Umsatzsteuer / Mehrwertsteuer
Soll- oder Ist-Besteuerung - Wahlmöglichkeit
Die Besteuerung nach vereinbarten Entgelten wird als Soll-Besteuerung, die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten als Ist-Besteuerung bezeichnet. Bei der Ist-Besteuerung entsteht die Umsatzsteuer erst dann, wenn die Kunden oder Auftraggeber ihre Rechnung bezahlen – die Umsatzsteuer muss also nicht vorfinanziert werden. Liegen zwischen Rechnungsstellung und Bezahlung durch den Kunden größere Zeiträume, entsteht bei der Ist-Besteuerung ein Liquiditätsvorteil, den Unternehmer nutzen können.
Nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) gilt die Soll-Besteuerung als Regelfall (§ 16 Abs. 1 UStG). Die Ist-Besteuerung ist nur auf Antrag und unter folgenden Voraussetzungen möglich (§ 20 UStG):
- Vorjahresumsatz nicht mehr als 600.000 Euro
Der Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG) hat im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600.000 Euro betragen.
Beispiel: Berechnung des Gesamtumsatzes
Der Versicherungsmakler A erzielt umsatzsteuerfreie Provisionen in Höhe von 350.000 EUR. Daneben betreibt er noch einen Handel mit Computern und Software. Der Umsatz hieraus beträgt 375.000 EUR. Die Provisionen als Versicherungsmakler sind gemäß § 4 Nr. 11 UStG umsatzsteuerfrei und gehören nicht zum Gesamtumsatz. Lösung: A kann seine Umsätze auch in 2012 nach dem Ist-Prinzip versteuern, weil der steuerfreie Umsatz von 350.000 EUR nicht einzubeziehen ist.
oder
- Befreiung von der Buchführungspflicht
Es liegt eine Befreiung von der Verpflichtung, Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen nach § 148 der Abgabenordnung (AO) vor.
oder
- Freiberufliche Tätigkeit
Es werden Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes ausführt. D.h. Freiberufler, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln, dürfen immer – unabhängig von der Höhe ihres Umsatzes – die Ist-Besteuerung beantragen.
Antrag erforderlich
Unternehmer müssen sich die Ist-Besteuerung vom Finanzamt genehmigen lassen. Die Genehmigung ist immer erforderlich, auch wenn ausschließlich freiberufliche Einkünfte erzielt werden. Der Antrag an das Finanzamt ist weder an eine bestimmte Form und noch an eine Frist gebunden. Ein schriftlicher Antrag ist empfehlenswert. Nur dann besteht die Sicherheit, dass das Finanzamt den Antrag genehmigt. Auch wenn der Antrag nicht an eine Frist gebunden ist, sollte die Ist-Besteuerung möglichst umgehend beim Finanzamt beantragt werden.
Hat das Finanzamt die Ist-Besteuerung genehmigt, dann gilt diese Genehmigung so lange, bis sie widerrufen wird, z. B. weil die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Der Widerruf kann aber immer nur zu Beginn eines Kalenderjahres erfolgen. Stellt das Finanzamt bei der Bearbeitung von Steuererklärungen oder bei einer Betriebsprüfung fest, dass der Vorjahresumsatz mehr als 600.000 EUR betragen hat, kann es seine Genehmigung nur für die Zukunft widerrufen.
Ein rückwirkender Widerruf ist nur dann möglich, wenn der Unternehmer gegenüber dem Finanzamt bewusst falsche Angaben gemacht hat. Bei einem rückwirkenden Widerruf muss der Unternehmer seine Umsätze ab sofort nach vereinbarten Entgelten versteuern und die Umsatzsteuer aus den noch nicht bezahlten Rechnungen in die nächste Umsatzsteuer-Voranmeldung aufnehmen.
Wer kein Freiberufler ist und sich auch nicht von der Bilanzierung befreien lassen kann, darf die Ist-Besteuerung nur beanspruchen, wenn sein Vorjahresumsatz 600.000 EUR nicht überschreitet.
Vorsteuerabzug
Für den Abzug der Vorsteuer spielt es keine Rolle ob die Umsätze nach dem Ist- oder Soll-Prinzip versteuert werden. Unternehmer können die Vorsteuer geltend machen, sobald eine Leistung für das Unternehmen bezogen wurde und eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt. Die Vorsteuer wird immer in dem Voranmeldungszeitraum abgezogen, in dem die ordnungsgemäße Rechnung vorliegt. Es kommt nicht darauf an, wann die Rechnung bezahlt wird. Nur bei Voraus- und Anzahlungen darf die Vorsteuer erst geltend gemacht werden, sobald die Zahlung erfolgt ist.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie über den IHK-Finder erfahren.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt
Stand: August 2023