Recht und Steuern

A1 Nr. 156

A 1 Nr. 156
§§ 322 Abs. 2, 580 Nr. 6, 1025 ZPO - Kein Verbot der Aufrechnung mit einer schiedsbefangenen Gegenforderung nach Erlass des Schiedsspruchs. „Verlängerung” des Aufrechnungsverbots. Restitutionsklage nach Aufhebung des Schiedsspruchs
Das Verbot, vor dem staatlichen Gericht mit einer schiedsbefangenen Gegenforderung aufzurechnen, besteht nicht mehr, wenn das Schiedsverfahren durchgeführt und die Forderung durch einen abschließenden Schiedsspruch zuerkannt wurde. In diesem Fall ist die von den Parteien gewollte Entscheidungskompetenz des Schiedsgerichts gewahrt und das Ziel der Schiedsvereinbarung erreicht.
Ist über den Schiedsspruch ein Vollstreckbarerklärungs- oder Aufhebungsverfahren anhängig und vereinbaren die Schiedsparteien dessen „Aussetzung” bis zur Entscheidung eines anderen Rechtsstreits, so verlängert diese Vereinbarung nicht o.w. das Aufrechnungsverbot.
Das Vollstreckbarerklärungs- bzw. Aufhebungsverfahren ist kein Teil des Schiedsverfahrens. Dieses Verfahren vor dem staatlichen Gericht wird von dem Zweck des Aufrechnungsverbots, der Sicherung der Schiedsautonomie, nicht umfasst.
Wird der die Gegenforderung zuerkennende Schiedsspruch nach rechtskräftigem Abschluss des ordentlichen Gerichtsverfahrens, in dem aufgerechnet wurde, aufgehoben, so ist dem Kläger gegen das die Aufrechnung zulassende Urteil die Restitutionsklage analog § 580 Nr. 6 ZPO eröffnet.
BGH Beschl.v. 17.1.2008 - III ZR 320/06; Internationales Handelsrecht (IHR) 2008, 64 = RKS A 1 Nr. 156
Aus den Gründen:
Die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung unterstand nach den Feststellungen des Berufungsgerichts einer auch die Parteien dieses Rechtsstreits bindenden Schiedsabrede. Diese enthält anerkanntermaßen ein vertragliches Verbot, sich im Prozess auf die Aufrechnung mit einer Gegenforderung zu berufen, über die nach dem Willen der Beteiligten das Schiedsgericht entscheiden sollte. Die Aufrechnung mit einer Gegenforderung, die mit einer rechtswirksamen Schiedsabrede versehen ist, darf im Rechtsstreit vor dem staatlichen Gericht nicht beachtet werden (BGH 22.12.1962 BGHZ 38, 254, 258, in teilweiser Abweichung von BGH 20.12.1956 BGHZ 23, 17, 22ff; 20.12.1972 BGHZ 60, 85, 89). Das Verbot, eine schiedsbefangene Gegenforderung vor dem staatlichen Gericht geltend zu machen, hat seinen Grund darin, dass sonst das staatliche Gericht rechtskräftig (§ 322 Abs. 2 ZPO) über Forderungen entscheiden könnte, über die nach dem Willen der Parteien nur das Schiedsgericht entscheiden soll (vgl. BGHZ 60, 85, 90). Dementsprechend besteht dieses Verbot nicht mehr, wenn so liegt der Streitfall das Schiedsverfahren durchgeführt und mit einem abschließenden Schiedsspruch über die schiedsbefangene (Gegen-)Forderung beendet wurde. Denn die von den Parteien gewollte Entscheidungskompetenz des Schiedsgerichts wurde gewahrt, das Ziel der Schiedsvereinbarung erreicht.
Die ggf. zu beantragende Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist nicht mehr Teil des Schiedsverfahrens. Dabei geht es allein um die in den Grenzen des § 1060 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 1059 Abs. 2 ZPO zulässige staatliche Anerkennung des Schiedsspruchs und die Schaffung eines (staatlichen) Vollstreckungstitels (vgl. § 1064 Abs. 2 ZPO; Senatsbeschluss vom 28.10.1999 - III ZB 43/99 BGHR ZPO § 1064 Abs. 2 und 3 Vollstreckbarerklärung 1 a.E). Dieses zur Durchsetzung des Schiedsspruchs unter Umständen erforderliche Verfahren vor dem staatlichen Gericht wird von dem Zweck des Verbots, mit der schiedsbefangenen Forderung vor dem staatlichen Gericht aufzurechnen Sicherung der Schiedsautonomie nicht umfasst.
Ob das Verbot, im Prozess vor dem staatlichen Gericht mit einer schiedsbefangenen Gegenforderung aufzurechnen, wieder auflebt, wenn der Schiedsspruch, der darüber entscheidet, aufgehoben wird, kann hier offen bleiben. Eine mit Eintritt der formellen Rechtskraft wirksame rechtsgestaltende Aufhebungsentscheidung (§ 1059 Abs. 1 und 2, § 1060 Abs. 2 S. 1 ZPO; Musielak/Voit ZPO 5. Aufl. 2007 § 1059 Rd-Nr. 32 und Musielak/Foerste aaO. vor § 253 Rd-Nr. 17) liegt unstreitig nicht vor. Es ist mithin von einer „Erledigung” der Schiedsvereinbarung durch verfahrensabschließenden Schiedsspruch auszugehen.
Sollte nach dem rechtskräftigen Abschluss dieses Rechtsstreits der die Gegenforderung zuerkennende Schiedsspruch (§ 1055) doch aufgehoben werden, wäre dem Kläger in diesem Rechtsstreit die Restitutionsklage analog § 580 Nr. 6 ZPO eröffnet (vgl. RG ZZP 61 <1937>, 142, 144, mit zusätzlicher Anmerkung der Schriftleitung; Stein/Jonas/Grunsky ZPO 21. Aufl. 1994 § 580 Rd-Nr. 23; Zöller/Greger ZPO 26. Aufl. 2007 § 580 Rd-Nr. 13).
Eine Vereinbarung der Parteien des Schiedsvertrages, nach welcher das Verfahren zur Entscheidung über die Vollstreckbarkeit bzw. die Aufhebbarkeit des Schiedsspruchs zunächst nicht weiter betrieben werden soll, ist nicht regelmäßig dahingehend auszulegen, dass das mit der Schiedsabrede verbundene Aufrechnungsverbot andauern oder doch zumindest wieder aufleben soll. In dem von der Fa. Ö., der Rechtsvorgängerin der Bekl., gegen ihn geführten o.g.Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 18.10.2004 (KG 20 Sch 17/04 = III ZB 11/07 = IHR 2008, 66 = RKS A 1 Nr. 157) hat sich der Kl. mit der Rechtsvorgängerin der Bekl, Fa. Ö., dahin verständigt, das Vollstreckbarerklärungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine auf Insolvenzanfechtung gegründete Klage gegen Fa. Ö. (95 O 78/03 LG Berlin) „auszusetzen”. Er meint, nach Sinn und Zweck dieses Vergleichs habe Fa. Ö. ihr angebliches Aus- oder Absonderungsrecht auch nicht im Wege der Aufrechnung durchsetzen dürfen. Dem Berufungsurteil sind aber keine Feststellungen zu entnehmen, wonach die in dem Vollstreckbarerklärungsverfahren am 2.5.2005 erfolgte einvernehmliche Verfahrensaussetzung ein an die Fa. Ö., die dortige Antragstellerin, gerichtetes, die Beklagte als Rechtsnachfolgerin bindendes Verbot enthalten sollte, anderweit mit der ihr durch den Schiedsspruch zuerkannten Forderung aufzurechnen (wird ausgeführt).
Der Vortrag des Kl., er habe sich mit Fa. Ö. vergleichsweise über ein „Ruhen” des Vollstreckbarerklärungsverfahrens geeinigt, „um die Aufhebung des Schiedsspruchs und die Wiederholung einer kostenintensiven Verhandlung vor dem Schiedsgericht zunächst zu vermeiden”, enthält keinen Anhalt für ein stillschweigend vereinbartes Aufrechnungsverbot.