Innergemeinschaftlicher Warenhandel

Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie für Fernverkäufe und Online-Marktplätze

Was ist die EU-Mehrwertsteuerreform? Was ist ein One-Stop-Shop? Welche Probleme werden durch ihn gelöst? Für welche Transaktionen kann er genutzt werden?
Hinweis: Auf dieser Seite werden im Überblick ausgewählte umsatzsteuerliche Aspekte für Unternehmen dargestellt. Obwohl die Hinweise mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, kann eine Haftung für ihre inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden. Die Ausführungen sind nicht abschließend und können eine auf den individuellen Sachverhalt abgestimmte Beratung (z. B. durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater etc.) nicht ersetzen.

Was ist die EU-Mehrwertsteuerreform?

Die EU-Mehrwertsteuerreform wurde konzipiert, um die Transparenz zu erhöhen, Steuerbetrug zu vermeiden und den Austausch zwischen den Steuerbehörden der Mitgliedsländer zu stärken und zu vereinfachen. Ursprünglich sollte One-Stop-Shop (im folgenden OSS) am 1. Januar 2021 starten, jetzt ist als neues Startdatum der 1. Juli 2021 geplant. Der OSS wird den Mini-One-Stop-Shop ersetzen.

Was ist OSS?

Laut Definition wird als One-Stop-Shop die Möglichkeit bezeichnet, alle notwendigen bürokratischen Schritte, die einer Zielerreichung dienen, an einer einzigen Stelle durchzuführen (§ 18j UStG). Im Rahmen der Vollendung des EU-Binnenmarktes soll dieses System genutzt werden, um grenzüberschreitende Lieferungen stets im Bestimmungsland zu versteuern. Registrierung und Abwicklung sollen dabei jeweils zentral in den Ursprungsländern erfolgen.

Welche Probleme löst OSS?

Durch One-Stop-Shop (OSS) muss sich ein Händler, der innergemeinschaftlichen Handel betreibt, nur noch einmal steuerlich zentral beim Bundeszentralamt für Steuern registrieren. Umsatzsteueranmeldungen in einzelnen Ländern und die Beachtung von unterschiedlichen Lieferschwellen entfallen damit. Es gilt eine einheitliche Schwelle von 10.000 Euro (§ 3 c Abs. 4 Satz 1 UStG), ab diesem Wert ist die Mehrwertsteuer stets im Bestimmungsland zu zahlen. Für die Umsatzschwelle sind nicht mehr nur die sonstigen Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und auf elektronischem Weg erbrachte Leistungen nach § 3a Abs. 5 Satz 2 UstG relevant, sondern auch die innergemeinschaftlichen Fernverkäufe nach § 3c Abs. 1 UstG. Die Verrechnung erfolgt zentral mit Hilfe von OSS.

Beispiel

Der im Inland ansässige Unternehmer U erbringt in den Jahren 2020 und 2021 in § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG bezeichnete sonstige Leistungen an in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässige Nichtunternehmer im folgenden Wert: 
  • im Kalenderjahr 2020: 3.000 Euro
  • im ersten Halbjahr 2021: 5.000 Euro
  • im zweiten Halbjahr 2021: 2.000 Euro
Außerdem versendet U in den Jahren 2020 und 2021 Waren im folgenden Wert an in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässige Nichtunternehmer: 
  • im Kalenderjahr 2020: 6.000 Euro 
  • im ersten Halbjahr 2021: 20.000 Euro 
  • im zweiten Halbjahr 2021: 5.000 Euro
Im vorangegangenen Kalenderjahr 2020 wurde die ab dem 1. Juli 2021 maßgebliche Umsatzschwelle von 10.000 Euro nicht überschritten. Da die ab dem 1. Juli 2021 auch für innergemeinschaftliche Fernverkäufe maßgebliche Umsatzschwelle von 10.000 Euro für das Kalenderjahr 2021 jedoch bereits im ersten Halbjahr überschritten wurde, kommt es ab dem 1. Juli 2021 ab dem ersten Umsatz zur Ortsverlagerung in den EU-Mitgliedstaat, in dem der Empfänger ansässig ist. Die innergemeinschaftlichen Fernverkäufe vor dem 1. Juli 2021 sind zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob die Ortsbestimmung nach § 3c UStG in der bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung aufgrund des Überschreitens der Lieferschwelle zur Anwendung kam. U hat demnach alle in § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG bezeichneten sonstigen Leistungen an in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässige Nichtunternehmer sowie innergemeinschaftlichen Fernverkäufe ab dem 1. Juli 2021 in den EU-Mitgliedstaaten zu versteuern, in denen die Empfänger ansässig sind, und kann dafür das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18j UStG in Anspruch nehmen.

Für welche Transaktionen kann OSS genutzt werden?

In Deutschland ansässige Unternehmer, die 
  • Dienstleistungen an Privatpersonen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union erbringen, in denen sie nicht ansässig sind oder
  • innergemeinschaftliche Fernverkäufe von Gegenständen tätigen oder
  • eine elektronische Schnittstelle zur Verfügung stellen, durch deren Nutzung sie die Lieferung von Gegenständen innerhalb eines Mitgliedstaats durch einen nicht in der Gemeinschaft ansässigen Steuerpflichtigen unterstützen und deshalb behandelt werden als ob sie die Gegenstände selbst geliefert hätten und
Unternehmer, die nicht in der Europäischen Union ansässig sind 
  • und im Inland über eine Einrichtung wie z. B. ein Warenlager verfügen und
  • daraus Waren an Privatpersonen in anderen EU-Mitgliedstaaten liefern 
können den OSS nutzen.

Für welche Transaktionen kann OSS nicht genutzt werden?

In diesen Fällen ist weiterhin eine lokale Registrierung im Bestimmungsland erforderlich:
  • Lieferungen innerhalb des EU-Staates, in dem das ausländische Fulfillment-Center in der EU liegt. Dies würde sowohl B2C- als auch B2B-Transaktionen betreffen.
  • Innergemeinschaftliche Verbringungen / Erwerbe im EU-Ausland, dies tritt immer ein, sobald Fulfillment-Center im Ausland genutzt werden.
  • Amazon-Commingling-Transaktionen, 
  • Vorsteuerbeträge im EU-Ausland – Guthaben können wohl nur im Land selbst eingefordert werden.
  • Innergemeinschaftliche Erwerbe / Verbringen im EU-Ausland.

Können OSS und lokale Registrierung kombiniert genutzt werden?

Es kann von einem Händler oder Unternehmer sowohl die lokale Registrierung als auch OSS genutzt werden. Dies ist sinnvoll, da es Transaktionen gibt, die jeweils nur über eines der Verfahren abgewickelt werden können. Es sollte jedoch bei einer Art von Transaktionen jeweils das gleiche Verfahren genutzt werden (z.B. für innergemeinschaftliche Fernverkäufe)

Wann muss die Teilnahme am neuen Besteuerungsverfahren zeitlich der zuständigen Finanzbehörde angezeigt werden?

Grundsätzlich muss die Teilnahme am besonderen Besteuerungsverfahren der zuständigen Finanzbehörde (in Deutschland: dem BZSt) vor Beginn des Besteuerungszeitraums angezeigt werden, ab dem das Verfahren genutzt werden soll (§ 16 Abs. 1c Satz 1 bzw. § 16 Abs. 1d Satz 1 UStG). Unternehmer, die bereits für das Vorgängerverfahren Mini-One-Stop-Shop registriert sind, nehmen automatisch an der Sonderregelung OSS teil.

Import-One-Stop-Shop (IOSS)

Ab dem 1. Juli 2021 können bestimmte Unternehmer Fernverkäufe von aus Drittlandsgebieten oder Drittländern eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro an Endkunden (Privatpersonen) über den IOSS abwickeln. Mit dem IOSS soll die Erklärung und Entrichtung der bei dem Verkauf geschuldeten Einfuhrumsatzsteuer erleichtert werden.

Wer kann Umsätze über IOSS abwickeln?

Folgende Unternehmer können IOSS nutzen: 
  • inländische Unternehmer,
  • nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer, wenn die EU mit dem Drittland, in dem sie ansässig sind, ein Abkommen über gegenseitige Amtshilfe geschlossen hat (z. Zt. nur Norwegen),
  • nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer, wenn Sie einen im Inland ansässigen Vertreter vertraglich bestellt und dies dem Bundeszentralamt für Steuern angezeigt haben und
  • im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer, wenn Sie einen im Inland ansässigen Vertreter vertraglich bestellt und dies dem Bundeszentralamt für Steuern angezeigt haben.
Diese Unternehmer können IOSS für folgende Umsätze nutzen:
  • Der Unternehmer tätigt Fernverkäufe von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro an Privatpersonen innerhalb der Europäischen Union (EU) oder
  • der Unternehmer stellt eine elektronische Schnittstelle zur Verfügung, durch deren Nutzung die Lieferung von aus dem Drittlandgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt wird und deshalb so behandelt wird, als ob er die Gegenstände selbst geliefert hätte.

Welche Möglichkeiten bietet IOSS?

Die Einfuhrumsatzsteuer für die Einfuhr von Gegenständen mit einem Wert von bis zu 22 Euro entfällt ab dem 1. Juli 2021, gleichzeitig tritt der IOSS in Kraft. Ein Unternehmer hat nun das Wahlrecht, ob er sich in allen Mitgliedstaaten, in denen er Fernverkäufe von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen mit einem Wert von 150 Euro erbringt, steuerlich erfassen lassen und dort seine Melde- und Erklärungspflichten nachkommen möchte, oder aber die Sonderregelung des IOSS nutzen will.
Unternehmer können ihre in den übrigen Mitgliedstaaten der EU getätigten Fernverkäufe, die unter die Sonderregelung fallen, in einer vereinfachten Zollerklärung anmelden. Außerdem können Sie in einer besonderen Steuererklärung diese Umsätze zentral über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) erklären und auf elektronischem Weg übermitteln und somit die sich ergebende Steuer insgesamt entrichten. Bereits seit 1. April 2021 besteht eine Registrierungsmöglichkeit.
Wichtig: Aus dem Drittland importierte Warenlieferungen, die einen Sachwert von 150 Euro nicht übersteigen, sind für die Teilnehmer am IOSS von der Einfuhrumsatzsteuer befreit. Die Teilnahme ist freiwillig. Allerdings gilt sie einheitlich für alle Mitgliedstaaten der EU.