Wirtschaftsrecht

Kooperation und Kartellrecht

Der Leistungswettbewerb ist ein zentrales Steuerungselement der sozialen Marktwirtschaft. Ihn zu schützen ist Aufgabe des weitgehend übereinstimmenden europäischen und deutschen Kartellrechts, das wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen verbietet. Von diesem Verbot gibt es jedoch Freistellungen insbesondere auch für kleine und mittlere Unternehmen, die allerdings an gewisse Voraussetzungen geknüpft sind.

1. Wettbewerb als Steuerungselement

Das Streben des Unternehmers im Wettbewerb mit anderen am Markt Erfolg zu haben ist eines der wichtigsten Steuerelemente der sozialen Marktwirtschaft. Der Wettbewerb gibt Anstoß zu effizientem Einsatz der Produktionsfaktoren und zur Leistungsverbesserung. Er ist damit Motor des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts. Fairer Leistungswettbewerb ist aber gefährdet, solange Wettbewerber auf andere Weise als durch die bessere Leistung am Markt erfolgreich sein können. Dem Erfordernis solchen Entwicklungen entgegen zu treten ist der Gesetzgeber auf nationaler und europäischer Ebene durch die Kartellgesetzgebung nachgekommen.

2. Schutz des Wettbewerbs

Der Schutz des Leistungswettbewerbs erfolgt auf nationaler Ebene im Rahmen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ( allgemein auch Kartellgesetz genannt), das Vereinbarungen zwischen Unternehmen , Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verbietet. Unter bestimmten Bedingungen wird dieses gesetzlichen Verbot allerdings relativiert. So stellt das Gesetz Vereinbarungen zwischen Unternehmen von dem Verbot frei, sofern sie eine angemessene Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn sicherstellen, oder zur Verbesserung der Warenerzeugung und –verteilung oder zur Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts geeignet sind. Nach einer umfangreichen Gesetzesnovelle in 2005 entsprechen diese nationalen Bestimmungen weitestgehend den europäischen Regelungen die i.ü. Vorrang haben.

3. Mittelstandskartelle

Eine wichtige Ausnahme vom Gleichklang nationalen und europäischen Kartellrechts bilden die Regelungen über die Zusammenarbeit kleiner und mittelständischer Unternehmen (im Folgenden KMU genannt) : Diese Bestimmungen bestehen nur im deutschen Recht.
Allerdings wirkt sich der Vorrang europäischen Rechts dahingehend aus, dass Vereinbarungen die sich über die Grenzen Deutschlands hinaus in einer Weise auswirken, die eine spürbare Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in der Europäischen Gemeinschaft zur Folge haben, nach europäischem Recht zu beurteilen sind, welches aber gerade keine besondere Regelung für KMU kennt.
Grundgedanke des Rechts der Mittelstandskartelle ist die Überlegung, dass große Unternehmen –oft allein auf Grund ihrer Größe- erhebliche Vorteile bei Produktion, Beschaffung und Vertrieb haben. Dies geht in aller Regel zu Lasten der KMU. Die darin liegende Gefahr der Vermachtung und Verfestigung von Marktstrukturen hat den Gesetzgeber bewogen, wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen KMUen vom Kartellverbot freizustellen, soweit diese Vereinbarungen geeignet sind, die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen dadurch zu verbessern, dass die Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge durch zwischenbetriebliche Zusammenarbeit gefördert wird.

4. Beteiligungsfähige Unternehmen

Was sind KMU?
Bei der Beurteilung, ob es sich um ein KMU handelt, geht das Bundeskartellamt von einem relativen, sich an der jeweiligen Marktstruktur orientierenden Begriff aus, so dass allein auf Grund von absoluten Werten wie Mitarbeiterzahl oder Jahresumsatz eine Einordnung nicht möglich ist. Für den Begriff des KMU ist daher von großer Bedeutung, wie sich das Verhältnis zu den großen Unternehmen der Branche verhält in der durch Kooperation von KMU deren Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden soll. Je nach Branchenstruktur kann daher ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 50 Mio.– in einer Branche mit Umsatzmilliardären durchaus noch als mittleres Unternehmen angesehen werden, während es in einer „kleinteiligen” Branche bereits zu den Großunternehmen zählt.
Auf welcher Wirtschaftsstufe?
Da das Gesetz von Unternehmen spricht, die miteinander in Wettbewerb stehen, kommen für eine Kooperationsvereinbarung nur solche KMU in Betracht, die auf der gleichen Wirtschaftsstufe stehen.

5. Zulässigkeit von Kooperationsvereinbarungen KMU

Zwischenstaatlichkeit
Wie bereits unter Punkt 3 erwähnt, darf eine Kooperationsvereinbarung im Bereich KMU nicht zu einer spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in der Europäischen Gemeinschaft führen. Ist die Spürbarkeit einer solchen Beeinträchtigung zu bejahen, wird die Kooperationsvereinbarung nicht mehr nach deutschem, sondern nach europäischem Recht beurteilt. Da das europäische Recht aber einerseits keine ausdrücklichen Regelungen für KMU enthält, und andererseits Gegenstand von Kooperationsvereinbarungen häufig auch wettbewerbliche Kernbeschränkungen (inbes. Preis- und Quotenabsprachen) sind, käme es zur Unwirksamkeit nach europäischem Recht. Im Sinne einer Abgrenzung ist die Spürbarkeit zu verneinen, wenn:
  • der gemeinsame Marktanteil der Kooperationsteilnehmer auf keinem von der Vereinbarung betroffenen Märkte innerhalb der Europäischen Gemeinschaft 5 % überschreitet
und
  • der gesamte Jahresumsatz der beteiligten Unternehmen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft mit den von der Vereinbarung umfassten Waren den Betrag von 40 Mio – nicht übersteigt.
Keine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs
Von großer Bedeutung für die Zulässigkeit mittelständischer Kooperationen ist ihre Auswirkung auf den betroffenen Markt. Ziel der Zulassung wettbewerbsbeschränkender betrieblicher Zusammenarbeit ist die Schaffung ausgewogener Wettbewerbsstrukturen. Die Entstehung von marktmächtigen Unternehmensgruppen soll keinesfalls gefördert werden. Zur Beurteilung der wettbewerblichen Wirkungen einer Kooperation sind daher vor allem Marktstellung sowie Art und Umfang der Zusammenarbeit der beteiligten Unternehmen zu betrachten. So sind namentlich bei Vereinbarung wettbewerblicher Kernbeschränkungen ( Preise, Quoten, einheitliche Konditionen) bereits Marktanteile von 10 bis 15% kritisch zu betrachten. Bei geringerer Beschränkungsintensität der Vereinbarung sind dagegen auch höhere Marktanteile unschädlich.
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der KMU
Ziel der Freistellung wettbewerbsbeschränkender Kooperationen von KMU ist schließlich die Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Dieses Kriterium wird als gegeben angesehen, wenn durch die betriebliche Zusammenarbeit eine Ausweitung der Produktion oder Erhöhung der Produktqualität, Verbreiterung des Sortiments, eine Verkürzung der Lieferwege und / oder Lieferfristen sowie eine rationellere Gestaltung der Einkaufs- oder Vertriebsorganisation erreicht worden ist.

6. Inhalt und Wirkung der Kooperationsvereinbarung

Kooperationsvereinbarungen KMU müssen nach deutschem Kartellrecht zur Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge durch zwischenbetriebliche Zusammenarbeit geeignet sein. Unter Rationalisierung sind hier solche Maßnahmen zu verstehen, durch die bei jedem beteiligten Unternehmen das Verhältnis des betrieblichen Aufwands zum Ertrag –gerechnet in Produktionseinheiten- verbessert wird. In diesem Zusammenhang sind insbesondere folgende Bereiche als Gegenstand kooperativer Maßnahmen zu nennen:
  • Produktion
  • Forschung und Entwicklung
  • Finanzierung
  • Verwaltung
  • Werbung
  • Einkauf
  • Vertrieb
Ausgeschlossen sind demgegenüber solche Kooperationen, die im Wesentlichen auf Ausschluss des Wettbewerbs gerichtet sind. Solche Vereinbarungen können etwa sein:
  • bloße Preisabsprachen, da diese nicht Ergebnis der Verbesserung innerbetrieblicher Wirtschaftlichkeit sind
  • Quotenregelungen im Zusammenhang mit dem Abbau von Überkapazitäten.

7. Verfahren

Nach früherem Recht mussten Kooperationsvereinbarungen, die Mittelstandskartelle bildeten, bei den zuständigen Kartellbehörden zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt werden. Heute bedarf es einer solchen Erlaubnis der Behörde nicht mehr. Die Freistellung vom Kartellverbot erfolgt vielmehr kraft Gesetzes, wenn die im Gesetz genannten –und hier in Grundzügen dargestellten- Voraussetzungen erfüllt sind. Zwar sieht das Gesetz, befristet bis zum 30.6.2009, die Möglichkeit vor, die Vereinbarung dem Kartellamt vorzulegen, dieses entscheidet jedoch nur sofern ein erhebliches rechtliches oder wirtschaftliches Interesse nachgewiesen werden kann. Diese Kriterien werden allerdings nur bejaht, soweit völlig neuartige Kooperationsformen von überragender rechtlicher Bedeutung Gegenstand der Vereinbarung sind („Musterfälle”). Die praktische Bedeutung dieser Regelung ist daher insgesamt eher als gering einzustufen.
Kehrseite des Abbaus dieser Anmelde- und Nachweispflichten ist aus unternehmerischer Sicht eine höhere Eigenverantwortung, denn es ist nun an dem Unternehmer selbst, zu beurteilen, ob eine Kooperation kartellrechtlich zulässig ist. Es erscheint daher geraten, Kooperationsvereinbarungen schriftlich zu fixieren. Für eine erste Selbsteinschätzung der rechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens mag dieses Merkblatt Anhaltspunkte geben. Eine eingehende Prüfung durch spezialisierte Rechtsanwälte sollte aber in Erwägung gezogen werden.

8. Weiterführende Informationen

Diese Merkblatt kann nur einen ersten Überblick verschaffen. Wenn Sie darüber hinausgehende Informationen benötigen, steht Ihnen unsere Commerzbibliothek, die sich im Erdgeschoss unserer Handelskammer befindet, die gängige Rechtsliteratur zur Verfügung. Sie ist Montag, Mittwoch, Freitag von 10:00 Uhr bis 15:00 Uhr und Dienstag und Donnerstag von 10:00 Uhr bis 19:00 Uhr geöffnet.