen um verbundene Unternehmen handelt (vgl. § 15 AktG).

Müssen deutsche Töchter auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der jeweiligen Muttergesellschaft bzw. auch sämtlicher Schwestergesellschaften (also letztlich alle Konzernbeschäftigten) mitzählen oder zählen die Töchter nur ihre eigenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre Töchter mit?

Es wird immer von „unten nach oben“ gezählt, das heißt die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aller Konzerntöchter zählen bei der Konzernobergesellschaft mit. Andersherum werden aber nicht die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Konzernobergesellschaft und auch nicht die der Schwestergesellschaften dem Tochterunternehmen zugerechnet.

Werden, falls eine Zurechnung nur „nach oben“ stattfindet, die Beschäftigten auf jeder Stufe zugerechnet oder nur zur obersten Konzernmutter?

Die Arbeitnehmer*innen werden nur zur obersten Konzernmutter (in Deutschland) zugerechnet.

Gehören zum eigenen Geschäftsbereich der Obergesellschaft auch Tochterunternehmen?

Zum eigenen Geschäftsbereich gehören neben der Gesellschaft selbst auch mit ihr verbundene Unternehmen im In- und Ausland. Voraussetzung ist, dass die Obergesellschaft auf die konzernangehörige Gesellschaft einen bestimmenden Einfluss ausübt. Dabei muss eine Einflussnahme nach dem jeweils anwendbaren Recht möglich sein. Ob ein bestimmender Einfluss gegeben ist, ergibt sich aus der Gesamtschau der wirtschaftlichen, personellen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen zwischen Tochter- und Muttergesellschaft. Anhaltspunkte sind etwa eine hohe Mehrheitsbeteiligung an der Tochtergesellschaft, ein konzernweites Compliance-System, Verantwortung für die Steuerung von Kernprozessen im Tochterunternehmen, ähnliche Geschäftsbereiche oder auch personelle Überschneidungen.

Wie sind inländische Arbeitnehmer*innen ausländischer Konzernteile bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl zu berücksichtigen?   

Der Konsolidierungskreis des § 1 Abs. 3 LkSG umfasst nur die im Inland ansässigen Konzernteile, dabei sind alle möglichen Konstellationen im § 15 AktG erfasst. Die Beschäftigten einer ausländischen Muttergesellschaft bzw. von ausländischen Tochtergesellschaften einer inländischen Obergesellschaft werden nicht berücksichtigt.

Muss in einem Konzern jedes erfasste Unternehmen eigene Pflichten nach dem LkSG erfüllen, oder können diese Pflichten auch zentral von der Obergesellschaft erfüllt werden?

Hier sind verschiedene Fallkonstellationen zu unterscheiden:
a) Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen fallen beide unter das LkSG, es besteht aber kein bestimmender Einfluss (vgl. § 2 Abs. 6 LkSG) der Obergesellschaft auf die Tochter.
Beide Unternehmen müssen die Sorgfaltspflichten für ihren eigenen Geschäftsbereich und entlang ihrer Lieferketten erfüllen. Dabei ist grundsätzlich von einer getrennten Durchführung auszugehen – zum Beispiel haben beide einen eigenen Bericht gemäß § 10 Abs. 2 LkSG zu veröffentlichen. Unabhängig davon können sich die Unternehmen abstimmen, wenn sie Maßnahmen ergreifen. Beispielsweise kann ein Tochterunternehmen von der Obergesellschaft initiierte geeignete Maßnahmen (z. B. bei Grundsatzerklärung/Schulungen etc.) übernehmen und sich − eigenverantwortlich − zu eigen machen. Dies kann in der Berichtspflicht entsprechend dargestellt werden.
Ist das Tochterunternehmen gleichzeitig unmittelbarer Zulieferer (vgl. § 2 Abs. 7 LkSG) der Obergesellschaft, dann hat die Obergesellschaft entsprechende auf unmittelbare Zulieferer bezogene Sorgfaltspflichten auch im Hinblick auf die Tochter durchzuführen.
b) Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen fallen beide unter das LkSG und es besteht ein bestimmender Einfluss (§ 2 Abs. 6 LkSG) der Obergesellschaft auf die Tochter.
Die Konzernobergesellschaft muss die Sorgfaltspflichten für ihren eigenen Geschäftsbereich und entlang ihrer Lieferketten erfüllen. Dies schließt auch den Geschäftsbereich und die Lieferketten des Tochterunternehmens mit ein (vgl. § 2 Abs. 6 LkSG). Die Verantwortung erfasst dabei die wirtschaftlichen Aktivitäten der Tochtergesellschaft, um Produkte herzustellen oder zu verwerten oder um Dienstleistungen zu erbringen. Dabei ist unerheblich, ob ein Tochterunternehmen seine Produkte oder Dienstleistungen der Obergesellschaft zuliefert, oder ob es sie an Dritte vertreibt.
Das Risikomanagement des Tochterunternehmens kann – abhängig von der jeweiligen individuellen Risikodisposition – im eigenen Unternehmen oder im Tochterunternehmen verankert werden.
Das Tochterunternehmen ist ebenfalls selbst dafür verantwortlich, dass die Sorgfaltspflichten im eigenen Geschäftsbereich und entlang seiner Lieferketten erfüllt werden.
Bei diesen Konstellationen kann es angemessen sein, dass sich der Pflichteninhalt der Obergesellschaft auf bloße Überwachungspflichten bzgl. des Tochterunternehmens reduziert bzw. dass die Tochter auf die Erfüllung der Pflichten durch die Mutter verweist. Dies ist abhängig von der Konzernstruktur und der individuellen Risikodisposition der Obergesellschaft bzw. der Tochterunternehmen.
Im Rahmen der Berichtspflicht haben Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen die Fragen des Berichtsfragebogens jeweils vollständig zu beantworten. Verweisungen auf oder Übernahmen aus dem jeweils anderen Bericht sind grundsätzlich zulässig, soweit die Einhaltung der Sorgfaltspflichten in beiden Unternehmen plausibel dargestellt ist und alle Berichte eigenständig nachvollziehbar und verständlich sind.
c) Nur die Konzernobergesellschaft, nicht aber die Tochter fällt in den Anwendungsbereich des LkSG.
Die Obergesellschaft muss die Sorgfaltspflichten für ihren eigenen Geschäftsbereich und entlang ihrer Lieferketten erfüllen. Dies schließt auch den Geschäftsbereich und die Lieferketten eines Tochterunternehmens mit ein, wenn die Obergesellschaft einen bestimmenden Einfluss ausübt (vgl. § 2 Abs. 6 LkSG).
Die Obergesellschaft muss – bei nichtbestimmendem Einfluss – die Tätigkeiten der Tochter im Risikomanagement entsprechend den Vorgaben des LkSG nur dann prüfen, wenn das Tochterunternehmen (unmittelbarer) Zulieferer der Obergesellschaft ist.
Das Tochterunternehmen selbst ist in diesem Fall nicht gesetzlich verpflichtet, eigenverantwortlich Sorgfaltspflichtmaßnahmen umzusetzen bzw. darüber zu berichten. Allerdings erwartet die Bundesregierung bei Unternehmen, die nicht unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, dass sie ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen, wie sie im Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte verankert wurde.
d) Nur das Tochterunternehmen, nicht aber die Obergesellschaft fällt in Anwendungsbereich (z. B. Tochterunternehmen einer US-amerikanischen Konzernmutter)
Das Tochterunternehmen muss die Sorgfaltspflichten für den eigenen Geschäftsbereich und entlang seiner Lieferketten erfüllen, nicht aber für den Gesamtkonzern. Die Tätigkeit der Obergesellschaft kann für das Tochterunternehmen außer Betracht bleiben.

Wie sollen die Kriterien des „bestimmenden Einflusses“ im Sinne des § 2 Abs. 6 S. 3 LkSG in der Praxis für Unternehmen ausgelegt werden? In welcher Ausprägung müssen diese vorliegen?

Eine verbundene Gesellschaft wird zum eigenen Geschäftsbereich der Obergesellschaft gezählt, wenn die Obergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf die verbundene Gesellschaft ausübt. Das Vorliegen eines bestimmenden Einflusses setzt zunächst voraus, dass eine Einflussnahme nach dem jeweils anwendbaren Recht möglich ist. Dabei sind für die Beurteilung, ob ein bestimmender Einfluss vorliegt, alle erheblichen Gesichtspunkte in einer Gesamtschau zu würdigen. Hierfür sind alle wirtschaftlichen, personellen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen zwischen Tochter- und Muttergesellschaft im Zusammenhang zu betrachten und zu gewichten. Dies kann sich von Fall zu Fall unterschiedlich darstellen.
Anhaltspunkte (nicht abschließend) für eine bestimmende Einflussnahme sind:
  • eine hohe Mehrheitsbeteiligung an der Tochtergesellschaft,
  • das Bestehen eines konzernweiten Compliance-Systems,
  • die Übernahme von Verantwortung für die Steuerung von Kernprozessen im Tochterunternehmen,
  • eine entsprechende Rechtskonstellation, in der die Möglichkeit der Einflussnahme angelegt ist,
  • personelle Überschneidungen in der (Geschäfts-)Führungsebene,
  • ein bestimmender Einfluss auf das Lieferkettenmanagement der Tochtergesellschaft,
  • die Einflussnahme über die Gesellschafterversammlung und
  • dass der Geschäftsbereich der Tochtergesellschaft dem Geschäftsbereich der Obergesellschaft entspricht, etwa weil die Tochtergesellschaft die gleichen Produkte herstellt und verwertet oder die gleichen Dienstleistungen erbringt wie die Obergesellschaft.
Diese Anhaltspunkte müssen bereits vorliegen. So würde es beispielsweise nicht genügen, wenn ein konzernweites Compliance-System erst geplant, aber noch nicht umgesetzt ist. Jedoch ist nicht erforderlich, dass der bestimmende Einfluss bereits mit Blick auf die Einhaltung der Sorgfaltspflicht gem. LkSG ausgeübt wurde.

Ist es für ein ausländisches Unternehmen, dessen deutsche Tochter unter das LkSG fällt, notwendig, auf Ebene des Tochterunternehmens ein Risikomanagement gemäß LkSG einzurichten, oder darf dieses auch auf globaler Ebene verwaltet werden?

Ein Tochterunternehmen eines ausländischen Konzerns, das vom Anwendungsbereich des LkSG betroffen ist, muss die aus dem Gesetz resultierenden Sorgfaltspflichten einhalten, ebenso wie es zum Beispiel deutsche Produkt- und Verbraucherstandards einhalten muss, um auf dem deutschen Markt Produkte oder Dienstleistungen anbieten zu dürfen. Dies bedeutet auch, dass das Tochterunternehmen im eigenen Geschäftsbereich ein Risikomanagement einrichtet und in seinen maßgeblichen Geschäftsabläufen verankert.
Für das LkSG ist maßgeblich, dass (Tochter-)Unternehmen die gesetzlichen Vorgaben umsetzen. Dies kann durch ein auf Konzernebene einheitlich vorgegebenes Risikomanagement oder durch ein von dem deutschen Tochterunternehmen eigens konzipiertes Risikomanagement geschehen.

Inwieweit fallen Konzerngesellschaften einer deutschen Konzernmutter im Ausland als Teil des „Geschäftsbereichs“ in den Anwendungsbereich des LkSG? Haben die Tochterunternehmen über die Einbeziehung per Geschäftsbereich der Konzernmutter den vollen Sorgfaltspflichtenkatalog auch dann zu erfüllen, wenn sie keine geschäftlichen Aktivitäten in Deutschland entfalten?

Hat die deutsche Konzernmutter einen bestimmenden Einfluss auf eine ausländische Tochtergesellschaft (vgl. § 2 Abs. 6 LkSG), dann hat sie bezogen auf die Tochtergesellschaft den kompletten Sorgfaltspflichtenkatalog zu erfüllen, unabhängig davon, ob die Tochter geschäftliche Aktivitäten in Deutschland entfaltet oder ob sie nach Deutschland exportiert.

Wie ist mit Enkelgesellschaften (= Töchter der Töchter) umzugehen? Wann wird der bestimmende Einfluss der Obergesellschaft auf die Enkelin angenommen: Wenn „nur“ die Tochter Einfluss auf diese hat? Oder muss der bestimmende Einfluss auch von der Obergesellschaft ausgehen?

Die Obergesellschaft hat einen bestimmenden Einfluss, wenn sie diesen selbst ausübt. Das kann auch über eine dazwischengeschaltete Tochtergesellschaft erfolgen.

Ist die Sorgfaltspflicht im Fall von ausländischen Gesellschaften mit deutscher Zweigniederlassung, die in den Anwendungsbereich des LkSG fallen, auf Sachverhalte in Deutschland beschränkt?

Nein, die Sorgfaltspflicht erstreckt sich, ebenso wie bei deutschen Unternehmen, auf alle weltweiten Lieferketten, die vom ausländischen Unternehmen initiiert oder gesteuert werden, egal in welcher Niederlassung.

Geschützte Menschenrechte und Umweltbelange im Detail

Um welche Menschenrechte geht es eigentlich?

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz benennt die internationalen Übereinkommen, in denen die Menschenrechte niedergeschrieben sind, und definiert lieferkettentypische Risiken, auf die bei der Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu achten ist. Dazu zählen unter anderem das Verbot von Kinderarbeit, der Schutz vor Sklaverei und Zwangsarbeit, die Freiheit von Diskriminierung, der Schutz vor widerrechtlichem Landentzug, der Arbeitsschutz und damit zusammenhängende Gesundheitsgefahren, das Verbot des Vorenthaltens eines angemessenen Lohns, das Recht, Gewerkschaften bzw. Arbeitnehmer*innenvertretungen zu bilden, das Verbot der Herbeiführung einer schädlichen Bodenveränderung oder Gewässerverunreinigung und der Schutz vor Folter.

Inwiefern werden Umweltbelange berücksichtigt?

Bestimmte umweltbezogene Risiken werden ebenso berücksichtigt: Zum einen, wenn sie zu Menschenrechtsverletzungen führen (z. B. vergiftetes Wasser), zum anderen, wenn es darum geht, Stoffe, die für Mensch und Umwelt gefährlich sind, zu verbieten. Das LkSG greift aus drei internationalen Übereinkommen bestimmte umweltbezogene Pflichten auf, die Unternehmen einzuhalten haben: das Übereinkommen von Minamata über Quecksilber, das Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe und das Basler Übereinkommen über die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung. Auch Verletzungen der umweltbezogenen Pflichten werden durch die Kontrollbehörde sanktioniert.

Entspricht der lokale gesetzliche Mindestlohn stets dem „angemessenen Lohn“ im Sinne des § 2 II Nr. 8 LkSG?

Nein, der lokale gesetzliche Mindestlohn genügt nur in der Regel und ist nicht in jedem Fall angemessen. Der „angemessene Lohn“ liegt aber auch nicht zwingend über dem gesetzlichen Mindestlohn.

Nach welcher Methode berechnet sich der „angemessene Lohn“?

Dem Gesetzeswortlaut zufolge sind die am Beschäftigungsort geltenden Maßstäbe anzulegen. Kann das Unternehmen keine am Beschäftigungsort anerkannte Berechnungsmethode feststellen, entscheidet es sich nach eigenem Dafürhalten für eine der etablierten Methoden (z. B. für die Anker-Methode). Die Auswahl der Berechnungsmethode und eine kurze Begründung sind zu dokumentieren.

Grundsätzliches zur Ausübung der Sorgfaltspflichten

Welche Pflichten verankert das Gesetz konkret?

Unternehmen müssen in ihrer Lieferkette die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten in angemessener Weise beachten. Zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten müssen die Unternehmen ein angemessenes Risikomanagement verankern. Dazu ist es notwendig, Verantwortlichkeiten innerhalb des Unternehmens festzulegen, um die Einhaltung der Sorgfaltspflichten zu überwachen, etwa durch die Benennung einer*eines Menschenrechtsbeauftragten.
Im ersten Schritt ist es wesentlich, sich um die Transparenz und Kenntnis der eigenen Lieferkette zu bemühen und eine Risikoanalyse durchzuführen. Das heißt, dass Unternehmen zunächst im eigenen Geschäftsbereich sowie bei den unmittelbaren Zulieferern die Bereiche identifizieren müssen, die besonders hohe menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken bergen. Mit Blick auf mittelbare Zulieferer ist die Risikoanalyse durchzuführen, wenn einem Unternehmen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen (substantiierte Kenntnis), die eine Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder einer umweltbezogenen Pflicht möglich erscheinen lassen. Tatsächliche Anhaltspunkte können neben eigenen Erkenntnissen etwa Berichte über die schlechte Menschenrechtslage in der Produktionsregion, die Zugehörigkeit eines Zulieferers zu einer Branche mit besonderen menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken oder Hinweise der zuständigen Behörde sein.
Werden Risiken identifiziert, gilt es, geeignete präventive Maßnahmen zu treffen. Dazu gehört zum Beispiel die Vereinbarung entsprechender vertraglicher Menschenrechtklauseln mit dem direkten Zulieferer und die Durchführung von Schulungen. Insbesondere müssen Unternehmen Beschaffungsstrategien und Einkaufspraktiken implementieren, die festgestellte menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken verhindern oder minimieren. Ebenso ist zu überprüfen, ob der Vertragspartner entlang seiner Lieferkette identifizierte Risiken angemessen adressiert. Ist das Risiko einer Menschenrechtsverletzung am eigenen Standort oder in der Lieferkette erkannt worden, müssen angemessene Maßnahmen zur Beendigung oder Minimierung getroffen werden. Dies gilt erst recht, wenn die Menschenrechtsverletzung bereits passiert ist.
Liegen dem Unternehmen tatsächliche Anhaltspunkte über eine mögliche Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder umweltbezogenen Pflicht bei einem mittebaren Zulieferer – also in der tieferen Lieferkette – vor, sind angemessene Präventionsmaßnahmen gegenüber dem*der Verursacher*in zu verankern. Dazu gehört etwa die Durchführung von Kontrollmaßnahmen, die Unterstützung bei der Vorbeugung und Vermeidung eines Risikos oder die Umsetzung von branchenspezifischen oder branchenübergreifenden Initiativen, denen das Unternehmen beigetreten ist. Steht eine Verletzung unmittelbar bevor oder ist bereits geschehen, ist ein Konzept zu erstellen und umzusetzen, um sie zu verhindern, zu beenden oder zu minimieren.
Zudem müssen Unternehmen entweder ein unternehmensinternes Beschwerdeverfahren einrichten oder sich an einem entsprechenden externen Beschwerdeverfahren beteiligen, das unmittelbar Betroffenen ebenso wie denjenigen, die Kenntnis von potentiellen oder tatsächlichen Verletzungen haben, ermöglicht, auf Risiken und Verletzungen hinzuweisen.
Über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten müssen die Unternehmen jährlich einen Bericht bei der zuständigen Behörde einreichen.
Weitere Informationen zu den im Gesetz verankerten Sorgfaltspflichten und Informationen darüber, wie Unternehmen diese bereits praktisch umsetzen, finden Sie hier.

Wie verhält sich das LkSG zur bestehenden zivilrechtlichen Haftung?

Eine Verletzung der Pflichten aus dem LkSG begründet keine zivilrechtliche Haftung. Eine unabhängig vom LkSG begründete zivilrechtliche Haftung bleibt unberührt (vgl. § 3 Abs. 3 LkSG).

Welcher Beurteilungsspielraum steht dem Unternehmen im Hinblick auf das Kriterium der „Angemessenheit“ eines Handelns, das den Sorgfaltspflichten genügt (vgl. § 3 Abs. 2 LkSG), zu?

Das Prinzip der „Angemessenheit“ stellt sicher, dass einem Unternehmen nichts Unzumutbares aufgebürdet wird, sondern dass es abhängig von seiner spezifischen Risikodisposition das tut, was vernünftigerweise von ihm erwartet werden kann, um identifizierten Risiken vorzubeugen oder diese zu beenden.
Das Angemessenheitsprinzip gibt einem Unternehmen einen großen Spielraum bei der Entscheidung, welche Risiken es zuerst angeht und welche Maßnahmen dabei sinnvoll sind.
Dieser Spielraum muss auch bei der behördlichen Kontrolle anerkannt und berücksichtigt werden. Die Behörde hat zu prüfen, ob ein Unternehmen zum Zeitpunkt der Entscheidung, also ex ante, angemessen gehandelt hat. Es hinterfragt die Unternehmensentscheidung nicht aus einer Ex-post-facto-Sicht.
Der Begriff der Angemessenheit muss ein unbestimmter Rechtsbegriff sein, damit er auf die Vielzahl der unterschiedlichen Unternehmenstypen und Risiken anwendbar ist.
Das Gesetz gibt aber klare Hinweise, welche Kriterien für die Angemessenheit maßgeblich sind: die Art und der Umfang der Geschäftstätigkeit, das Einflussvermögen des Unternehmens auf das Risiko, die Schwere der Verletzung und der Beitrag zur Verursachung des Risikos.
Beachtet ein Unternehmen diese Kriterien und wägt sie plausibel gegeneinander ab, bevor es einzelne Maßnahmen der Sorgfaltspflicht ergreift, dann hat es alles Erforderliche getan − selbst wenn sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass es zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist.
Hierbei sind die wesentlichen Referenzdokumente des LkSG eine zusätzliche Auslegungshilfe, denn sie operationalisieren den Begriff der Angemessenheit anhand branchenspezifischer und branchenübergreifender Fallkonstellationen.

Existieren bereits einschlägige Referenzdokumente, die konkretisieren, was Unternehmen zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten tun können?

Der Angemessenheitsprüfung sollten insbesondere folgende Dokumente zugrunde gelegt werden, die auch in der Begründung zu § 3 des Regierungsentwurfs zum LkSG aufgeführt sind:
  • VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte von 2011,
  • OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen (2011),
  • Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016,
  • UN OHCHR (2012): The Corporate Responsibility to Respect Human Rights: An Interpretive Guide,
  • UN OHCHR (2018): Corporate human rights due diligence – Getting started, emerging practices, tools and resources,
  • OECD (2018): OECD Due Diligence Guidance for Responsible Business Conduct.
Hinzu kommen ggf. sektorspezifische Leitfäden, insbesondere:
  • OECD (2016: OECD Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains of Minerals from Conflict-Affected and High-Risk Areas,
  • OECD/FAO (2016), OECD-FAO Guidance for Responsible Agricultural Supply Chains,
  • OECD (2017): OECD Due Diligence Guidance for Meaningful Stakeholder Engagement in the Extractive Sector,
  • OECD (2018): OECD Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains in the Garment and Footwear Sector,
  • OECD (2017): Responsible business conduct for institutional investors: Key considerations for due diligence under the OECD Guidelines for Multinational Enterprises,
  • OECD (2019): Due Diligence for Responsible Corporate Lending and Securities Underwriting: Key considerations for banks implementing the OECD Guidelines for Multinational Enterprises.

Wie ist § 4 Abs. 2 LkSG zu verstehen? Wann verursacht ein Unternehmen ein Risiko, wann hat ein Unternehmen zur Entstehung oder Verstärkung eines Risikos beigetragen?

Ein Unternehmen muss im Rahmen des Risikomanagements nur solche menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken adressieren, die es verursacht oder zu denen es beigetragen hat, unabhängig davon, ob die Risiken im eigenen Geschäftsbereich, beim unmittelbaren Zulieferer oder beim mittelbaren Zulieferer entstehen (siehe Begründung Ref-E zu § 4 Abs. 2 LkSG; S. 25). „Verursachen“ bedeutet, dass das Unternehmen das Risiko unmittelbar allein hervorgerufen hat oder durch seine Handlung zu der Entstehung oder Verstärkung des Risikos kausal beigetragen hat.
Die Schwelle ist erreicht, wenn das Unternehmen durch seine Handlungen mindestens zu der Entstehung oder Verstärkung des Risikos kausal beigetragen hat, das heißt, wenn die Handlung des Unternehmens nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die konkrete Folge (Entstehung des Risikos) entfällt. Wann ein relevanter Beitrag vorliegt, ist im Einzelfall zu bewerten.
Mit „beitragen“ wird klargestellt, dass auch Fälle erfasst sind, in denen das Unternehmen nicht allein gehandelt hat. Wenn zum Beispiel mehrere Unternehmen bei derselben Fabrik bestellen, dann leistet jedes Unternehmen einen Beitrag. Wie das Unternehmen angemessen auf das Risiko reagiert, hängt maßgeblich von den in § 3 Abs. 2 genannten Kriterien ab.
Ein Unternehmen muss nicht für solche Ereignisse einstehen, die nach der normalen Lebensanschauung eines objektiven, informierten Dritten völlig außerhalb der Erfahrung und Erwartung liegen.

Gibt es einen detaillierten rechtsbindenden Katalog, welche Anforderungen Unternehmen im Rahmen des Lieferkettengesetzes zu erfüllen haben? Gibt es eine Art Checkliste, inkl. Erfüllungskriterien?

Die Umsetzung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten nach dem LkSG ist für jedes Unternehmen ein individueller und fortwährender Prozess, den es regelmäßig zu prüfen und zu verbessern gilt. Checklisten allein können diesen Prozess nicht umfänglich abbilden. Die Gesetzesbegründung (z. B. zu § 3 LkSG) nennt einschlägige Leitfäden, die für die praktische Umsetzung relevant sind. Auf www.wirtschaft-menschenrechte.de finden sich eine Reihe weiterer Unterstützungsangebote zur Umsetzung der Sorgfaltspflichten. Weiterhin werden zurzeit im Rahmen der Branchendialoge zum Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte praxisorientierte Handlungsanleitungen im Multistakeholder-Prozess zu allen Sorgfaltspflichten erarbeitet, die ab Sommer 2022 zusätzlich zur Verfügung stehen. Weitere Möglichkeiten der Unterstützung werden fortlaufend geprüft.

Hat ein Unternehmen Sorgfaltspflichten bezüglich Risiken und Verletzungen in der nachgelagerten Lieferkette?

Nein. Die Sorgfaltspflichten beziehen sich gemäß § 2 Abs. 5 LkSG auf die Risiken im eigenen Geschäftsbereich, bei unmittelbaren Zulieferern und bei mittelbaren Zulieferern.

Haben Kreditinstitute Sorgfaltspflichten bezüglich Risiken bei Endkund*innen?

Nein, auch bei allen Kredit- und Bankgeschäften – unabhängig vom Umfang des Geschäftes – sind die Endkund*innen kein Teil der Lieferkette, sodass sich die Sorgfaltspflichten nicht auf diese erstrecken.

Wer ist im Sinne des Gesetzes „Endkund*in“ bei Produkten?

Endkund*in ist (a) die Person, für die das Produkt bestimmt ist und die es tatsächlich nutzt oder aber (b) die Instanz, die das Produkt verarbeitet, sodass es in einem nach der Verkehrsanschauung neuen Produkt aufgeht. Die Bestimmung des*der Endkund*in hängt somit von der Perspektive bzw. der Rolle des Unternehmens in der Lieferkette ab. Die Endkund*innen sind nicht unbedingt direkte Vertragspartner*innen. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet das: Produzenten liefern Zwischenprodukte an Hersteller, die diese zu Endprodukten zusammenfügen.

Wer ist Endkund*in einer Dienstleistung?

Bei der Erbringung von Dienstleistungen ist Endkund*in die Person, für die die Dienstleistung bestimmt ist und die die Dienstleistung in Anspruch nimmt. Dies sind in der Regel direkte Vertragspartner*innen. Unter Umständen sind aber eine oder mehrere Personen dazwischengeschaltet, die die Dienstleistung an die Person vermitteln, die sie in Anspruch nimmt. Bei einem Vertrag zugunsten Dritter ist Endkund*in ebenso die Person, die die Dienstleistung in Anspruch nimmt.

Welche Sorgfaltspflichten bestehen bezüglich der Auslieferung eines Produktes?

Dies ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Übernimmt das unter den Anwendungsbereich fallende Unternehmen selbst die Distribution bzw. Auslieferung eines Produktes an die Endkund*innen, dann ist diese Teil des eigenen Geschäftsbereichs. Beauftragt das Unternehmen einen Dritten mit der Auslieferung des Produktes, dann ist dieses Unternehmen als Zulieferer Teil der Lieferkette gemäß § 2 Abs. 5 LkSG.

Was genau bedeutet „substantiierte Kenntnis“ im Sinne des § 9 Abs. 3 LkSG?

Substantiierte Kenntnis bedeutet, dass dem Unternehmen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die eine Verletzung einer menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Pflicht bei einem mittelbaren Zulieferer möglich erscheinen lassen.
„Tatsächliche Anhaltspunkte“ sind nicht bloße Meinungen oder Gerüchte, sondern sie beinhalten zumindest einen verifizierbaren Tatsachenkern.
Es gelten:
  • die Grundsätze der Wissenszurechnung,
  • die Grundsätze der Wissenszusammenrechnung im Konzern sowie
  • die Organisationspflicht einschließlich effektiver Verarbeitung von Informationen (vgl. §§ 4 Abs. 3 S. 2 und 5 Abs. 3 LkSG).

Welcher „Möglichkeitsgrad“ ist im Hinblick auf die „substantiierte Kenntnis“ gefordert? Besteht eine Pflicht für Unternehmen, proaktiv zu recherchieren, um diese Kenntnis zu erlangen?

Es genügt, dass die Anhaltspunkte vorliegen, also in den Herrschaftsbereich des Unternehmens gelangt sind, sodass sie ohne Weiteres zur Kenntnis genommen werden können. Hierzu zählen zum Beispiel:
  • Meldungen über den Beschwerdemechanismus,
  • die Handreichungen des BAFA, die gesetzlich vorgesehen sind (vgl. § 20 LkSG) und von denen erwartet wird, dass der*die jeweilige Menschenrechtsbeauftragte deren Veröffentlichung zur Kenntnis nimmt,
  • Medienberichte, Berichte von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Meldungen im Internet, wenn sie
    • offenkundig sind, weil sie branchenweit bekannt sind, oder
    • dem Unternehmen übermittelt werden.
Bei Handreichungen, Falllisten und Datenbanken von Multistakeholder- oder Brancheninitiativen ist umso eher von einer substantiierten Kenntnis im Sinne des § 9 Abs. 3 LkSG auszugehen, je mehr die Informationen branchenweit verbreitet sind.
Der Möglichkeitsgrad der substantiierten Kenntnis bestimmt sich anhand folgender Leitplanken:
  • Die Verletzung muss nicht offenkundig, sicher, naheliegend oder auch nur wahrscheinlich sein. „Möglich“ sind auch Ereignisse, deren Eintrittswahrscheinlichkeit unter 50 Prozent liegt.
  • Die vorliegenden Informationen müssen nicht bereits an sich die Verortung der Verletzung bei einem Zulieferer erkennen lassen.
  • Die Verortung des Risikos in der eigenen Lieferkette muss anhand in der Branche anerkannter Methoden mit zumutbaren Bemühungen zumindest möglich sein. Die Zumutbarkeit bemisst sich nach den Gesamtumständen, insbesondere nach dem Grundsatz der Angemessenheit. Je mehr sich ein Verdacht konkretisiert hat, desto höher ist der Aufwand, der bei der weiteren Verortung zumutbar ist.
  • Auch der Diskussionsstand innerhalb von Branchen kann eine Indizwirkung haben: Erkenntnisse innerhalb der Branche, die sich verfestigt haben, etwa Warnmeldungen, sind Bestandteil der substantiierten Kenntnis.
  • Es kommt auf den objektiv-normativen Verständnishorizont an. Folgende Leitfrage ist zu beantworten:
    Würde ein*e mit den Sorgfaltspflichten betraute*r und durchschnittlich erfahrene*r und verständige*r Mitarbeiter*in, in deren*dessen Unternehmen das Risikomanagement entsprechend den gesetzlichen Vorgaben organisiert ist, eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende Verletzung in der Lieferkette für möglich halten?

Sorgfaltspflicht zur Einrichtung eines Risikomanagements

Gibt es besondere Anforderungen an die Funktion „Verantwortlicher im Unternehmen“? Muss das ein*e Jurist*in sein?

Das LkSG sieht keine besonderen Anforderungen vor. Das Unternehmen hat aber die Pflicht, ein wirksames Risikomanagement zu implementieren. Welche Qualifikation für den jeweiligen Kontext des Unternehmens geeignet ist, kann das Unternehmen am besten beurteilen.

Gemäß § 4 Abs. 4 sind die Interessen von Beschäftigten und von Personen, die in sonstiger Weise durch das wirtschaftliche Handeln des Unternehmens betroffen sein können, bei Errichtung und Umsetzung des Risikomanagements zu berücksichtigen. Wie ist der Begriff der „Beschäftigten“ zu verstehen?

Im Sinne eines effektiven Menschenrechtsschutzes ist der Begriff der Beschäftigten weit zu verstehen. Erfasst sind auch Selbstständige, die einem Unternehmen zuliefern, sowie solche Beschäftigte, die statistisch sowie arbeits- und sozialrechtlich nicht oder unzulänglich erfasst sind oder Arbeitsverboten unterliegen.

Wann sind die „in sonstiger Weise durch das wirtschaftliche Handeln des Unternehmens“ Betroffenen gemäß § 4 Abs. 4 LkSG zu beteiligen?

Diese sind zu beteiligen, wenn sie durch die Auswirkungen des unternehmerischen Handelns in der Lieferkette unmittelbar betroffen sind. Typische Fallkonstellationen sind Anwohner*innen/Gemeinden in der Nachbarschaft von Produktionsstätten (des eigenen Geschäftsbereichs, des unmittelbaren oder mittelbaren Zulieferers), die von der Produktion unmittelbar betroffen sind (z. B. durch umweltschädliche Emissionen/durch Landenteignungen). Die Beteiligung kann in Form einer direkten Konsultation oder mit einer berechtigten Interessenvertretung erfolgen.

Sorgfaltspflicht zur Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen

Wann ist die erste Risikoanalyse durchzuführen und entsprechend die erste Grundsatzerklärung abzugeben?

Die erste Risikoanalyse ist ab Inkrafttreten des Gesetzes (2023 bzw. 2024) − als Bestandteil eines angemessenen und wirksamen Risikomanagements − durchzuführen. Die Analyse ist einmal im Jahr − das heißt auch im ersten Geschäftsjahr − sowie anlassbezogen durchzuführen. Anlassbezogene Analysen sind beispielsweise durchzuführen, wenn ein Unternehmen mit einer wesentlich veränderten oder wesentlich erweiterten Risikolage in der Lieferkette rechnen muss. Erkenntnisse, die aufgrund von Hinweisen im Beschwerdeverfahren gewonnen werden, sind zu berücksichtigen. Anlassbezogen können mehrere Analysen auch im ersten Geschäftsjahr erforderlich sein.
Der Zeitpunkt, wann die erste Risikoanalyse abgeschlossen sein muss, hängt vom Einzelfall ab, denn die Dauer der Durchführung ist abhängig von den individuellen Unternehmensumständen und der Risikodisposition. Stellt ein Unternehmen im Rahmen dieser Risikoanalyse Risiken im Sinne des LkSG fest, hat es unverzüglich danach angemessene Präventionsmaßnahmen zu ergreifen; hierzu zählt insbesondere eine Grundsatzerklärung gem. § 6 Abs. 2 LkSG.

Kann die regelmäßige (einmal im Jahr durchzuführende) Risikoanalyse auf Risi-ken im eigenen Geschäftsbereich und im Geschäftsbereich der unmittelbaren Zu-lieferer beschränkt werden?

Ja, gemäß § 5 Abs. 1 LkSG betrifft die Risikoanalyse Risiken im eigenen Geschäftsbereich und bei den unmittelbaren Zulieferern. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Risikomanagement und insbesondere die Präventionsmaßnahmen auf diese Risiken beschränkt werden können. Das Risikomanagement insgesamt muss angemessen und wirksam gestaltet sein, sodass es geeignet ist, alle priorisierten Risiken zu vermeiden, die das Unternehmen in der Lieferkette verursacht hat oder zu denen es beigetragen hat (§ 4 Abs. 1 und 2 LkSG). Deswegen regelt das Gesetz, dass die Präventionsmaßnahmen auch die Risiken „bei Zulieferern in der Lieferkette“ adressieren (vgl. § 6 Abs. 2 S. 3 Nr. 3, Abs. 4 Nr. 2 LkSG).

Was ist angemessen bei der Risikoanalyse? Wie gehe ich bei der Risikoanalyse vor? Wie tief muss ich in der Lieferkette forschen – angesichts eines globalen dynamischen Liefernetzwerkes mit zahlreichen Unterlieferanten?

Mithilfe der Risikoanalyse soll das Unternehmen die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken identifizieren, bewerten und priorisieren.
In einem ersten Verfahrensschritt sollen sich Unternehmen um die Transparenz ihrer Lieferketten bemühen und sich einen Überblick über die eigenen Beschaffungsprozesse sowie über die Struktur und Akteure ihrer Lieferbeziehungen verschaffen. Dies kann zum Beispiel in Form eines Risikomappings nach Geschäftsfeldern, Standorten, Produkten, Rohstoffen oder Herkunftsländern erfolgen (vgl. Begründung § 5 Abs. 1 Regierungsentwurf).
In einem zweiten Schritt sind die Risiken zu bewerten und, wenn notwendig, zu priorisieren. Auf dieser Grundlage kann das Unternehmen entscheiden, welche Risiken (und welche Lieferbeziehung) es vertieft betrachtet und zuerst angeht. Unternehmen haben dabei einen weiten Gestaltungsspielraum. Entscheidend ist, dass das Unternehmen gemäß der in § 3 Abs. 2 LkSG niedergelegten Kriterien der Angemessenheit plausibel begründen kann, warum ein bestimmtes Risiko prioritär adressiert wird. Ein Kriterium ist zum Beispiel die Schwere des identifizierten Risikos in Verbindung mit einem relevanten Verursachungsbeitrag (z. B. großes Einkaufsvolumen eines bestimmten Rohstoffes).
Das Unternehmen muss die Prüfung eines priorisierten Risikos vertiefen, wenn es für die Ergreifung von Maßnahmen weitere Informationen benötigt, etwa zu der Schwere und Wahrscheinlichkeit der möglichen Menschenrechtsverletzung, zu den betroffenen Personenkreisen, zu dem Zulieferer, bei dem das Risiko besteht, sowie zu der politischen, rechtlichen und kulturellen Situation am Produktionsort.
Das Gesetz verweist in der Begründung zu § 3 auf einschlägige Leitfäden, die gerade zum Einstieg in das Thema Sorgfaltspflichten geeignet sind.
Die Risikoanalyse ist einmal im Jahr sowie anlassbezogen durchzuführen (vgl. § 5 Abs. 4 LkSG) Hierdurch kann das Unternehmen auf dynamische Liefernetzwerke reagieren.

Wie ist zu bewerten, wenn eine Risikoanalyse nicht durchführbar ist, weil das Unternehmen trotz aller Bemühungen keine Transparenz in die Lieferkette bringen konnte?

Die Sorgfaltspflichten begründen eine Bemühens- und keine Erfolgspflicht. Das heißt, Unternehmen müssen sich kontinuierlich und angemessen darum bemühen, ihre Sorgfaltspflichten zu erfüllen: Dazu gehört auch, sich um eine transparente Lieferkette zu bemühen. Ist ihnen das aus plausiblen Gründen nicht möglich, handeln sie dennoch im Einklang mit dem LkSG. Die Risikoanalyse ist mindestens jährlich sowie anlassbezogen zu aktualisieren.

Fallen Waren des indirekten Einkaufs, also Waren, die nicht für den Weiterverkauf bezweckt sind, wie zum Beispiel Büromaterial oder Softwaresysteme, unter prioritäre Risiken gemäß § 5 Abs. 2 LkSG, wenn diese eine hohe Ähnlichkeit zu Waren des Kerngeschäfts aufweisen?

Alle Waren, die ein Unternehmen zur Herstellung seiner Produkte oder Erbringung seiner Dienstleistung bezieht, sind Teil der Lieferkette (vgl. § 2 Abs. 5 LkSG) und deshalb Bestandteil der Risikoanalyse. Dies gilt grundsätzlich auch für Waren, die ein Unternehmen bezieht, um seinen Fortbestand zu sichern, die aber nicht direkt in das Endprodukt einfließen.
Unternehmen müssen allerdings nicht alle Risiken gleichermaßen vertieft betrachten, sondern sollen sich auf die wesentlichen fokussieren (vgl. § 5 Abs. 2 LkSG), also eine Priorisierung vornehmen. Ob mit der Herstellung dieser Waren verbundene Risiken für das Unternehmen als prioritär zu bewerten sind, hängt von den in § 3 Abs. 2 definierten Angemessenheitskriterien ab, insbesondere davon, wie schwerwiegend die Risiken zu bewerten sind und welche Einflussmöglichkeit ein Unternehmen hat, diesen Risiken wirksam zu begegnen.

Geht die anlassbezogene Risikoanalyse im Sinne des § 5 Abs. 4 LkSG über Risiken beim unmittelbaren Zulieferer hinaus? Ist sie auf die sich wesentlich verändernden bzw. hinzukommenden Risiken überall in der Lieferkette zu beziehen?

Ja, es sind die Risiken zu analysieren, mit deren wesentlicher Veränderung oder Hinzukommen das Unternehmen in der Lieferkette gemäß § 2 Abs. 5 LkSG rechnen muss. Aus § 5 Abs. 1 und 4 LkSG ergeben sich zwei Modalitäten der Risikoanalyse:
  • Gegenstand der regelmäßigen Risikoanalyse („einmal jährlich“) sind alle Risiken im eigenen Geschäftsbereich und bei den unmittelbaren Zulieferern.
  • Die ad-hoc-Pflicht zur Risikoanalyse betrifft die anlässlich neuer Umstände wesentlich veränderten oder hinzukommenden Risiken, allerdings überall in der Lieferkette, sowohl bei unmittelbaren als auch bei mittelbaren Zulieferern. Es sind diejenigen Risiken zu analysieren, die offensichtlich neu hinzukommen oder sich wesentlich verändern.

Sorgfaltspflicht zur Abgabe einer Grundsatzerklärung

Gem. § 6 Abs. 2 S. 2 LkSG hat die Unternehmensleitung die Grundsatzerklärung abzugeben. Bedeutet „Unternehmensleitung“ im Fall einer deutschen Konzerntochter-GmbH „Geschäftsführung“? Und wie und wem gegenüber ist die Grundsatzerklärung „abzugeben“?

Im Fall einer deutschen Konzerntochter-GmbH ist Unternehmensleitung die Geschäftsführung.
Die Grundsatzerklärung ist abgegeben, wenn sie von der Unternehmensleitung öffentlich zugänglich gemacht worden ist, z.B. auf der Homepage des Unternehmens. Die Präventionsmaßnahmen in § 6 LkSG erfordern darüber hinaus ein Kommunizieren der Grundsatzerklärung gegenüber den Beschäftigten und gegebenenfalls dem Betriebsrat. Entsprechendes gilt für ein Kommunizieren gegenüber unmittelbaren Zulieferern im Rahmen der Verpflichtungen nach § 6 Abs. 4 LkSG. Ein rein passives Verfügbarmachen, wie z. B. eine Dokumentenhinterlegung in Systemen oder im Intranet, sind für eine „Kommunikation“ im Sinne des Gesetzes nicht ausreichend. Gegenüber unmittelbaren Zulieferern genügt es in diesem Sinne jedoch, wenn beispielsweise in den allgemeinen Lieferbedingungen oder in einer Purchase-Order ein Link zur Website des Unternehmens enthalten ist, auf der die Grundsatzerklärung veröffentlicht ist.

Muss die Grundsatzerklärung eine einheitliche, auch äußerlich zusammenhängende Form haben, oder genügt eine Aufteilung der inhaltlichen Elemente auf separate, Dokumente (z. B. Corporate Policy, Verhaltenskodex für Lieferanten, integrierter Bericht für Strategie, Risikobewertung und Umsetzung)?

Die Grundsatzerklärung muss alle gesetzlich geforderten Elemente vollständig und aus sich heraus verständlich in einem Dokument enthalten. Eine Bezugnahme auf weitere Dokumente ist aber zulässig, soweit hierdurch einzelne Elemente der Grundsatzerklärung konkretisiert werden.

Genügt die Bezugnahme auf einen konzernweiten Kodex?

Erfüllt der konzernweite Kodex die gesetzlichen Anforderungen an die Grundsatzerklärung auch hinsichtlich der Konzerntochter (vgl. § 6 Abs. 2 LkSG), ist die Bezugnahme auf einen konzernweiten Kodex ausreichend. Wichtig ist, dass die Erklärung auch die konkrete Risikolage der Tochter adressiert.

Sorgfaltspflicht zur Verankerung von Präventionsmaßnahmen

Wann sind Präventionsmaßnahmen zu ergreifen und welche Risiken sind dabei zu adressieren?

Präventionsmaßnahmen sind gemäß § 6 Abs. 1 LkSG unverzüglich zu ergreifen, wenn durch die regelmäßige Risikoanalyse Risiken im eigenen Geschäftsbereich und bei unmittelbaren Zulieferern erkannt werden und soweit diese unter Beachtung des Grundsatzes der Angemessenheit priorisiert wurden. Die Präventionsmaßnahmen müssen aber auch andere Risiken in der Lieferkette adressieren, zu denen das Unternehmen beiträgt und die entsprechend zu priorisieren sind, wenn
  • Personal im Risikomanagement, dessen Kenntnisse und Erfahrungen angesichts des Risikoprofils des Unternehmens geeignet erscheinen, das Unternehmen auf das betreffende Risiko aufmerksam macht (vgl. § 4 Abs. 3 S. 1 LkSG),
  • das Unternehmen ein Risiko bei Berücksichtigung der Interessen der Personengruppen, die durch das wirtschaftliche Handeln eines Zulieferers in seinen Lieferketten betroffen sind, ermittelt (vgl. § 4 Abs. 4 LkSG),
  • das Unternehmen durch eine anlassbezogene Analyse von Risiken jenseits des unmittelbaren Zulieferers Kenntnis erlangt (vgl. § 5 Abs. 4 LkSG),
  • das Unternehmen von Risiken Kenntnis erlangt, wenn es
    • im Rahmen der Erarbeitung einer Grundsatzerklärung Erwartungen an die Zulieferer in der Lieferkette formuliert (vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 3 LkSG),
    • sich um Transparenz in der Lieferkette im Rahmen der Entwicklung und Implementierung geeigneter Beschaffungsstrategien und Einkaufspraktiken (§ 6 Abs. 3 Nr. 2) bemüht,
    • geeignete Maßnahmen gegenüber unmittelbaren Zulieferern im Sinne des § 6 Abs. 4 Nr. 1 und 2 LkSG verankert oder
  • wenn das Unternehmen substantiierte Kenntnis im Sinne des § 9 Abs. 3 LkSG erlangt.

Muss ein Unternehmen im Rahmen seiner Präventionsmaßnahmen für jedes einzelne Produkt die Lieferkette vollständig prüfen?

Nein. Wichtig ist: Die Präventionsmaßnahmen beziehen sich auf priorisierte Risiken, nicht auf die gesamte Produktpalette, mit der ein Unternehmen zu tun hat.

Können betroffene Unternehmen von ihren Zulieferern konkret deren Geschäftsbeziehungen und Audit-Berichte über deren Zulieferer einfordern?

Das Gesetz legt im Einzelnen nicht fest, welche Nachweise im konkreten Fall von einem Zulieferer zu erbringen bzw. zu vereinbaren sind. Audits können ein Indiz für die Erfüllung der Erwartungen sein, sofern das betreffende Audit die Voraussetzungen des LkSG berücksichtigt.

Reicht eine unterschriebene Lieferantenselbstauskunft, um die Sorgfaltspflicht in Bezug auf einen Lieferanten zu erfüllen?

Grundsätzlich wird nicht automatisch die Sorgfaltspflicht erfüllt, wenn sich lediglich auf eine schriftliche Zusicherung verlassen wird. Vielmehr sind auch alle übrigen im LkSG enthaltenen Pflichten zur Risikoanalyse und zu Präventions- sowie Abhilfemaßnahmen zu erfüllen.

Sorgfaltspflicht zum Ergreifen von Abhilfemaßnahmen

Wann entsteht eine Pflicht zum Rückzug aus einer Geschäftsbeziehung nach § 7 Abs. 3 LkSG?

Durch die Regelungen in § 7 Abs. 2 und Abs. 3 LkSG werden Unternehmen darin bestärkt, zuerst gemeinsam mit Zulieferern oder innerhalb der Branche nach Lösungen für komplexe und schwierig zu behebende Missstände zu suchen, bevor sie sich aus einem Geschäftsfeld zurückziehen. Es gilt der Grundsatz: Befähigung vor Rückzug. Der Abbruch von Geschäftsbeziehungen ist nur geboten, wenn erstens die Verletzung einer geschützten Rechtsposition oder einer umweltbezogenen Pflicht als sehr schwerwiegend bewertet wird, zweitens die Umsetzung der im Konzept − gemeinsam mit dem Zulieferer − erarbeiteten Maßnahmen nach Ablauf der im Konzept festgelegten Zeit keine Abhilfe bewirkt, drittens dem Unternehmen keine anderen milderen Mittel zur Verfügung stehen und viertens eine Erhöhung des Einflussvermögens nicht aussichtsreich erscheint.
Dabei ist zu beachten, dass die bloße Tatsache, dass ein Staat eines der in der Anlage zu diesem Gesetz aufgelisteten Übereinkommen nicht ratifiziert oder nicht in sein nationales Recht umgesetzt hat, nicht automatisch zu einer Pflicht zum Abbruch der Geschäftsbeziehungen führt.
Die Ratifikation von Abkommen und deren Umsetzung ins nationale Recht ist Sache der Staaten und nicht der Unternehmen. Folglich ist die Nichtratifikation von menschenrechtlichen oder umweltrechtlichen Abkommen oder deren Nichtumsetzung in nationales Recht allein kein Auslöser für die Pflicht, die Geschäftsbeziehung abzubrechen oder erst gar nicht einzugehen.
Allerdings können staatliche Defizite im Bereich der Menschenrechte oder staatliche Menschenrechtsverletzungen im Rahmen der unternehmerischen Sorgfaltspflicht relevante menschenrechtliche Risiken zur Folge haben bzw. diese erhöhen. Von dem Unternehmen kann daher insbesondere erwartet werden, den Umstand der Nichtratifikation oder Nichtumsetzung in die Risikoanalyse einzubeziehen und die Folgen für die Risikolage insgesamt zu prüfen.

Sorgfaltspflicht zum Einrichten eines Beschwerdeverfahrens

Was ist ein „unternehmensinternes“ Beschwerdeverfahren gemäß § 8 LkSG im Fall eines globalen Konzerns? Muss das Beschwerdeverfahren (organisatorisch) auf Ebene der deutschen Konzerntochter angesiedelt sein? Oder genügt eine globale konzernweite Ansiedlung?

Ein konzernweites Beschwerdeverfahren ist ausreichend, wenn es den gesetzlichen Anforderungen genügt. Denn Unternehmen können sich auch an externen Beschwerdeverfahren beteiligen, dann erst recht an einem konzerneigenen Verfahren.

Sorgfaltspflicht zur Dokumentation und Berichterstattung

Welche Berichtspflichten gibt es für betroffene Unternehmen?

Unternehmen müssen dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle jährlich einen Bericht über die Umsetzung der Sorgfaltspflichten vorlegen und ihn online veröffentlichen.
Der Bericht muss nachvollziehbar Auskunft darüber geben,
  • ob und welche menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken das Unternehmen identifiziert hat,
  • was das Unternehmen zur Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten unternommen hat,
  • wie das Unternehmen die Auswirkungen und die Wirksamkeit der Maßnahmen bewertet,
  • welche Schlussfolgerungen es aus der Bewertung für zukünftige Maßnahmen zieht.
Der Bericht muss spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres online öffentlich zugänglich gemacht werden und für sieben Jahre verfügbar sein. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind dabei gebührend zu wahren. Die Berichte werden beim Bundeamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eingereicht. Es wird an einem elektronischen Verfahren gearbeitet, um den Aufwand für Unternehmen möglichst gering zu halten.

Zu welchem Zeitpunkt muss der erste Bericht nach dem LkSG erfolgen?

Der erste Bericht nach dem LkSG ist spätestens vier Monate nach dem Schluss des Geschäftsjahres, welches im Laufe des Kalenderjahres 2023 (für Unternehmen ab 3.000 Arbeitnehmer*innen) bzw. 2024 (für Unternehmen ab 1.000 Arbeitnehmer*innen) abläuft, bei der zuständigen Behörde einzureichen. Der Berichtszeitraum beginnt erst am 01.01.2023 (bzw. 01.01.2024).

Können Nachhaltigkeitssiegel, Audits und Zertifikate als Nachweis im Rahmen des LkSG dienen?

Soweit die Siegel, Zertifikate oder Audits nachweisbar die gesetzlichen Sorgfaltsanforderungen erfüllen, können sie als wichtige Anhaltspunkte für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten dienen.

Welche Berichtspflichten haben die ausländischen Tochtergesellschaften?

Sie haben keine Berichtspflichten, weil sie nicht unter den Anwendungsbereich gemäß § 1 LkSG fallen (nicht in Deutschland ansässig, keine Zweigniederlassung).

Muss ab dem 01.01.2023 über das Geschäftsjahr 2022 berichtet werden?

Nein, es muss nur über Sachverhalte ab dem 01.01.2023 berichtet werden, wenn das Unternehmen ab diesem Zeitpunkt unter den Anwendungsbereich fällt.

Werden auch englischsprachige Berichte akzeptiert?

Nein, § 12 Abs. 1 LkSG schreibt ausdrücklich vor, dass der Bericht in deutscher Sprache abzufassen ist.

Überwachung durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle

Wer überwacht wie die Einhaltung der Sorgfaltspflichten?

Die Umsetzung des Gesetzes wird durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) kontrolliert.
Unternehmen müssen spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres ihren Bericht über die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten an das BAFA übermitteln, das die Berichte überprüft.
Das BAFA führt zudem risikobasierte Kontrollen bei Unternehmen durch. Es kann Personen vorladen, Geschäftsräume betreten und Unterlagen einsehen und prüfen sowie konkrete Handlungen vorgeben, um Missstände zu beheben. Ferner kann die Behörde Zwangs- und Bußgelder verhängen.

Aus welcher Perspektive bewertet das BAFA die Angemessenheit von Maßnahmen, die ein Unternehmen zur Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten ergriffen hat?

Das Angemessenheitsprinzip gibt einem Unternehmen großen Spielraum bei der Entscheidung, welche Risiken es zuerst angehen soll und welche Maßnahmen dabei sinnvoll sind. Dieser Spielraum wird bei der behördlichen Kontrolle anerkannt und berücksichtigt. Das BAFA prüft, ob ein Unternehmen zum Zeitpunkt der Entscheidung, also ex ante, angemessen gehandelt hat. So hat das Unternehmen nachzuweisen, nach welchen Kriterien es die Risiken bewertet und seine Maßnahmen ergriffen hat. Der unternehmensinterne Abwägungsprozess muss dabei plausibel und für das BAFA nachvollziehbar sein. Es hinterfragt die Unternehmensentscheidung nicht aus einer Ex-post-facto-Sicht, sodass das Unternehmen nicht für Rückschaufehler sanktioniert werden soll.

Folgen des Gesetzes für Unternehmen/Fragen der Haftung

Was passiert, wenn sich Unternehmen nicht an das Gesetz halten?

Kommen Unternehmen ihren Pflichten zur Risikoanalyse, zur Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens, zu Präventionsmaßnahmen und zu dem wirksamen Abstellen von bekannten Menschenrechtsverstößen nicht nach, drohen Bußgelder von bis zu 8 Millionen Euro oder bis zu 2 Prozent des Jahresumsatzes. Der umsatzbezogene Bußgeldrahmen gilt nur für Unternehmen mit mehr als 400 Millionen Euro Jahresumsatz.
Ebenso können Unternehmen, die gegen das Gesetz verstoßen, ab einem verhängten Bußgeld von einer bestimmten Mindesthöhe (Schwellenstufe je nach Schwere des Verstoßes: 175.000 bzw. 1.500.000, 2.000.000 EUR, 0,35 Prozent des Jahresumsatzes) innerhalb von bis zu drei Jahren von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden. Dafür wird das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle mit effektiven Durchsetzungsinstrumenten und weitgehenden Kontrollbefugnissen ausgestattet, um das Lieferkettenmanagement der Unternehmen zu überwachen.

Werden deutsche Unternehmen künftig für ihre Zulieferer haftbar gemacht?

Nein, es gibt keine Haftung für das Verhalten Dritter in der Lieferkette.

Müssen Unternehmen grundsätzlich haften, wenn es zu Menschenrechtsverletzungen kommt?

Das LkSG selbst bewirkt keine Änderungen der bestehenden Haftungsgrundlagen. Bereits heute aber können etwa Arbeitnehmer*innen im Ausland vor deutschen Gerichten auf Schadensersatz klagen, wenn sie sich durch ein deutsches Unternehmen in ihren Rechten verletzt sehen. Allerdings wird dann das Recht des Landes angewandt, in dem der Schaden eingetreten ist.
Neu im Gesetz ist, dass Betroffene künftig die Möglichkeit haben, inländische Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen (NRO) für die Führung von Zivilprozessen als Prozessstandschafter zu ermächtigen. Die Prozessstandschaft ist ein prozessuales Hilfsmittel. Sie greift, wenn es um eine mögliche Verletzung überragend wichtiger Rechtspositionen aus § 2 Abs. 1 des LkSG, etwa Leib und Leben, geht. In den jeweiligen Verfahren kommt weiterhin das Recht des Ortes zur Anwendung, an dem der Schaden eingetreten ist, also in aller Regel ausländisches Recht.

Kann das Gesetz bewirken, dass deutsche Unternehmen sich aus Entwicklungsländern zurückziehen?

Im Gesetz ist ausdrücklich der Grundsatz „Befähigung vor Rückzug“ verankert. Unternehmen werden ermutigt, sich nicht aus Regionen mit schwachen Standards zurückzuziehen, sondern sich vor Ort gemeinsam mit ihren Zulieferern oder innerhalb der Branche um eine Risikominimierung zu bemühen. So erhalten sie rechtliche Sicherheit gerade im Umgang mit Zulieferern, die menschenrechtlichen Risiken noch nicht angemessen entgegentreten.
Auch bei schweren Menschenrechtsverstößen ist ein Abbruch der Geschäftsbeziehung nur geboten, wenn die folgenden Faktoren gegeben sind:
  • schwerwiegende Verletzung oder Verstoß,
  • Versuche der Risikominderung scheitern innerhalb der festgelegten Zeit,
  • es stehen keine anderen milderen Mittel zur Verfügung und
  • die Erhöhung des Einflussvermögens ist nicht aussichtsreich.
Allein der Umstand, dass ein Land die vom LkSG in Bezug genommenen internationalen Übereinkommen nicht ratifiziert hat, erfordert keine Beendigung der Geschäftsbeziehung.

Umsetzungshilfen für Unternehmen

Gibt es für die Unternehmen Informationen und Unterstützung?

Die Bundesregierung hat im Rahmen des Nationalen Aktionsplans weitreichende Unterstützungsangebote für Unternehmen zur Umsetzung der Sorgfaltspflichten geschaffen. Dazu gehört die Einstiegsberatung durch den bereits seit 2017 bestehenden Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte oder die Einrichtung von Unterstützungsnetzwerken im Ausland rund um die Botschaften des Auswärtigen Amtes. Ein weiteres zentrales Unterstützungsangebot sind die Branchendialoge zur Umsetzung des Nationalen Aktionsplans, die unter der Moderation des Bundesarbeitsministeriums stattfinden. Hier werden unter anderem detaillierte Handlungsanleitungen zur Umsetzung der einzelnen Sorgfaltspflichten erarbeitet, die die Handlungssicherheit gerade in Branchen mit besonderen menschenrechtlichen Herausforderungen erhöhen. Einen guten Überblick über die Unterstützungsangebote der Bundesregierung und weiterer Akteure zur Umsetzung der unternehmerischen Sorgfaltspflicht sowie ausführliche Informationen zur Umsetzung der Sorgfaltspflichten hält das Informationsportal der Bundesregierung unter www.wirtschaft-menschenrechte.de bereit.
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das für die Durchsetzung und Kontrolle des Gesetzes zuständig ist, veröffentlicht ebenfalls branchenübergreifende und branchenspezifische Informationen und Hilfestellungen zur Einhaltung des Gesetzes.

Im LkSG werden drei Rechtsverordnungen angekündigt: eine zum Thema der mittelbaren Zulieferer, eine weitere zur behördliche Berichtsprüfung und eine Rechtsverordnung zum behördlichen Tätigwerden. Wann ist damit zu rechnen?

Die Vorschriften sehen lediglich die Möglichkeit, aber nicht die Pflicht zu Rechtsverordnungen vor. Derzeit (Stand November 2021) sind keine Rechtsverordnungen geplant.

Auswirkungen des Gesetzes für kleine und mittlere Unternehmen

Welche Folgen hat das Gesetz für kleinere Unternehmen, die an größere vom Gesetz erfasste Unternehmen liefern?

Grundsätzlich sollen auch Unternehmen, die nicht in den Anwendungsbereich des LkSG fallen, Sorgfaltspflichten umsetzen. Die VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte richten sich an alle Unternehmen. Bereits seit 2016 gilt der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP), der entsprechende Erwartungen an alle in Deutschland ansässigen Unternehmen formuliert.
Wenn Unternehmen außerhalb des Anwendungsbereiches des LkSG direkte Zulieferer von Unternehmen sind, die unter das Gesetz fallen, dann können sie darüber hinaus durch ihre Vertragsbeziehung (in der z. B. menschenrechtsbezogene Erwartungen festgeschrieben sein könnten) zur Umsetzung von Sorgfaltspflichten angehalten werden. Der KMU Kompass, den der Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH entwickelt hat, bietet kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) konkrete Anleitungen und Tipps, wie sie ihr Lieferkettenmanagement mithilfe eines robusten Managementsystems umwelt- und sozialverträglich gestalten können.
Die Pflichten aus dem LkSG können ihrer Natur nach nicht einfach an die Zulieferer weitergegeben werden. Das betrifft etwa Berichtspflichten gegenüber der Behörde und der Öffentlichkeit. Auch mit Kontrollmaßnahmen oder Sanktionen durch das BAFA hat ein Zulieferer außerhalb des gesetzlichen Anwendungsbereiches nicht zu rechnen. Zudem bleiben die unter das Gesetz fallenden Unternehmen in der eigenen Verantwortung, ihre Lieferketten im Blick zu behalten und die Pflichten zur Risikoanalyse, Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu erfüllen.