Recht und Fair Play

A 1 Nr. 183

§ 1066 ZPO, §§ 2220, 2227 BGB – Schiedsfähigkeit eines Streits über die Entlassung des Testamentsvollstreckers
Streitigkeiten über die Entlassung eines Testamentsvollstreckers, die nicht auf einer zwischen dem Testamentsvollstrecker und den Erben und sonstigen Beteiligten vereinbarten, sondern auf einer in einer letztwilligen Verfügung gem. § 1066 ZPO angeordneten Schiedsklausel beruhen, können nicht einem Schiedsgericht zugewiesen werden. Sie können nur im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit durch das Nachlassgericht entschieden werden.
Das gilt auch nach der Reform des Schiedsrechts, das die Schiedsgerichtsbarkeit als eine der staatlichen Gerichtsbarkeit heute weitgehend ebenbürtige Rechtsschutzmöglichkeit ansieht; bereits durch den Amtsermittlungsgrundsatz und die Möglichkeit des Nachlassgerichts, bei der Ermittlung auch Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, ist der Erbe besser gestellt.
OLG Karlsruhe Beschl. v. 28.7.2009 – 11 Wx 94/07; NJW 2010, 688 = RKS A 1 Nr. 183
Aus dem Sachverhalt:
Der Beteiligte zu 3 war gemäß privatschriftlichem Testament vom 20.10.2003 als Testamentsvollstrecker eingesetzt. In Ziffer 5 des Testaments hatte die Erblasserin bestimmt:
„Konfliktklausel.
Ich ordne an, dass sich alle Erben und Vermächtnisnehmer sowie der Testamentsvollstrecker für Streitigkeiten, die durch dieses Testament hervorgerufen sind und ihren Grund in dem Erbfall haben, unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte einem Schiedsgericht zu unterwerfen haben.“
Auf Antrag des Beteiligten zu 1, Sohn und Miterbe, entließ das Nachlassgericht den Testamentsvollstrecker aus seinem Amt. Auf sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3 hob das LG den Beschluss des Nachlassgerichts auf; der Erblasser habe zulässigerweise die Gerichtsbarkeit bezüglich der Entlassung ausgeschlossen und die Zuständigkeit einem Schiedsgericht übertragen. Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 führte zur Aufhebung dieser Entscheidung und zur Zurückverweisung an das LG.
Aus den Gründen:
Das gem. §§ 81 Abs. 2, 27, 29 FGG zulässige Rechtsmittel hat in der Sache vorläufig Erfolg. Die Entscheidung des LG hält der allein möglichen Nachprüfung auf Rechtsfehler nicht Stand.
Grundsätzliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der Schiedsklausel bestehen nicht. Insoweit kann auf die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 26.11.2007 – 10 Sch6/07 - Bezug genommen werden, das jedoch über die Kompetenzen des Schiedsgerichts im Einzelnen nicht entschieden hat, sondern lediglich über die Frage, ob ein Streit über die Auseinandersetzung des Nachlasses in den Kompetenzbereich des Schiedsgerichts fällt.
Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Auffassung des LG, dass Streitigkeiten über die Entlassung eines Testamentsvollstreckers, die nicht auf einer zwischen dem Testamentsvollstrecker und dem Erben und sonstigen Beteiligten vereinbarten Schiedsklausel beruhen, sondern auf einer letztwilligen Verfügung gem. § 1066 ZPO, dem Schiedsgericht zugewiesen werden können. Die Frage ist in der Literatur nach wie vor streitig, es gibt soweit ersichtlich keine obergerichtliche Rechtsprechung.
Die Befürworter der Schiedsfähigkeit des Entlassungsverfahrens nach § 2227 BGB (vgl. Schlosser in Stein/Jonas ZPO 2. Aufl. § 1066 Rd-Nr. 3; Geimer in Festschrift für Schlosser 2005, S. 197 [207]; Schulze MDR 2000, 314 [317 f.]; derselbe in „Grenzen der objektiven Schiedsfähigkeit im Rahmen des § 1030 ZPO“, 2003, S. 93ff.,; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl., S. 290ff.; Habscheid ZZP 66, 197; Schiffer BB-Beilage 1995, Nrn. 5, 2-6) machen mit unterschiedlichen Schwerpunkten geltend, dass auch für privatrechtliche Parteistreitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine schiedsgerichtliche Zuständigkeit begründet werden kann (vgl. Geimer in: Festschrift f. Schlosser S. 197; Schlosser in Stein/Jonas § 1066 Rd-Nr. 3), dass sich nach der Reform des Schiedsrechts aus dem Schiedsrecht selbst wie aus den Gesetzesmaterialien ergebe, dass das Gesetz die Schiedsgerichtsbarkeit nunmehr als eine der staatlichen Gerichtsbarkeit ebenbürtige Rechtsschutzmöglichkeit sehe. Da dem Ziel der Entlassung des Testamentsvollstreckers ein klägerisches wirtschaftliches Interesse zugrunde liege, bestehe Vermögensrechtlichkeit i.S.d. § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO; bei der Zuweisung an das Nachlassgericht handele es sich um eine bloße Organisationsvorschrift (vgl. Schulze MDR 2000, 314).
Die Gegner der Schiedsfähigkeit des Entlassverfahrens (Münch in MünchKomm ZPO 3. Aufl. § 1066 Rd-Nrn. 4 ff.; Leipold in MünchKomm BGB 4. Aufl. § 1937 Rd-Nr. 35; Staudinger/Otte BGB Neubearb. 2008, Vorb. zu §§ 1937 ff., Rd-Nr. 11; Lange/Kuchinke ErbR 5. Aufl. § 32 II 4 c; Kipp/Coing ErbR 14. Bearb. S. 425; Staudinger/Reimann BGB Neubearb. 2003 § 2227 Rd-Nr. 29; Baumbach/Lauterbach ZPO 67. Aufl. § 1066 Rd-Nr. 2; Musielak/Voit ZPO 6. Aufl. [2008] § 1066 Rd-Nr.4; Haas ZEV 2007, 49 [53]; Wegmann ZEV 2003, 20; Harder Das Schiedsverfahren im Erbrecht, 2007, S. 142ff.; Zimmermann Die Testamentsvollstreckung 3. Aufl. [2008] Rd-Nr. 108) halten diese Argumentation für unzutreffend: Auch wenn man aus dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Fälle des sog. echten Streitverfahrens aussondere und für diese das schiedsrichterliche Verfahren im Allgemeinen zulasse, so ändere das nichts, weil das Verfahren nach § 2227 BGB einen schwer abzugrenzenden Kreis der Beteiligten habe und daher insoweit nicht als echtes Streitverfahren angesehen werden könne (vgl. Staudinger/Reimann § 2227 Rd-Nr. 29); eine Entscheidung, die für und gegen alle Nachlassbeteiligten wirken solle, könne in einem Parteiverfahren nicht ergehen (vgl. Staudinger/Otte a. a. O. Rd-Nr. 11); der Erblasser könne dem Schiedsgericht die Entscheidung über alle, aber auch nur über solche Fragen zuweisen, über die er kraft seiner Testierfähigkeit verfügen könne (Staudinger/Otte a. a. O. Rd-Nr. 11); was der Erblasser nicht dürfe – Einschränkungen oder Ausschluss des Verfahrens nach § 2227 BGB - soll der Schiedsrichter nicht können (vgl. Münch a. a. O. Rd-Nrn. 4 ff.). Die Zuweisung zur Schiedsgerichtsbarkeit erscheine bedenklich; denn die starke Position des Testamentsvollstreckers gegenüber den Erben, deren verfassungsrechtlich verbürgtes Recht aus Art. 14 GG in Rede stehe und die sich einer Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht unterworfen hätten, erfordere eine entsprechende gerichtliche Kontrolle, die vom Erblasser nicht einseitig auf ein Schiedsgericht verlagert werden dürfe (Musielak/Voit ZPO 6. Aufl. [2008] § 1066 Rd-Nr.4).
Das RG hat die Frage der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts bei Streit über die Entlassung eines Testamentsvollstreckers erörtert (RGZ 133, 128). Nach Darstellung einerseits der starken Stellung des Testamentsvollstreckers, andererseits der Verfügungsbeschränkungen in § 2220 BGB führt das RG aus, dass § 2220 BGB der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen sei, nicht zuzulassen, dass ein Erblasser den Erben mit gebundenen Händen dem ausgedehnten Machtbereich des Testamentsvollstreckers überliefert:
„Die den weitgehenden Befugnissen des Letzteren entsprechenden Verpflichtungen werden vom Gesetz als so bedeutungsvoll angesehen und mit so großer Bestimmtheit aufgestellt, dass es auch dem Erblasser verboten sein soll, zum Nachteil des Erben daran etwas zu ändern. Ist aber dies die Absicht des Gesetzes, so liegt darin auch der Wille, dem Erblasser jede Beschränkung des Erben in der Geltendmachung derjenigen Rechte gegen den Testamentsvollstrecker zu verwehren, die sich aus der Verletzung der gedachten Verpflichtungen ergeben. Darf er den Testamentsvollstrecker nicht von ihrer Einhaltung befreien, dann darf der Erblasser sinngemäß auch den Erben in keiner Weise hindern, die aus etwaiger Verletzung bestehender Verpflichtungen für ihn entspringenden Rechte auszuüben. Wollte man hier anders urteilen, dann würde § 2220 BGB sich als stumpfe Waffe erweisen und den Zweck einer festen Bindung des Testamentsvollstreckers an die in den §§ 2215, 2216, 2218, 2219 … ihm auferlegten Pflichten nicht erfüllen können. Zu den Mitteln, durch die der Erbe Pflichtverletzungen des Testamentsvollstreckers geltend machen kann, gehört aber in erster Linie die im § 2227 BGB ihm verliehene Befugnis, die Entlassung des Testamentsvollstreckers beim Nachlassgericht zu beantragen. Die Anordnung eines Erblassers, sein Erbe dürfe wegen Pflichtverletzungen des Testamentsvollstreckers nicht dessen Entlassung beantragen, wäre mithin entsprechend dem Gedanken, der dem § 2220 BGB zu Grunde liegt, als unverbindlich zu betrachten.“
Auch nach heutigem Verständnis ist § 2220 BGB eine zentrale Norm für das Verhältnis des Testamentsvollstreckers zu den Erben. Sie beruht auf dem Gedanken, dass die Beschränkung des Erben durch die ausgedehnten Machtbefugnisse des Testamentsvollstreckers nicht so weit gehen darf, dass der Erbe praktisch der Willkür des Testamentsvollstreckers ausgeliefert ist. Korrelat des in § 2220 BGB enthaltenen Befreiungsverbots ist, dass es dem Erblasser über den Wortlaut der Vorschrift hinaus auch verboten ist, den Erben an der Ausübung der Rechte zu hindern, die ihm zustehen, wenn der Testamentsvollstrecker seine Verpflichtungen nach §§ 2215, 2216, 2218, 2219 BGB verletzt. Der Erblasser kann daher das Recht des Erben, bei Unfähigkeit oder Nachlässigkeit des Testamentsvollstreckers seine Entlassung zu beantragen, weder ausschließen noch beschränken (Staudinger/Reimann § 2220 Rd-Nr. 1 m.w.N.).
Das hier sichtbare Spannungsfeld zwischen der Testierfreiheit des Erblassers und der Stellung des Erben, dem das Gesetz durch unabdingbare Pflichten des Testamentsvollstreckers und die Möglichkeit des Entlassverfahrens eine eigene geschützte Rechtsposition einräumt, ist zu beachten, wenn der Anwendungsbereich des § 1066 ZPO bestimmt wird.
Das Gesetz erweitert mit § 1066 ZPO prozessual die im materiellen Recht gewährte Testierfreiheit durch die Möglichkeit, Streitigkeiten über den Nachlass einem Schiedsgericht durch einseitige Verfügung zu übertragen, zeigt aber durch die Formulierung „in gesetzlich statthafter Weise“ auch die Grenzen des materiellen Rechts. § 1066 ZPO setzt durch seinen Verweis in das materielle Recht die dort verankerte Möglichkeit einer solchen Einsetzung überhaupt voraus (Schulze MDR 2000, 314; derselbe, Grenzen der objektiven Schiedsfähigkeit im Rahmen des § 1030 ZPO, 2003, S. 87; Münch a. a. O. § 1066 Rd-Nr. 7). Diese Einschränkung ist geboten, da § 1066 ZPO durch die einseitige Verfügung des Schiedsverfahrens für die Beteiligten ein ebenso aufgezwungenes Gericht schafft wie das des Staates, das aber nicht alle Garantien gewährt, die die staatlichen Gerichte bieten. So spielt die Zuordnung zum Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Rolle hinsichtlich der Frage der Erschwerungen der Durchsetzung der Erbenrechte. Bereits durch den Amtsermittlungs-grundsatz und die Möglichkeit, bei der Ermittlung auch Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, die nur im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit vor dem Nachlassgericht gewährt sind, ist der antragstellende Erbe besser gestellt als durch das Schiedsverfahren. Daraus und aus der Erkenntnis, dass § 1066 ZPO ein prozessuales Seitenstück der Testierfreiheit darstellt, lässt sich auch auf die Grenzen dieses Rechts schließen. Es kann nicht weiter reichen als die Testierfreiheit und muss dem gesetzlich angelegten Schutz des Erben genügen, darf ihn nicht aushöhlen. Eine übermäßige Beeinträchtigung der Testierfreiheit erfolgt dadurch nicht, da dieser Erbenschutz auch als ein postmortaler Schutz des Erblassers vor eigener Fehleinschätzung hinsichtlich der Person und der Fähigkeiten des Testamentsvollstreckers dient und damit helfen kann, dem wahren Willen des Erblassers zur Durchsetzung zu verhelfen.
Es ist danach unzutreffend, dass den Schiedsgerichten nach § 1066 ZPO dasjenige als Aufgabe übertragen werden kann, was sonst dem Prozessgericht obläge (so aber Schiffer BB-Beilage 1995 Nr. 5, 2-6 S. 5). Grenze ist immer die Reichweite der Testierfreiheit: Da der Erblasser nach dem materiellen Recht die Abberufung nicht ausschließen und nicht erschweren darf, darf das auch nicht durch die prozessuale Gestaltung möglich sein (ebenso Harder S. 145). Ob es sich dabei bei dem Verfahren auf Entlassung des Testamentsvollstreckers um ein privatrechtliches Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt oder nicht, ist als rein formale Argumentation nicht erhellend zur Lösung dieses Konflikts.
Verzichtet der Erbe auf diese Rechtsstellung und kommt es ihm beispielsweise auf die typischen Vorteile des Schiedsgerichtsverfahrens wie Flexibilität und Schnelligkeit an, bleibt es ihm unbenommen, von einem Entlassungsantrag abzusehen und sich mit dem Testamentsvollstrecker auf ein Schiedsverfahren zu verständigen.
Eine Auslegung der hier vorliegenden Schiedsklausel dahingehend, dass die Erblasserin damit auch das Verfahren auf Entlassung des Testamentsvollstreckers einem Schiedsgericht unterworfen habe, kommt damit nicht in Betracht.