Recht und Steuern

Regierungsentwurf Anzeigepflicht grenzüberschreitende Steuergestaltungen veröffentlicht


BZSt hat aktualisierten Entwurf eines Anwendungsschreibens veröffentlicht

Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) hat am 6. August 2020 auf seiner Internetseite einen aktualisierten Entwurf eines BMF-Schreibens zur Mitteilungspflicht grenzüberschreitender Steuergestaltungen veröffentlicht. Das BZSt weist explizit darauf hin, dass dieser Entwurf zwar den aktuellen Stand der Erörterungen zwischen obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder widergibt, der Entwurf sei aber noch nicht final abgestimmt.
Der Diskussionsentwurf vom 2. März 2020 enthielt noch eine Nichtbeanstandungsregelung (Rz. 267), nach der Meldungen von Steuergestaltungen, betreffend den Rückwirkungszeitraum, erst bis zum 30. September 2020 erfolgen müssen (und nicht bereits zum 31.08.2020). Diese Nichtbeanstandung wurde im aktuellen BMF-Entwurf jedoch gestrichen.
Zum BMF-Entwurf auf der Internetseite des BZSt

Update: Verlängerung der Umsetzungsfrist durch EU ermöglicht | BMF jedoch gegen Aufschub

Verlängerung der Umsetzungsfrist ermöglicht

Im am 30. Juni 2020 in Kraft getretenen (Ersten) Corona-Steuerhilfegesetz wurde das BMF durch  den geänderten Art. 97 § 33 EGAO, Abs. 5 neu ermächtigt, eine mögliche Verlängerung der Umsetzungsfrist bekanntzugeben, soweit die unionsrechtlichen Vorgaben dies ermöglichen:
„Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, zur zeitnahen Umsetzung unionsrechtlicher Bestimmungen hinsichtlich der Fristen zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen durch ein im Bundessteuerblatt zu veröffentlichendes Schreiben von den Absätzen 1 und 2 abweichende Bestimmungen zu treffen“
Eine solche Fristverlängerung hat die EU-Kommission zwischenzeitlich gewährt (Fristverschiebung um bis zu sechs Monate, siehe Pressemitteilung der EU-Kommission vom 24. Juni 2020).

BMF ist gegen eine Verschiebung der Meldepflicht

Dass Deutschland stattdessen keinen Gebrauch von der Möglichkeit eines Aufschubs machen wird, traf sowohl Unternehmen als auch Steuerberater unerwartet, da diese bereits auf eine Fristverlängerung eingestellt waren.
Auf der Regierungspressekonferenz vom 6. Juli 2020 gab eine Sprecherin des BMF nun bekannt, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz sich gegen eine Verschiebung der Meldepflicht grenzüberschreitender Steuergestaltungen ausgesprochen hat. Deutschland wird die Frist nicht verschieben und die Mitteilungsfrist beginne am 1. Juli 2020. Ein Anwendungsschreiben dazu soll in Kürze ergehen.
Unklar ist, ob auch die Nichtbeanstandungsregelung (Rz. 267: Meldung bis zum 30. September 2020) aus dem bisherigen BMF-Entwurfsschreiben aus März 2020 wegfallen wird.
Der DIHK hat sich zusammen mit anderen Spitzenverbänden der gewerblichen Wirtschaft mit Schreiben vom 8. Juli 2020 an das Bundeskanzleramt gewandt und sich eindringlich für eine Fristverlängerung der Mitteilungspflicht von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen ausgesprochen. Insbesondere wird auf die bereits krisenbedingte enorme Belastung der Unternehmen, die mit der Krise einhergehende Auslastung der externen Berater sowie die zusätzliche bürokratische Belastung durch die Mitteilungspflicht hingewiesen.
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Update: Gesetz am 30. Dezember 2019 verkündet

Der Bundesrat hat dem Gesetzentwurf am 20. Dezember 2019 zugestimmt.
Das „Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen“ wurde am 30. Dezember 2019 im Bundesgesetzblatt - BGBl I 2019 S. 2875 – veröffentlicht.
In der finalen Fassung wurde außerdem mit Wirkung ab dem 1. Januar 2020 die umsatzsteuerliche Istbesteuerungsgrenze aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG angehoben: Für die zulässige Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten wurde die Gesamt-Umsatzgrenze, die der Unternehmer im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschreiten darf, von bisher 500.000 Euro auf nunmehr 600.000 Euro erhöht.
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November 2019
Das Bundeskabinett hat am 9. Oktober 2019 einen „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen“ beschlossen und damit das formelle Gesetzgebungsverfahren eingeleitet. Der Entwurf sieht die Einführung einer Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen vor und verzichtet auf die Meldung innerstaatlicher Sachverhalte.
Der nunmehr vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf basiert auf dem unten dargestellten Referentenentwurf vom 26. September 2019 und sieht diesem gegenüber nur geringfügige Änderungen vor.
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hatte am 26. September 2019 die deutschen Verbände um Stellungnahme bis zum 30. September 2019 gebeten. Der DIHK hatte daraufhin gemeinsam mit anderen Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft mit Schreiben vom 30. September 2019 eine Stellungnahme eingereicht, wobei angesichts der sehr kurzen Stellungnahmefrist eine abschließende und vertiefte Beurteilung nicht möglich war.
Der Bundesrat hatte am 08. November 2019 zum Regierungsentwurf Stellung genommen (Drs 489/19 – Beschluss).

Hintergrund

Der EU-Ministerrat hat am 25. Mai 2018 die „Richtlinie (EU) 2018/822 des Rates vom 25. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen“ verabschiedet. Inhaltlich handelt es sich dabei um die Meldepflicht sowie den Informationsaustausch unter der den Mitgliedstaaten bei bestimmten grenzüberschreitenden Steuergestaltungen. Ziel der Richtlinie ist die Bekämpfung von Steuermissbrauch und die Sicherstellung einer fairen Besteuerung. Die Bundesregierung will sich bei der Umsetzung in nationales Recht eng an der Richtlinie orientieren.
Die Umsetzung in nationales Recht muss bis zum 31. Dezember 2019 erfolgen.

Referentenentwurf vom 26. September 2019

Mitteilungspflicht für nationale Steuergestaltungen nicht mehr enthalten
Das BMF hatte bereits am 30. Januar 2019 einen nicht veröffentlichten Referentenentwurf zur Umsetzung der Richtlinie 2018/822 in die regierungsinterne Ressortabstimmung gebracht. Dieser Entwurf weitete die Meldepflicht auch auf rein innerstaatliche Steuergestaltungen aus und ging damit inhaltlich über die Richtlinie hinaus.
Im Referentenentwurf vom 26. September 2019 ist die nationale Meldepflicht jedoch nicht mehr enthalten (ebenso wenig  im Regierungsentwurf vom 9. Oktober 2019, s. o.). Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass künftig auch Regelungen für nationale Steuergestaltungen wieder aufgegriffen werden.
Nachfolgend werden die wesentlichen Inhalte des Referentenentwurfs vom 26. September 2019 dargestellt:

Inhalt des Referentenentwurfs vom 26. September 2019

Die Regelungen umfassen nur Gestaltungen von Steuern, die unter das EU-Amtshilfegesetz fallen. Nicht betroffen sind damit Umsatzsteuer (einschließlich Einfuhrumsatzsteuer), Zölle, harmonisierte Verbrauchssteuern, Beiträge und Umlagen sowie Gebühren. Die mitteilungspflichtigen Tatbestände (s. a. Anhang IV der RL [EU] 2018/822) wurden dabei aus der EU-Richtlinie übernommen, diese werden im Referentenentwurf abschließend unter dem neuen § 138e Abgabenordnung (AO) aufgezählt.
Als weitere Voraussetzung muss die Steuergestaltung entweder mehr als einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder mindestens einen Mitgliedstaat der Europäischen Union und einen oder mehrere Drittstaaten betreffen.
Die Pflicht zur Mitteilung wird ausgelöst, wenn eine grenzüberschreitende Steuergestaltung bestimmte Kennzeichen erfüllt, die sich wiederum eng an der Richtlinie (EU) 2018/822 orientieren. Die Steuergestaltung ist dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu melden.

Kennzeichen zur Auslösung der Mitteilungspflicht

Die Plicht zur Mitteilung wird ausgelöst, wenn eine grenzüberschreitende Steuergestaltung bestimmte Kennzeichen erfüllt, die sich eng an der Richtlinie (EU) 2018/822 orientieren. Dabei wird unterschieden zwischen Kennzeichen, bei denen zusätzlich der sog. „Main Benefit“-Test erfüllt sein muss (d. h. einer der Hauptvorteile muss ein steuerlicher Vorteil sein), und solchen Kennzeichen, bei denen, unabhängig ob ein Steuervorteil bezweckt oder erzielt wurde, allein bestimmte erhebliche Tatsachen die Mitteilungspflicht auslösen.
Der Gesetzentwurf zählt in § 138e Abs. 1 AO-E unter den Kategorien „Vereinbarungen“ sowie „Gestaltungen“ diese Kennzeichen auf, wobei eines dieser Kennzeichen vorliegen muss:

Kennzeichen mit Main Benefit-Test

(Meldepflicht tritt ein, wenn einer der Hauptvorteile ein steuerlicher Vorteil ist)
[§ 138 Abs. 1 AO-E]
Vereinbarungen
  • Vertraulichkeitsklausel
  • erfolgsabhängige Vergütung
  • eine standardisierte Dokumentation oder Struktur der Gestaltung, die für mehr als einen Nutzer verfügbar ist
Gestaltungen
  • unangemessene rechtliche Schritte, die der Verlustnutzung dienen
  • die Umwandlung von Vermögen in nicht oder niedriger besteuerte Einnahmen
  • Transaktionen durch zwischengeschaltete Unternehmen, die keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben
  • der Empfänger nutzt Steuerhoheitsgebiete ohne dort erhobene Körperschaftssteuer oder einem Steuersatz von Null oder nahe null Prozent
  • die grenzüberschreitende Zahlung zwischen mehreren verbundenen Unternehmen in Steuerhoheitsgebieten mit einer Steuerbefreiung oder einer steuerlichen Präferenzregelung

Kennzeichen ohne Main Benefit-Test

(Meldepflicht tritt unabhängig davon ein, ob mit der Gestaltung ein Steuervorteil bezweckt oder erzielt wurde.)
§ 138e Abs. 2 AO-E
Gestaltungen
  • Grenzüberschreitende Zahlungen zwischen mehreren Unternehmen, bei denen der Empfänger in keinem oder einem Steuerhoheitsgebiet auf der Schwarzen Liste der EU ansässig ist
  • Vermögensübertragungen zwischen Steuerhoheitsgebieten mit wesentlich unterschiedlichen steuerlichen Bewertungen
  • Aushöhlung der Mitteilungspflichten im Sinne des automatischen Informationsaustausches
  • Intransparente Kette: Strukturen mit Personen, Rechtsvereinbarungen oder Strukturen, bei denen die wirtschaftlich Berechtigten dieser Personen, Rechtsvereinbarungen oder Strukturen nicht identifizierbar gemacht werden
  • spezifische Verrechnungspreisgestaltungen

Wer ist zur Meldung verpflichtet?

Die Pflicht zur Mitteilung obliegt grundsätzlich dem sog. Intermediär – also etwa Steuerberater, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer – (§ 138d Abs. 1 AO-E). Dieser hat innerhalb von 30 Tagen nach Eintritt des mitteilungspflichtigen Ereignisses (vgl. § 138f Abs. 2 AO-E) die grenzüberschreitende Steuergestaltung unter Angabe der betroffenen Kennzeichen und Rechtsvorschriften dem Bundeszentralamt für Steuern mitteilen (§ 138f Abs. 1 und 3 AO-E). Sollte der Intermediär einer gesetzlichen Verpflichtung zur Verschwiegenheit unterliegen und wurde der Intermediär aber nicht vom Nutzer (Mandant) hiervon entbunden, so geht die Mitteilungspflicht unter bestimmten Voraussetzungen auf den Nutzer über.

Rückwirkende Meldepflicht für Steuergestaltungen in 2018

Artikel 97 § 33 -neu- Einführungsgesetz zur Abgabenordnung (EGAO)
Mit Wirkung der neuen Regelungen ab dem 1. Juli 2020, sollen Intermediäre und Nutzer entsprechend der Richtlinie (EU) 201/822 dazu verpflichtet werden, grenzüberschreitende Gestaltungen zu melden, deren erster Schritt zwischen dem 25. Juni 2018 und dem 1. Juli 2020 umgesetzt wurde. Betroffene Intermediäre/Nutzer müssen Informationen über diese meldepflichtigen grenzüberschreitenden Steuergestaltungen rückwirkend bis zum 31. August 2020 vorlegen.
Für Gestaltungen, die nach dem 30. Juni 2020 bereitgestellt wurden oder der erste Schritt zur Umsetzung gemacht wurde, muss die Meldung innerhalb von 30 Tagen erfolgen.

Automatischer Datenaustausch

§ 7 Abs. 13 und 14 EUAHiG-E (Gesetz über die Durchführung der gegenseitigen Amtshilfe in Steuersachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union)
Der automatische Austausch der Daten über mitteilungspflichtige grenzüberschreitende Steuergestaltungen unter den EU-Mitgliedstaaten wird über ein sicheres Zentralverzeichnis erfolgen (Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie (EU) 2018/822). Die Mitgliedstaaten werden die ihnen mitgeteilten grenzüberschreitenden Steuergestaltungen in das Zentralverzeichnis einstellen und ihrerseits auf im Zentralverzeichnis gespeicherte Informationen anderer Mitgliedstaaten zugreifen, soweit sie von Steuergestaltungen jeweils betroffen sind.

Verfahren zur Mitteilung

Das Verfahren zur Mitteilung einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung durch den Nutzer der Gestaltung regelt § 138g AO-E.
Intermediäre müssen innerhalb von 30 Tagen nach dem Eintreten des meldepflichtigen Ereignisses dieses dem Bundeszentralamt für Steuern nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmte Schnittstelle mitteilen.
Die Mitteilung muss u. a. eine Zusammenfassung des Inhalts der grenzüberschreitenden Steuergestaltung, Datum der Umsetzung („erster Schritt“), einschlägige Rechtsvorschriften aller betroffener Mitgliedstaaten sowie wirtschaftlicher Wert der Steuergestaltung enthalten.
Auch muss diese Mitteilung Daten sowohl zum Intermediär – wie etwa Name, Anschrift, Firma sowie Steuernummer –  als auch zum Nutzer enthalten.

Verletzung der Mitteilungspflicht ist Ordnungswidrigkeit

Die vorsätzliche oder leichtfertige Verletzung der Mitteilungspflicht grenzüberschreitender Steuergestaltungen wird als Ordnungswidrigkeit geahndet (§ 379 Abs. 2 Nr. 1e bis 1g AO-E). Der Referentenentwurf sieht dabei für derartige Verstöße ein Bußgeld in Höhe von bis zu 25.000 Euro vor.
Stand: August 2020