Recht und Steuern

Quick Fixes

Endgültiges Mehrwertsteuersystem

Reformierung des europäischen Mehrwertsteuersystems

Das derzeitige EU-Mehrwertsteuersystem, welches 1993 in Kraft getreten ist, war in der Europäischen Union lediglich als vorläufige Übergangslösung gedacht. Die EU hatte nunmehr in einem Aktionsplan beschlossen, einen einheitlichen europäischen Mehrwertsteuerraum zu schaffen, und das gegenwärtige Mehrwertsteuersystem gleichermaßen zu modernisieren als auch zu verbessern sowie stärker gegen Betrug und Missbrauch zu schützen.
Die EU-Kommission hat das Inkrafttreten des „endgültigen Mehrwertsteuersystems“  – ambitioniert – für das Jahr 2022 geplant.

Quick Fixes

Als „Sofortmaßnahmen“ wurden von der ECOFIN (Rat der Europäischen Union für Wirtschaft und Finanzen) am 2. Oktober 2018 die sog. Quick Fixes („schnelle Lösungen“) verabschiedet. Diese Umsatzsteuerregelungen sollen – hauptsächlich zur Missbrauchs- und Betrugsbekämpfung – bis zur Schaffung des endgültigen Mehrwertsteuersystems kurzfristige Verbesserungen sowie Harmonierungen im innergemeinschaftlichen Warenhandel erreichen. Die neuen Regelungen wurden bereits in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) aufgenommen und mussten von den EU-Mitgliedstaaten bis zum 1. Januar 2020 umgesetzt werden.
Die Quick Fixes umfassen Rechtsvorschriften für die Anwendungsbereiche:
  • Innergemeinschaftliche Lieferungen – Materiellrechtliche Voraussetzungen
  • Innergemeinschafliche Lieferungen – Neuregelungen zum Belegnachweis
  • Reihengeschäfte - Zwischenhändler
  • Konsignationslager – Vereinfachungsregelungen
Die Quick Fixes sollten ursprünglich bereits zum 1. Januar 2019 Kraft treten. Dieser Termin konnte jedoch nicht realisiert werden. Nunmehr wurde das Inkrafttreten dieser Regelungen über das „Jahressteuergesetz 2019“ für den 1. Januar 2020 geplant.

Umsetzung in Deutschland – Jahressteuergesetz 2019

In Deutschland folgte die Umsetzung der EU-Vorgaben über das vom Bundeskabinett am 31. Juli 2019 beschlossene „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ („Jahressteuergesetz 2019“), welches neben zahlreichen Änderungen und Neuerungen deutscher Steuergesetze auch die umsatzsteuerrelevanten Quick Fixes enthält.
Am 7. November 2019 wurde das Jahressteuergesetz 2019 vom Bundestag in zweiter und dritter Lesung verabschiedet.
Der Bundesrat erteilte seine Zustimmung schließlich am 29. November 2019.
Die Quick Fixes treten ab dem 1. Januar 2020 in Kraft.

Innergemeinschaftliche Lieferungen | Gültige USt-Idnr. als materiell rechtliche Voraussetzung

§ 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 4, § 4 Nr. 1 Bstb. b) UStG neu

Eine gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) und Zusammenfassende Meldung (ZM) werden materiell rechtliche Voraussetzung für die Anwendung der Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen. Künftig darf der Lieferant die Steuerbefreiung nur anwenden, wenn der Erwerber, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem Abgangsmitgliedstaat ansässig ist, über eine gültige USt-IdNr. verfügt und diese dem Lieferanten auch mitteilt. Zudem wird auch die korrekte Erfassung des Umsatzes im MIAS-System zu einer materiellen Voraussetzung, so dass die Steuerfreiheit von den Steuerbehörden abgelehnt wird, wenn der Eintrag in der ZM fehlerhaft ist oder aber der Lieferant keine ZM abgibt. Damit soll die grenzüberschreitende Kontrolle über das MIAS-System erleichtert werden.
Somit gewinnen regelmäßige qualifizierte Abfragen der Gültigkeit der USt-ID nach § 18e UStG erheblich an Bedeutung.

Formeller Nachweis für innergemeinschaftliche Lieferungen – Neuregelung zum Belegnachweis

§ 17a UStDV-neu

Es wird eine widerlegbare Vermutungsregelung zum Nachweis, dass ein Gegenstand in einen anderen Mitgliedsstaat gelangt ist, eingeführt. Das bedeutet, sofern die in § 17a UStDV-E geregelten Nachweise vorliegen, gilt die Vermutung, dass die Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vorliegen.
Die Finanzbehörde kann diese Vermutung durch konkrete Tatsachen widerlegen. Ist dies der Fall, muss der Steuerpflichtige den Nachweis für die Steuerfreiheit führen.
Ausschlaggebend ist lediglich, ob die Transportverantwortung beim Lieferanten oder beim Empfänger liegt. Es erfolgt keine Unterscheidung zwischen Beförderung und Versendung mehr.

Lieferant trägt Verantwortung für Warentransport:

§ 17a Abs. 1 Nr. 1 UStDV-neu

  • Widerlegbare Vermutung für den Fall, dass Gegenstände vom Lieferer unmittelbar oder auf seine Rechnung von einem Dritten befördert/versandt werden:
     
    • Lieferer verfügt über mindestens zwei Belege von Personen, die von ihm und vom Erwerber unabhängig sind (zum Beispiel: unterzeichneter CMR-Frachtbrief, Konnossement, Luftfracht-Rechnung, Rechnung des Beförderers der Gegenstände) oder
    • Lieferer verfügt über einen der oben genannten Belege und ein anderes Dokument:
       
      • Versicherungspolice für Beförderung/Versendung der Gegenstände oder
      • Bankunterlagen, die die Bezahlung des Versands/der Beförderung der Gegenstände belegen
      • Öffentliche Unterlagen, wie zum Beispiel Notar, der die Ankunft im Bestimmungsland (Gemeinschaftsgebiet) bestätigt oder
      • Quittung des Lagerinhabers im Bestimmungsmitgliedsstaat (Gemeinschaftsgebiet)

Empfänger trägt Verantwortung für Warentransport:

§ 17a Abs. 1 Nr. 2 UStDV-neu

  • Der Lieferer benötigt zusätzlich zu den zwei Belegen eine schriftliche Erklärung des Empfängers, dass der Liefergegenstand von ihm oder auf seine Rechnung von einem Dritten befördert oder versandt wurde. Diese ist bis spätestens zum 10. Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorzulegen. Die Erklärung muss folgende Angaben enthalten:
     
    • Ausstelldatum
    • Name und Anschrift des Erwerbers
    • Menge und Art der Gegenstände
    • Ankunftsdatum und – Ort der Gegenstände
    • Bestimmungsmitgliedsstaat
    • bei Fahrzeugen die Identifikationsnummer des Fahrzeugs
    • Identifikation der Person, die die Gegenstände auf Rechnung des Erwerbers entgegennimmt
Falls keine Vermutung nach § 17a Abs. 1 UStDV besteht, muss der Unternehmer bei innergemeinschaftlichen Lieferungen nachweisen,
 „dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Die Voraussetzung muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben.” (§ 17b UStDV neu).
Diese Nachweise können aufgrund der Beibehaltung der alten §§ 17a und 17b UStDV als nunmehr neue §§ 17b und 17c UStDV auch nach wie vor anhand der bisherigen Möglichkeiten der Nachweisführung geführt werden.

Reihengeschäfte | Zwischenhändler 

§ 3 Abs. 6a UStG-neu

Nach § 3 Abs. 6 S. 5 UStG ist im Reihengeschäft – also für den Fall, dass ein Gegenstand in der Kette „geliefert“, dabei aber unmittelbar vom ersten Lieferanten zum letzten Erwerber transportiert wird –nur eine Lieferung die steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung. Es erfolgte bisher jedoch keine ausdrückliche Regelung für die Fälle, in denen der erste oder letzte Unternehmer für den Transport verantwortlich ist.
Erstmals werden mit dem neuen Art. 36a MwStSystRL Vorschriften zu Reihengeschäften und die komplexe umsatzsteuerliche Beurteilung der Beförderung bzw. Versendung durch den Zwischenhändler (mittlerer Unternehmer) in die MwStSystRL aufgenommen.
Mit dem neuen § 3 Abs. 6a UStG erfolgt eine ausdrückliche Regelung:
Versendet oder befördert der Zwischenhändler wird festgelegt, dass grundsätzlich die Lieferung an den Zwischenhändler die bewegte und damit potenziell steuerbefreite Lieferung ist. Abweichend davon ist die Lieferung durch den Zwischenhändler die bewegte und potenziell steuerfrei, wenn er seinem Lieferanten die USt-IdNr. mitteilt, die ihm vom Abgangsmitgliedstaat erteilt wurde.
Zu beachten ist, dass sich die MwStSystRL nur auf innergemeinschaftliche Reihengeschäfte bezieht, d.h. bei Reihengeschäften mit Drittlandsbezug (Einfuhr/Ausfuhr) sind weiterhin die jeweils nationale Gesetzgebung sowie die gesetzlichen Bestimmungen des Drittlands maßgeblich.

Vereinfachungsregelung für Konsignationslager

§ 6b UStG-neu

Das Konsignationslager war im Umsatzsteuerrecht bisher nicht geregelt. Über den neu eingefügten § 6b UStG legt der Gesetzgeber nunmehr fest, wann von einem Konsignationslager ausgegangen wird.
Die Ware wird aus einem Mitgliedsstaat (Abgangsmitgliedsstaat) in einen anderen Mitgliedsstaat (Bestimmungsmitgliedsstaat) transportiert zu dem Zweck, dass die Ware erst im Bestimmungsmitgliedsstaat veräußert wird.
Der Transport der Ware muss zu dem Zweck erfolgen, dass nach dem Ende dieser Beförderung oder Versendung die Lieferung an einen Erwerber bewirkt werden soll.
Nach § 6b UStG neu liegt eine direkte innergemeinschaftliche Lieferung dann vor, wenn die Lieferung an den Erwerber innerhalb von 12 Monaten bewirkt wurde (bzw. die Entnahme der Waren aus dem Konsignationslager innerhalb von 12 Monaten nach Bestückung erfolgt) und folgende Punkte allesamt erfüllt sind:
  • Die Ware wird in ein Konsignationslager in einem anderen Mitgliedstaat verbracht, um sie aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung anschließend an einen anderen Unternehmer zu liefern;
  • Bereits im Zeitpunkt der Versendung oder der Beförderung der Ware sind die Identität des Abnehmers und dessen USt-IdNr. Bekannt;
  • Der Lieferant ist weder ansässig noch begründet er eine Betriebsstätte im Bestimmungsmitgliedstaat, in den die Waren transportiert werden;
  • Der Abnehmer an den bewirkt werden soll, verwendet bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung gegenüber dem Unternehmer eine gültige USt-IdNr. des Bestimmungsmitgliedstaates. Der Erwerber muss dabei die Aufzeichnungspflichten nach § 22 Abs. 4g UStG-neu erfüllen;
  • Der Lieferant muss über diese Lieferung nach den Vorschriften des § 22 Abs. 4f UStG-neu gesonderte Aufzeichnungen führen und kommt seiner Pflicht nach, den Erwerber in die Zusammenfassende Meldung aufzunehmen.
Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (“Jahressteuergesetz 2019”) vom 17. Dezember 2019, veröffentlicht im BGBl 2019 I S. 2451